Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 42, 1883, Drittes Quartal.

Bild:
<< vorherige Seite


Nilitärlast und Überproduktion.
von E. Witte.

o oft in den Parlamenten militärische Angelegenheiten zur Sprache
kommen, wird fast von allen Seiten der sehnliche Wunsch laut,
daß es doch endlich einmal möglich sein mochte, die stehende"
Heere zu verringern, statt ins Unabsehbare zu vergrößern. Von
einem wenigstens teilweisen Ablegen der schweren und lästigen
Rüstung verspricht man sich auf allen Seiten, nicht bloß in Deutschland, eine
neue Ära des Wohlstandes und des Glückes der Völker. Selbst ein Moltke
scheint zu bedauern, daß aus politischen Rücksichten der Eintritt einer solchen
goldnen Zeit wenigstens für das nächste halbe Jahrhundert noch nicht zu er¬
warten ist.

Ich kann diese Ansicht, daß die Militärlast der große auf den Völkern
Europas liegende Alp sei, welcher die allenthalben hervortretende wirtschaftliche
Beklemmung verschulde, nicht teilen.

Es ist wahr, auf allen wirtschaftlichen Gebieten herrscht fast seit einem
Jahrzehnt Not. Die Industrie hat vielfach nur mit Mühe im Gange erhalten
werden können. Sie hat mit geringem Gewinn, oft mit Verlust arbeiten müssen.
Der einzelne, welcher seinen Blick auf seine Rechnungsbücher richtet, welcher
feine Ausgaben eine nach der andern prüft, um den Grund der ungünstigen
Abschlüsse zu finden, kommt, wenn sich alle andern Posten als nicht weiter
rednzirbar ergeben, naturgemäß auf den Gedanken, daß es die hohen Steuern
seien, welche seine wirtschaftliche Leistungsfähigkeit beeinträchtigen. Hütte er die¬
selben ersparen können, so würde der Abschluß -- meint er wohl -- verhält¬
nismäßig günstig gewesen sein. Und da der Staat -- so schließt man


Grenzboten III. 1833. 48


Nilitärlast und Überproduktion.
von E. Witte.

o oft in den Parlamenten militärische Angelegenheiten zur Sprache
kommen, wird fast von allen Seiten der sehnliche Wunsch laut,
daß es doch endlich einmal möglich sein mochte, die stehende»
Heere zu verringern, statt ins Unabsehbare zu vergrößern. Von
einem wenigstens teilweisen Ablegen der schweren und lästigen
Rüstung verspricht man sich auf allen Seiten, nicht bloß in Deutschland, eine
neue Ära des Wohlstandes und des Glückes der Völker. Selbst ein Moltke
scheint zu bedauern, daß aus politischen Rücksichten der Eintritt einer solchen
goldnen Zeit wenigstens für das nächste halbe Jahrhundert noch nicht zu er¬
warten ist.

Ich kann diese Ansicht, daß die Militärlast der große auf den Völkern
Europas liegende Alp sei, welcher die allenthalben hervortretende wirtschaftliche
Beklemmung verschulde, nicht teilen.

Es ist wahr, auf allen wirtschaftlichen Gebieten herrscht fast seit einem
Jahrzehnt Not. Die Industrie hat vielfach nur mit Mühe im Gange erhalten
werden können. Sie hat mit geringem Gewinn, oft mit Verlust arbeiten müssen.
Der einzelne, welcher seinen Blick auf seine Rechnungsbücher richtet, welcher
feine Ausgaben eine nach der andern prüft, um den Grund der ungünstigen
Abschlüsse zu finden, kommt, wenn sich alle andern Posten als nicht weiter
rednzirbar ergeben, naturgemäß auf den Gedanken, daß es die hohen Steuern
seien, welche seine wirtschaftliche Leistungsfähigkeit beeinträchtigen. Hütte er die¬
selben ersparen können, so würde der Abschluß — meint er wohl — verhält¬
nismäßig günstig gewesen sein. Und da der Staat — so schließt man


Grenzboten III. 1833. 48
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <div n="2">
            <pb facs="#f0385" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/153832"/>
            <figure facs="http://media.dwds.de/dta/images/grenzboten_341837_153446/figures/grenzboten_341837_153446_153832_000.jpg"/><lb/>
          </div>
        </div>
        <div n="1">
          <head> Nilitärlast und Überproduktion.<lb/><note type="byline"> von E. Witte.</note></head><lb/>
          <p xml:id="ID_1653"> o oft in den Parlamenten militärische Angelegenheiten zur Sprache<lb/>
kommen, wird fast von allen Seiten der sehnliche Wunsch laut,<lb/>
daß es doch endlich einmal möglich sein mochte, die stehende»<lb/>
Heere zu verringern, statt ins Unabsehbare zu vergrößern. Von<lb/>
einem wenigstens teilweisen Ablegen der schweren und lästigen<lb/>
Rüstung verspricht man sich auf allen Seiten, nicht bloß in Deutschland, eine<lb/>
neue Ära des Wohlstandes und des Glückes der Völker. Selbst ein Moltke<lb/>
scheint zu bedauern, daß aus politischen Rücksichten der Eintritt einer solchen<lb/>
goldnen Zeit wenigstens für das nächste halbe Jahrhundert noch nicht zu er¬<lb/>
warten ist.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1654"> Ich kann diese Ansicht, daß die Militärlast der große auf den Völkern<lb/>
Europas liegende Alp sei, welcher die allenthalben hervortretende wirtschaftliche<lb/>
Beklemmung verschulde, nicht teilen.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1655" next="#ID_1656"> Es ist wahr, auf allen wirtschaftlichen Gebieten herrscht fast seit einem<lb/>
Jahrzehnt Not. Die Industrie hat vielfach nur mit Mühe im Gange erhalten<lb/>
werden können. Sie hat mit geringem Gewinn, oft mit Verlust arbeiten müssen.<lb/>
Der einzelne, welcher seinen Blick auf seine Rechnungsbücher richtet, welcher<lb/>
feine Ausgaben eine nach der andern prüft, um den Grund der ungünstigen<lb/>
Abschlüsse zu finden, kommt, wenn sich alle andern Posten als nicht weiter<lb/>
rednzirbar ergeben, naturgemäß auf den Gedanken, daß es die hohen Steuern<lb/>
seien, welche seine wirtschaftliche Leistungsfähigkeit beeinträchtigen. Hütte er die¬<lb/>
selben ersparen können, so würde der Abschluß &#x2014; meint er wohl &#x2014; verhält¬<lb/>
nismäßig günstig gewesen sein. Und da der Staat &#x2014; so schließt man</p><lb/>
          <fw type="sig" place="bottom"> Grenzboten III. 1833. 48</fw><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0385] [Abbildung] Nilitärlast und Überproduktion. von E. Witte. o oft in den Parlamenten militärische Angelegenheiten zur Sprache kommen, wird fast von allen Seiten der sehnliche Wunsch laut, daß es doch endlich einmal möglich sein mochte, die stehende» Heere zu verringern, statt ins Unabsehbare zu vergrößern. Von einem wenigstens teilweisen Ablegen der schweren und lästigen Rüstung verspricht man sich auf allen Seiten, nicht bloß in Deutschland, eine neue Ära des Wohlstandes und des Glückes der Völker. Selbst ein Moltke scheint zu bedauern, daß aus politischen Rücksichten der Eintritt einer solchen goldnen Zeit wenigstens für das nächste halbe Jahrhundert noch nicht zu er¬ warten ist. Ich kann diese Ansicht, daß die Militärlast der große auf den Völkern Europas liegende Alp sei, welcher die allenthalben hervortretende wirtschaftliche Beklemmung verschulde, nicht teilen. Es ist wahr, auf allen wirtschaftlichen Gebieten herrscht fast seit einem Jahrzehnt Not. Die Industrie hat vielfach nur mit Mühe im Gange erhalten werden können. Sie hat mit geringem Gewinn, oft mit Verlust arbeiten müssen. Der einzelne, welcher seinen Blick auf seine Rechnungsbücher richtet, welcher feine Ausgaben eine nach der andern prüft, um den Grund der ungünstigen Abschlüsse zu finden, kommt, wenn sich alle andern Posten als nicht weiter rednzirbar ergeben, naturgemäß auf den Gedanken, daß es die hohen Steuern seien, welche seine wirtschaftliche Leistungsfähigkeit beeinträchtigen. Hütte er die¬ selben ersparen können, so würde der Abschluß — meint er wohl — verhält¬ nismäßig günstig gewesen sein. Und da der Staat — so schließt man Grenzboten III. 1833. 48

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341837_153446
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341837_153446/385
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 42, 1883, Drittes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341837_153446/385>, abgerufen am 04.12.2024.