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Die Grenzboten. Jg. 42, 1883, Drittes Quartal.

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Die Vorrechte der Gffiziere^im Staate und in der Gesellschaft.

seinen Kreis verwaltet, der Professor, der seine Vorlesung hält:c., eine höhere
geistige Thätigkeit übt als der Hauptmann, der seine Kompanie exerziren läßt. Aber
man darf doch nicht übersehen, mit welchem schwierigen Material der Offizier
zu arbeiten hat. Es ist etwas andres, ein Urteil in die Akten zu schreiben,
welches dann der Gerichtsvollzieher ohne weiteres vollzieht, und eine ganze
Mannschaft, in welcher doch auch menschliches Streben jeder Art vertreten ist,
dergestalt mit einem eigentümlichen Geiste zu durchdringen, daß sie ihrem Führer
unbedingt, nötigenfalls bis in den Tod, folgt. Dazu gehört eine moralische
Autorität, deren Gewinnung keine ganz einfache Sache ist. Die Aufgabe kann
nur gelöst werden durch eigentümliche Mittel, wie sie sich in der Schule unsers
Militärs traditionell herangebildet haben.

Dies alles führt uns dahin, zu sagen: Der Offizier, der seinen Beruf er¬
füllen soll, kann nicht mit den übrigen Staatsbeamten in völlig gleiche Linie
gestellt werden; er bedarf einer gewissen Sonderstellung. In welchem Maße
diese Sonderstellung diejenigen Einrichtungen unumgänglich erforderlich macht,
welche die gedachte Schrift als "Vorrechte" der Offiziere bezeichnet, darüber
läßt sich im einzelnen wohl streiten. Soweit sie aber erforderlich sind, müssen
wir sie, trotzdem daß unser Gefühl für bürgerliche Gleichheit sich dagegen sträubt,
als eine Thatsache hinnehmen, für welche wir den hohen Wert, den unser Mi¬
litär für unsre ganze staatliche Existenz in sich trägt, erkaufen. Überdies kann ^
man nicht alle Einrichtungen, welche dazu bestimmt sind, die Sonderstellung des
Heeres aufrechtzuerhalten, Vorrechte nennen. Ein "Vorrecht" ist es doch gewiß
nicht, daß nach Paragraph 49 des Reichs-Militärgesetzes vom 2. Mai 1874
alle aktiven Militärpersonen von der Teilnahme an Reichs- und Landtags¬
wahlen, desgleichen an politischen Vereinen und Versammlungen ausgeschlossen
sind. Will nun der Verfasser der Schrift auch dieses Sonderrecht beseitigt
haben? Wir halten die gedachte Vorschrift für eine sehr weise.

Dabei können wir auch nicht verschweigen, daß manches, was auf diesem
Gebiete vielleicht verletzend empfunden wird, doch wieder eine gewisse Korrektur
in der Gesamtheit der Verhältnisse findet. So hat es z. B. gewiß etwas Un¬
befriedigendes, daß ein Offizier, welcher einen Zivilisten beleidigt, nur vor einem
Militärgericht seine Handlung zu verantworten hat. Umsomehr müssen wir
anerkennen, daß Beleidigungen von Zivilpersonen durch Offiziere äußerst selten
vorkommen. Wir schließen dies daraus, daß die so empfindliche Presse über
dergleichen kaum berichtet. Überhaupt müssen wir die Thatsache betonen, daß,
bei allen den Offizieren eingeräumten Vorrechten, doch zugleich die Militnrver-
waltuug eifrigst bemüht ist, durch strenge Aufrechthaltung eines ehrenhaften
Sinnes im Offizierkorps dahin zu wirken, daß die Offiziere ihre bevorzugte
Stellung nicht mißbrauchen. Dadurch können wir uns mit manchem, was auf
diesem Gebiete in tluzsi unser Gefühl vielleicht verletzt, vom praktischen Stand¬
punkt aus versöhnt fühlen.


Z

Die Vorrechte der Gffiziere^im Staate und in der Gesellschaft.

seinen Kreis verwaltet, der Professor, der seine Vorlesung hält:c., eine höhere
geistige Thätigkeit übt als der Hauptmann, der seine Kompanie exerziren läßt. Aber
man darf doch nicht übersehen, mit welchem schwierigen Material der Offizier
zu arbeiten hat. Es ist etwas andres, ein Urteil in die Akten zu schreiben,
welches dann der Gerichtsvollzieher ohne weiteres vollzieht, und eine ganze
Mannschaft, in welcher doch auch menschliches Streben jeder Art vertreten ist,
dergestalt mit einem eigentümlichen Geiste zu durchdringen, daß sie ihrem Führer
unbedingt, nötigenfalls bis in den Tod, folgt. Dazu gehört eine moralische
Autorität, deren Gewinnung keine ganz einfache Sache ist. Die Aufgabe kann
nur gelöst werden durch eigentümliche Mittel, wie sie sich in der Schule unsers
Militärs traditionell herangebildet haben.

Dies alles führt uns dahin, zu sagen: Der Offizier, der seinen Beruf er¬
füllen soll, kann nicht mit den übrigen Staatsbeamten in völlig gleiche Linie
gestellt werden; er bedarf einer gewissen Sonderstellung. In welchem Maße
diese Sonderstellung diejenigen Einrichtungen unumgänglich erforderlich macht,
welche die gedachte Schrift als „Vorrechte" der Offiziere bezeichnet, darüber
läßt sich im einzelnen wohl streiten. Soweit sie aber erforderlich sind, müssen
wir sie, trotzdem daß unser Gefühl für bürgerliche Gleichheit sich dagegen sträubt,
als eine Thatsache hinnehmen, für welche wir den hohen Wert, den unser Mi¬
litär für unsre ganze staatliche Existenz in sich trägt, erkaufen. Überdies kann ^
man nicht alle Einrichtungen, welche dazu bestimmt sind, die Sonderstellung des
Heeres aufrechtzuerhalten, Vorrechte nennen. Ein „Vorrecht" ist es doch gewiß
nicht, daß nach Paragraph 49 des Reichs-Militärgesetzes vom 2. Mai 1874
alle aktiven Militärpersonen von der Teilnahme an Reichs- und Landtags¬
wahlen, desgleichen an politischen Vereinen und Versammlungen ausgeschlossen
sind. Will nun der Verfasser der Schrift auch dieses Sonderrecht beseitigt
haben? Wir halten die gedachte Vorschrift für eine sehr weise.

Dabei können wir auch nicht verschweigen, daß manches, was auf diesem
Gebiete vielleicht verletzend empfunden wird, doch wieder eine gewisse Korrektur
in der Gesamtheit der Verhältnisse findet. So hat es z. B. gewiß etwas Un¬
befriedigendes, daß ein Offizier, welcher einen Zivilisten beleidigt, nur vor einem
Militärgericht seine Handlung zu verantworten hat. Umsomehr müssen wir
anerkennen, daß Beleidigungen von Zivilpersonen durch Offiziere äußerst selten
vorkommen. Wir schließen dies daraus, daß die so empfindliche Presse über
dergleichen kaum berichtet. Überhaupt müssen wir die Thatsache betonen, daß,
bei allen den Offizieren eingeräumten Vorrechten, doch zugleich die Militnrver-
waltuug eifrigst bemüht ist, durch strenge Aufrechthaltung eines ehrenhaften
Sinnes im Offizierkorps dahin zu wirken, daß die Offiziere ihre bevorzugte
Stellung nicht mißbrauchen. Dadurch können wir uns mit manchem, was auf
diesem Gebiete in tluzsi unser Gefühl vielleicht verletzt, vom praktischen Stand¬
punkt aus versöhnt fühlen.


Z

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 42, 1883, Drittes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341837_153446/506>, abgerufen am 08.09.2024.