Die Grenzboten. Jg. 42, 1883, Drittes Quartal.Die Grafen von Altenschwerdt. gewissermaßen ihnen zum Trotz die Ordnung in der Welt aufrecht erhält und Ich würde mich ja undankbar zeigen und damit Sie selber bloßstellen, Fünfzigstes Aapitel. Der Herbst war vorübergegangen, die Wälder um Schloß Eichhausen Ringsum ruhte die Natur und verschloß ihre keimende Kraft wohlgeborgen Aber in dem mächtigen, schwer lastenden alten Schlosse rüsteten sich die Die Grafen von Altenschwerdt. gewissermaßen ihnen zum Trotz die Ordnung in der Welt aufrecht erhält und Ich würde mich ja undankbar zeigen und damit Sie selber bloßstellen, Fünfzigstes Aapitel. Der Herbst war vorübergegangen, die Wälder um Schloß Eichhausen Ringsum ruhte die Natur und verschloß ihre keimende Kraft wohlgeborgen Aber in dem mächtigen, schwer lastenden alten Schlosse rüsteten sich die <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0650" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/154097"/> <fw type="header" place="top"> Die Grafen von Altenschwerdt.</fw><lb/> <p xml:id="ID_2803" prev="#ID_2802"> gewissermaßen ihnen zum Trotz die Ordnung in der Welt aufrecht erhält und<lb/> den langsamen Fortschritt der Kultur zuwege bringt. Deshalb sollten wir<lb/> Schriftsteller, die wir doch vor allen andern Leuten berufen sind, Bildung zu<lb/> verbreiten und auf die Sittlichkeit des Volkes zu wirken, uns nicht zu sehr um<lb/> das bekümmern, was man im gewöhnlichen Sinne Politik nennt, sondern nur<lb/> um jene größere Kraft, welche bleibende Bedeutung hat. Welches aber ihre<lb/> Natur ist, das mag jeder nach seiner Fähigkeit erforschen. Ich glaube, Graf<lb/> Dietrich, daß Sie eine schöne Begabung haben, und ich traue Ihnen wohl zu,<lb/> daß Sie Werke schaffen können, die wahrhaft geeignet sind, das Publikum auf<lb/> das Ideale hinzuweisen. Doch haben Ihre Gedichte, wenn Sie mir erlauben<lb/> wollen, als Ihr früherer Lehrer zu Ihnen zu sprechen, noch nicht die höchste<lb/> Weihe der Kunst, und Sie werden ernster Arbeit bedürfen, um etwas Echtes<lb/> und Schönes zu schaffen. Das bedenken Sie, nun Sie in die Laufbahn der<lb/> Ritter vom Geiste als ein Berufsgenosse einlenken.</p><lb/> <p xml:id="ID_2804"> Ich würde mich ja undankbar zeigen und damit Sie selber bloßstellen,<lb/> wenn ich diesen Rat verachten wollte, entgegnete Dietrich errötend und lächelnd.<lb/> Lassen Sie mich in Ihnen meinen Führer erkennen, dann hoffe ich, an der<lb/> Seite Ihrer liebenswürdigen Schwester des hohen Berufes, den ich erwähle,<lb/> würdig zu werden.</p><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> </div> <div n="2"> <head> Fünfzigstes Aapitel.</head><lb/> <p xml:id="ID_2805"> Der Herbst war vorübergegangen, die Wälder um Schloß Eichhausen<lb/> streckten ihre kahlen Arme kampfbereit den Winterstürmen entgegen, und gelb<lb/> bedeckte der sommerliche Blütterschmuck ihre im Boden wurzelnden Füße. Nur<lb/> die Fichten und Taimen hatten wohl ihr grünes Kleid bewahrt, doch war es<lb/> hart und dunkel geworden, der harten Jahreszeit mit ihren kurzen Tagen und<lb/> langen Nächten gemäß. Vom Meere her wehte ein kalter Wind und fuhr<lb/> sausend über die Wälder hin, über die weiten Felder, deren Segen längst von<lb/> fleißigen Händen gesammelt war, und über die Gärten am Schlosse, deren schwel¬<lb/> lende Früchte in den luftigen Vorratskammern lagerten.</p><lb/> <p xml:id="ID_2806"> Ringsum ruhte die Natur und verschloß ihre keimende Kraft wohlgeborgen<lb/> unter rauher Schale, auch die fröhlichen Lieder der gefiederten Sänger von<lb/> Wald und Feld und Garten waren verstummt, und nur die schwarzem Freunde<lb/> der ragenden Thürme und Zinnen umkreisten mit Flügelschlag und Geschrei ihre<lb/> sichern Wohnplätze, in denen sie der Kälte und dem Sturme zu trotzen gewohnt<lb/> waren, während die zartern Genossen in Würmern Ländern den neuen Sommer<lb/> erwarteten.</p><lb/> <p xml:id="ID_2807" next="#ID_2808"> Aber in dem mächtigen, schwer lastenden alten Schlosse rüsteten sich die<lb/> Menschen zu frohem Feste. Wagen voll grüner Tannenäste waren von rüstigen<lb/> Knechten in den Schloßhof gefahren worden, und unter der Leitung des alten<lb/> Inspektors, dessen joviales Gesicht in diesen Tagen noch heiterer leuchtete als<lb/> sonst, schmückten geschäftige Hände die hervorspringenden Linien der Front mit<lb/> schweren Guirlanden. Die architektonische Gliederung des gewaltigen Baues<lb/> trat aus der dunkeln Steinmasse in grüner Bekleidung hervor, »ud die hohen<lb/> Einfahrten, das Portal, die Thore des innern Hofes verwandelten sich in Lauben.<lb/> Draußen vor dem Hauptthor erhob sich ein Triumphbogen, den der Zimmer-</p><lb/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0650]
Die Grafen von Altenschwerdt.
gewissermaßen ihnen zum Trotz die Ordnung in der Welt aufrecht erhält und
den langsamen Fortschritt der Kultur zuwege bringt. Deshalb sollten wir
Schriftsteller, die wir doch vor allen andern Leuten berufen sind, Bildung zu
verbreiten und auf die Sittlichkeit des Volkes zu wirken, uns nicht zu sehr um
das bekümmern, was man im gewöhnlichen Sinne Politik nennt, sondern nur
um jene größere Kraft, welche bleibende Bedeutung hat. Welches aber ihre
Natur ist, das mag jeder nach seiner Fähigkeit erforschen. Ich glaube, Graf
Dietrich, daß Sie eine schöne Begabung haben, und ich traue Ihnen wohl zu,
daß Sie Werke schaffen können, die wahrhaft geeignet sind, das Publikum auf
das Ideale hinzuweisen. Doch haben Ihre Gedichte, wenn Sie mir erlauben
wollen, als Ihr früherer Lehrer zu Ihnen zu sprechen, noch nicht die höchste
Weihe der Kunst, und Sie werden ernster Arbeit bedürfen, um etwas Echtes
und Schönes zu schaffen. Das bedenken Sie, nun Sie in die Laufbahn der
Ritter vom Geiste als ein Berufsgenosse einlenken.
Ich würde mich ja undankbar zeigen und damit Sie selber bloßstellen,
wenn ich diesen Rat verachten wollte, entgegnete Dietrich errötend und lächelnd.
Lassen Sie mich in Ihnen meinen Führer erkennen, dann hoffe ich, an der
Seite Ihrer liebenswürdigen Schwester des hohen Berufes, den ich erwähle,
würdig zu werden.
Fünfzigstes Aapitel.
Der Herbst war vorübergegangen, die Wälder um Schloß Eichhausen
streckten ihre kahlen Arme kampfbereit den Winterstürmen entgegen, und gelb
bedeckte der sommerliche Blütterschmuck ihre im Boden wurzelnden Füße. Nur
die Fichten und Taimen hatten wohl ihr grünes Kleid bewahrt, doch war es
hart und dunkel geworden, der harten Jahreszeit mit ihren kurzen Tagen und
langen Nächten gemäß. Vom Meere her wehte ein kalter Wind und fuhr
sausend über die Wälder hin, über die weiten Felder, deren Segen längst von
fleißigen Händen gesammelt war, und über die Gärten am Schlosse, deren schwel¬
lende Früchte in den luftigen Vorratskammern lagerten.
Ringsum ruhte die Natur und verschloß ihre keimende Kraft wohlgeborgen
unter rauher Schale, auch die fröhlichen Lieder der gefiederten Sänger von
Wald und Feld und Garten waren verstummt, und nur die schwarzem Freunde
der ragenden Thürme und Zinnen umkreisten mit Flügelschlag und Geschrei ihre
sichern Wohnplätze, in denen sie der Kälte und dem Sturme zu trotzen gewohnt
waren, während die zartern Genossen in Würmern Ländern den neuen Sommer
erwarteten.
Aber in dem mächtigen, schwer lastenden alten Schlosse rüsteten sich die
Menschen zu frohem Feste. Wagen voll grüner Tannenäste waren von rüstigen
Knechten in den Schloßhof gefahren worden, und unter der Leitung des alten
Inspektors, dessen joviales Gesicht in diesen Tagen noch heiterer leuchtete als
sonst, schmückten geschäftige Hände die hervorspringenden Linien der Front mit
schweren Guirlanden. Die architektonische Gliederung des gewaltigen Baues
trat aus der dunkeln Steinmasse in grüner Bekleidung hervor, »ud die hohen
Einfahrten, das Portal, die Thore des innern Hofes verwandelten sich in Lauben.
Draußen vor dem Hauptthor erhob sich ein Triumphbogen, den der Zimmer-
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