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Die Grenzboten. Jg. 42, 1883, Viertes Quartal.

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Francesca von Rimini.
N Adam von Festenberg. ovelle von(Fortsetzung,)
3.

ennglcich der äußere Anlaß der Ohnmacht Margarethens den an¬
wesenden Besuchern der Ausstellung sich genügend offenbarte, so
sollten sie die tiefere Ursache erst in den nächsten Tagen in dem
Feuilleton des "Berliner Bürgerfreundes" lesen. Der Artikel mit
der Überschrift "Unedle Künstlerrache" lautete folgendermaßen:

In unserm diesjährigen Salon zieht das Bild eines unsrer jüngeren Künstler
aus doppeltem Grunde das allgemeine Interesse ans sich. Für die Kunstkenner
bedarf es nicht erst der Bemerkung, daß der Künstler für dieses Bild die kleine
goldene Medaille erhalten hat. Es stellt Judith dar, mit dem Haupt des
Holofernes, sich von dem Lager des Getöteten erhebend. Zwar ganz biblisch
ist die Darstellung nicht, und wir sind sicher, daß ein bekannter Hofprediger
nicht in der Kommission gesessen hat, welche über die obige Auszeichnung an
den Künstler Beschluß faßte. Wir können dem gedachten Herrn aber die Ver¬
sicherung geben, daß, soweit sich dies konstatiren läßt, der Künstler keinen Tropfen
semitischen Blutes in sich trägt. Judith ist freilich nicht das Heldenweib von
Bethulien, sie ist eine zarte jungfräuliche Erscheinung, deren Gesicht nicht ohne
koketten Zug ist. Sie scheint nicht sowohl gottvertrauend ihr Vaterland von
einem mächtigen Feinde befreit, als vielmehr durch eine "abblitzende Antwort"
einen zudringlichen Anbeter abgewinkt zu haben. Auch Holofernes entspricht
den biblischen und hofpredigerlichen Traditionen nicht. Nach seinem Kopfe scheint
er ungeachtet des leicht angehauchten braunen Tones ein echter christlich-sozialer
Germane zu sein, wie ihn selbst I)r. Bernhard Schütze nicht echter wünschen
kann. Sein Gesicht zeigt tiefen Schmerz, als ob dieser, schon vor dem Tode
vorhanden, denselben noch überdauerte. Läßt sich also vom geschichtlichen Stand-




Francesca von Rimini.
N Adam von Festenberg. ovelle von(Fortsetzung,)
3.

ennglcich der äußere Anlaß der Ohnmacht Margarethens den an¬
wesenden Besuchern der Ausstellung sich genügend offenbarte, so
sollten sie die tiefere Ursache erst in den nächsten Tagen in dem
Feuilleton des „Berliner Bürgerfreundes" lesen. Der Artikel mit
der Überschrift „Unedle Künstlerrache" lautete folgendermaßen:

In unserm diesjährigen Salon zieht das Bild eines unsrer jüngeren Künstler
aus doppeltem Grunde das allgemeine Interesse ans sich. Für die Kunstkenner
bedarf es nicht erst der Bemerkung, daß der Künstler für dieses Bild die kleine
goldene Medaille erhalten hat. Es stellt Judith dar, mit dem Haupt des
Holofernes, sich von dem Lager des Getöteten erhebend. Zwar ganz biblisch
ist die Darstellung nicht, und wir sind sicher, daß ein bekannter Hofprediger
nicht in der Kommission gesessen hat, welche über die obige Auszeichnung an
den Künstler Beschluß faßte. Wir können dem gedachten Herrn aber die Ver¬
sicherung geben, daß, soweit sich dies konstatiren läßt, der Künstler keinen Tropfen
semitischen Blutes in sich trägt. Judith ist freilich nicht das Heldenweib von
Bethulien, sie ist eine zarte jungfräuliche Erscheinung, deren Gesicht nicht ohne
koketten Zug ist. Sie scheint nicht sowohl gottvertrauend ihr Vaterland von
einem mächtigen Feinde befreit, als vielmehr durch eine „abblitzende Antwort"
einen zudringlichen Anbeter abgewinkt zu haben. Auch Holofernes entspricht
den biblischen und hofpredigerlichen Traditionen nicht. Nach seinem Kopfe scheint
er ungeachtet des leicht angehauchten braunen Tones ein echter christlich-sozialer
Germane zu sein, wie ihn selbst I)r. Bernhard Schütze nicht echter wünschen
kann. Sein Gesicht zeigt tiefen Schmerz, als ob dieser, schon vor dem Tode
vorhanden, denselben noch überdauerte. Läßt sich also vom geschichtlichen Stand-


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[0162] [Abbildung] Francesca von Rimini. N Adam von Festenberg. ovelle von(Fortsetzung,) 3. ennglcich der äußere Anlaß der Ohnmacht Margarethens den an¬ wesenden Besuchern der Ausstellung sich genügend offenbarte, so sollten sie die tiefere Ursache erst in den nächsten Tagen in dem Feuilleton des „Berliner Bürgerfreundes" lesen. Der Artikel mit der Überschrift „Unedle Künstlerrache" lautete folgendermaßen: In unserm diesjährigen Salon zieht das Bild eines unsrer jüngeren Künstler aus doppeltem Grunde das allgemeine Interesse ans sich. Für die Kunstkenner bedarf es nicht erst der Bemerkung, daß der Künstler für dieses Bild die kleine goldene Medaille erhalten hat. Es stellt Judith dar, mit dem Haupt des Holofernes, sich von dem Lager des Getöteten erhebend. Zwar ganz biblisch ist die Darstellung nicht, und wir sind sicher, daß ein bekannter Hofprediger nicht in der Kommission gesessen hat, welche über die obige Auszeichnung an den Künstler Beschluß faßte. Wir können dem gedachten Herrn aber die Ver¬ sicherung geben, daß, soweit sich dies konstatiren läßt, der Künstler keinen Tropfen semitischen Blutes in sich trägt. Judith ist freilich nicht das Heldenweib von Bethulien, sie ist eine zarte jungfräuliche Erscheinung, deren Gesicht nicht ohne koketten Zug ist. Sie scheint nicht sowohl gottvertrauend ihr Vaterland von einem mächtigen Feinde befreit, als vielmehr durch eine „abblitzende Antwort" einen zudringlichen Anbeter abgewinkt zu haben. Auch Holofernes entspricht den biblischen und hofpredigerlichen Traditionen nicht. Nach seinem Kopfe scheint er ungeachtet des leicht angehauchten braunen Tones ein echter christlich-sozialer Germane zu sein, wie ihn selbst I)r. Bernhard Schütze nicht echter wünschen kann. Sein Gesicht zeigt tiefen Schmerz, als ob dieser, schon vor dem Tode vorhanden, denselben noch überdauerte. Läßt sich also vom geschichtlichen Stand-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 42, 1883, Viertes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341837_154164/162>, abgerufen am 13.11.2024.