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Die Grenzboten. Jg. 42, 1883, Drittes Quartal.

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Zur Politik Friedrich Wilhelms IV. von Preußen.

land für ihre eignen Gerichte eine besondre Konsulargerichtsbarkeit zu verlangen.
Der "Verein für Rechtsschutz und Justizreform" hat diesen Weg gewiesen. Aber
Gott sei Dank: hier hat Fürst Bismarck doch noch etwas zu sagen.




Zur Politik Friedrich Wilhelms IV. von Preußen.

le Regierungszeit Friedrich Wilhelms IV. von Preußen kann
noch nicht gewürdigt werden. Viele Streitfragen, die noch
unsre jetzige Zeit heftig bewege", sind in der Regierung des ver¬
storbenen Königs erwachsen und reichen von dort zu uns herüber;
sie unterliegen daher für die Vergangenheit nicht minder dem Kampfe
der Parteien wie für die Gegenwart. Noch sind, soweit es sich um abgethane
Dinge handelt, die Archive nicht so zugänglich gemacht, um einen vollen Blick
in das Getriebe jener Zeit werfen zu können, und doch ist es nicht ganz un¬
richtig, daß die Hauptsachen in der Geschichte sich hinter den Kulissen abspielen.
Endlich lebt noch eine ganze Reihe von Leuten, welche die Geschichte jener Zeit
mitgemacht haben und aus deren literarischem Nachlaß für die Zukunft noch die
eine oder andre Aufklärung zu erwarten steht. Auch der Verfasser des Buches,
welches uns zu diesen Zeilen die Anregung giebt,*) sieht sich genötigt, wieder¬
holt zu versichern, daß ihm manche Dinge bekannt geworden seien, die er aber
nicht veröffentlichen dürfe, und daß er viele Urkunden, so besonders den Brief¬
wechsel zwischen Friedrich Wilhelm IV. und dem verstorbenen Oberpräsidenten
von Pommern, Sensst von Pilsach-Gramenz, gelesen habe, ohne hierüber etwas
mitteilen zu dürfen. Bei einem solchen Stande der Dinge kann von einer ob¬
jektiven Beurteilung der Politik des Königs keine Rede sein; der Leser ist nicht
in der Lage, aus den geschilderten Thatsachen sich selbst eine Meinung zu bilden,
sondern muß manches und nicht das am wenigsten Wichtige hinnehmen lediglich
auf den Kredit des Erzählers. Dieser Erzähler trat im Jahre 1844 zu den
beiden vertrauten Ratgebern des verstorbenen Königs, dem Haus- und Domänen-
minister Grafen Anton zu Stolberg-Wernigerode und dem erst kürzlich ver¬
storbenen Freiherrn Senfft von Pilfach, in eine Vertrauensstellung, welche
ihm ermöglichte, mehr Dinge zu erfahren als viele andre, und er besitzt andrer¬
seits -- was hier nicht hervorgehoben zu werde" braucht -- ein feines Ver-



*) Die Politik Friedrich Wilhelm (sie) IV. Von Hermann Wagner, Wirk¬
licher Geheimer (sie) Oberregierungsrat. Berlin, N. Pohl, 1883. 112 S.
Zur Politik Friedrich Wilhelms IV. von Preußen.

land für ihre eignen Gerichte eine besondre Konsulargerichtsbarkeit zu verlangen.
Der „Verein für Rechtsschutz und Justizreform" hat diesen Weg gewiesen. Aber
Gott sei Dank: hier hat Fürst Bismarck doch noch etwas zu sagen.




Zur Politik Friedrich Wilhelms IV. von Preußen.

le Regierungszeit Friedrich Wilhelms IV. von Preußen kann
noch nicht gewürdigt werden. Viele Streitfragen, die noch
unsre jetzige Zeit heftig bewege», sind in der Regierung des ver¬
storbenen Königs erwachsen und reichen von dort zu uns herüber;
sie unterliegen daher für die Vergangenheit nicht minder dem Kampfe
der Parteien wie für die Gegenwart. Noch sind, soweit es sich um abgethane
Dinge handelt, die Archive nicht so zugänglich gemacht, um einen vollen Blick
in das Getriebe jener Zeit werfen zu können, und doch ist es nicht ganz un¬
richtig, daß die Hauptsachen in der Geschichte sich hinter den Kulissen abspielen.
Endlich lebt noch eine ganze Reihe von Leuten, welche die Geschichte jener Zeit
mitgemacht haben und aus deren literarischem Nachlaß für die Zukunft noch die
eine oder andre Aufklärung zu erwarten steht. Auch der Verfasser des Buches,
welches uns zu diesen Zeilen die Anregung giebt,*) sieht sich genötigt, wieder¬
holt zu versichern, daß ihm manche Dinge bekannt geworden seien, die er aber
nicht veröffentlichen dürfe, und daß er viele Urkunden, so besonders den Brief¬
wechsel zwischen Friedrich Wilhelm IV. und dem verstorbenen Oberpräsidenten
von Pommern, Sensst von Pilsach-Gramenz, gelesen habe, ohne hierüber etwas
mitteilen zu dürfen. Bei einem solchen Stande der Dinge kann von einer ob¬
jektiven Beurteilung der Politik des Königs keine Rede sein; der Leser ist nicht
in der Lage, aus den geschilderten Thatsachen sich selbst eine Meinung zu bilden,
sondern muß manches und nicht das am wenigsten Wichtige hinnehmen lediglich
auf den Kredit des Erzählers. Dieser Erzähler trat im Jahre 1844 zu den
beiden vertrauten Ratgebern des verstorbenen Königs, dem Haus- und Domänen-
minister Grafen Anton zu Stolberg-Wernigerode und dem erst kürzlich ver¬
storbenen Freiherrn Senfft von Pilfach, in eine Vertrauensstellung, welche
ihm ermöglichte, mehr Dinge zu erfahren als viele andre, und er besitzt andrer¬
seits — was hier nicht hervorgehoben zu werde» braucht — ein feines Ver-



*) Die Politik Friedrich Wilhelm (sie) IV. Von Hermann Wagner, Wirk¬
licher Geheimer (sie) Oberregierungsrat. Berlin, N. Pohl, 1883. 112 S.
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[0188] Zur Politik Friedrich Wilhelms IV. von Preußen. land für ihre eignen Gerichte eine besondre Konsulargerichtsbarkeit zu verlangen. Der „Verein für Rechtsschutz und Justizreform" hat diesen Weg gewiesen. Aber Gott sei Dank: hier hat Fürst Bismarck doch noch etwas zu sagen. Zur Politik Friedrich Wilhelms IV. von Preußen. le Regierungszeit Friedrich Wilhelms IV. von Preußen kann noch nicht gewürdigt werden. Viele Streitfragen, die noch unsre jetzige Zeit heftig bewege», sind in der Regierung des ver¬ storbenen Königs erwachsen und reichen von dort zu uns herüber; sie unterliegen daher für die Vergangenheit nicht minder dem Kampfe der Parteien wie für die Gegenwart. Noch sind, soweit es sich um abgethane Dinge handelt, die Archive nicht so zugänglich gemacht, um einen vollen Blick in das Getriebe jener Zeit werfen zu können, und doch ist es nicht ganz un¬ richtig, daß die Hauptsachen in der Geschichte sich hinter den Kulissen abspielen. Endlich lebt noch eine ganze Reihe von Leuten, welche die Geschichte jener Zeit mitgemacht haben und aus deren literarischem Nachlaß für die Zukunft noch die eine oder andre Aufklärung zu erwarten steht. Auch der Verfasser des Buches, welches uns zu diesen Zeilen die Anregung giebt,*) sieht sich genötigt, wieder¬ holt zu versichern, daß ihm manche Dinge bekannt geworden seien, die er aber nicht veröffentlichen dürfe, und daß er viele Urkunden, so besonders den Brief¬ wechsel zwischen Friedrich Wilhelm IV. und dem verstorbenen Oberpräsidenten von Pommern, Sensst von Pilsach-Gramenz, gelesen habe, ohne hierüber etwas mitteilen zu dürfen. Bei einem solchen Stande der Dinge kann von einer ob¬ jektiven Beurteilung der Politik des Königs keine Rede sein; der Leser ist nicht in der Lage, aus den geschilderten Thatsachen sich selbst eine Meinung zu bilden, sondern muß manches und nicht das am wenigsten Wichtige hinnehmen lediglich auf den Kredit des Erzählers. Dieser Erzähler trat im Jahre 1844 zu den beiden vertrauten Ratgebern des verstorbenen Königs, dem Haus- und Domänen- minister Grafen Anton zu Stolberg-Wernigerode und dem erst kürzlich ver¬ storbenen Freiherrn Senfft von Pilfach, in eine Vertrauensstellung, welche ihm ermöglichte, mehr Dinge zu erfahren als viele andre, und er besitzt andrer¬ seits — was hier nicht hervorgehoben zu werde» braucht — ein feines Ver- *) Die Politik Friedrich Wilhelm (sie) IV. Von Hermann Wagner, Wirk¬ licher Geheimer (sie) Oberregierungsrat. Berlin, N. Pohl, 1883. 112 S.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 42, 1883, Drittes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341837_153446/188>, abgerufen am 08.09.2024.