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Die Grenzboten. Jg. 42, 1883, Drittes Quartal.

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Engeres und Weiteres.

er einigermaßen die oppositionelle d. h. die liberale Presse in
ihren verschleimen Schattirungen verfolgt, der wird bemerken, daß
die Parole gegenwärtig sich hauptsächlich gegen die diplomatische
Thätigkeit des Reichskanzlers richtet, damit umso gründlicher für
das ursprünglich mißlungene Feldgeschrei: "Weg mit Bismarck"
Vorbereitung getroffen werde. Als dasselbe von der Fortschrittspartei zum
erstenmale ausgegeben wurde, da sah sich dieselbe sogar von ihrem gefügigen
Philistertroß verlassen, denn es schien auch dem nrteilslosesten Fortschrittler eine
krasse Verleumdung, daß der Mann, welcher Preußen zur ersten Macht in
Deutschland und das deutsche Reich zu einer achtunggebietenden Macht in Enropa
erhoben hatte, der gegenüber einer Reihe ringsum liegender feindlicher, kriegs¬
lustiger Staaten nicht nur bereits seit zwölf Jahren den Frieden erhalten hat,
sondern durch die Anbahnung eines engen Bündnisses mit Österreich und einer
Vereinbarung mit Italien auf eine längere Zeit als denkbar das Vaterland vor
Krieg bewahrt -- daß dieser Man" von seinem politischen Genius verlassen
sein sollte. Jetzt sind unter mühevoller Arbeit und unter Aufopferung der
Gesundheit des leitenden Staatsmannes die Grundlagen einer friedensichernden
Politik gewonnen, und es erscheint deshalb der Zeitpunkt mehr als je gegeben,
um die Erbschaft anzutreten und mühelos die Früchte zu genieß. n,<. die der vor¬
sorgliche Erblasser aufgespeichert hat. Daher jetzt von allen Seiten der Angriff
lus die diplomatische Tüchtigkeit des Kanzlers.

Zunächst muß noch bezweifelt werden, ob es bloß ein Kinder- und Ncirren-
spiel sein wird, den Frieden, der so genial vorbereitet ist, auch zu wahren. Be¬
kanntlich heißt es: "Zu erober", Herr, ist leicht, das Eroberte erhalten, dieses
^se das schwerere." Noch bedürfen wir der Meisterhand, die es versieht, im


Gronzbvlcu III, 34


Engeres und Weiteres.

er einigermaßen die oppositionelle d. h. die liberale Presse in
ihren verschleimen Schattirungen verfolgt, der wird bemerken, daß
die Parole gegenwärtig sich hauptsächlich gegen die diplomatische
Thätigkeit des Reichskanzlers richtet, damit umso gründlicher für
das ursprünglich mißlungene Feldgeschrei: „Weg mit Bismarck"
Vorbereitung getroffen werde. Als dasselbe von der Fortschrittspartei zum
erstenmale ausgegeben wurde, da sah sich dieselbe sogar von ihrem gefügigen
Philistertroß verlassen, denn es schien auch dem nrteilslosesten Fortschrittler eine
krasse Verleumdung, daß der Mann, welcher Preußen zur ersten Macht in
Deutschland und das deutsche Reich zu einer achtunggebietenden Macht in Enropa
erhoben hatte, der gegenüber einer Reihe ringsum liegender feindlicher, kriegs¬
lustiger Staaten nicht nur bereits seit zwölf Jahren den Frieden erhalten hat,
sondern durch die Anbahnung eines engen Bündnisses mit Österreich und einer
Vereinbarung mit Italien auf eine längere Zeit als denkbar das Vaterland vor
Krieg bewahrt — daß dieser Man» von seinem politischen Genius verlassen
sein sollte. Jetzt sind unter mühevoller Arbeit und unter Aufopferung der
Gesundheit des leitenden Staatsmannes die Grundlagen einer friedensichernden
Politik gewonnen, und es erscheint deshalb der Zeitpunkt mehr als je gegeben,
um die Erbschaft anzutreten und mühelos die Früchte zu genieß. n,<. die der vor¬
sorgliche Erblasser aufgespeichert hat. Daher jetzt von allen Seiten der Angriff
lus die diplomatische Tüchtigkeit des Kanzlers.

Zunächst muß noch bezweifelt werden, ob es bloß ein Kinder- und Ncirren-
spiel sein wird, den Frieden, der so genial vorbereitet ist, auch zu wahren. Be¬
kanntlich heißt es: „Zu erober», Herr, ist leicht, das Eroberte erhalten, dieses
^se das schwerere." Noch bedürfen wir der Meisterhand, die es versieht, im


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[0273] [Abbildung] Engeres und Weiteres. er einigermaßen die oppositionelle d. h. die liberale Presse in ihren verschleimen Schattirungen verfolgt, der wird bemerken, daß die Parole gegenwärtig sich hauptsächlich gegen die diplomatische Thätigkeit des Reichskanzlers richtet, damit umso gründlicher für das ursprünglich mißlungene Feldgeschrei: „Weg mit Bismarck" Vorbereitung getroffen werde. Als dasselbe von der Fortschrittspartei zum erstenmale ausgegeben wurde, da sah sich dieselbe sogar von ihrem gefügigen Philistertroß verlassen, denn es schien auch dem nrteilslosesten Fortschrittler eine krasse Verleumdung, daß der Mann, welcher Preußen zur ersten Macht in Deutschland und das deutsche Reich zu einer achtunggebietenden Macht in Enropa erhoben hatte, der gegenüber einer Reihe ringsum liegender feindlicher, kriegs¬ lustiger Staaten nicht nur bereits seit zwölf Jahren den Frieden erhalten hat, sondern durch die Anbahnung eines engen Bündnisses mit Österreich und einer Vereinbarung mit Italien auf eine längere Zeit als denkbar das Vaterland vor Krieg bewahrt — daß dieser Man» von seinem politischen Genius verlassen sein sollte. Jetzt sind unter mühevoller Arbeit und unter Aufopferung der Gesundheit des leitenden Staatsmannes die Grundlagen einer friedensichernden Politik gewonnen, und es erscheint deshalb der Zeitpunkt mehr als je gegeben, um die Erbschaft anzutreten und mühelos die Früchte zu genieß. n,<. die der vor¬ sorgliche Erblasser aufgespeichert hat. Daher jetzt von allen Seiten der Angriff lus die diplomatische Tüchtigkeit des Kanzlers. Zunächst muß noch bezweifelt werden, ob es bloß ein Kinder- und Ncirren- spiel sein wird, den Frieden, der so genial vorbereitet ist, auch zu wahren. Be¬ kanntlich heißt es: „Zu erober», Herr, ist leicht, das Eroberte erhalten, dieses ^se das schwerere." Noch bedürfen wir der Meisterhand, die es versieht, im Gronzbvlcu III, 34

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 42, 1883, Drittes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341837_153446/273>, abgerufen am 08.09.2024.