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Die Grenzboten. Jg. 42, 1883, Zweites Quartal.

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Ale Grafen von Altenschwerdt.

greifen, um sich bei Betrachtung von Dingen, die unter seiner Würde sind, stets
den tröstlichen Anblick des wahrhaft Guten und Große" gegenwärtig zu halten
und den Leser auf einer diamantenem Brücke über den Sumpf zu leiten. Sicher¬
lich aber wird der Mann, der imstande ist, wie Sie sagten, die edelsten und
tngendhciftesten Leute zu schildern und die herrlichsten Thaten zu erzählen, sodaß
seine Dichtung einem Hymnus auf die Tugend gleicht, sicherlich wird er selbst
ein tugendhafter und herrlicher Geist sein, und Sie dürfen mir glauben, Graf
Altenschwerdt, daß ein großer Dichter immer ein hoher und edler Mensch ist,
ein Auserlesener unter vielen hundert Millionen.

Der Baron sah feinen Gastfreund mistrnuisch an und dachte darüber nach,
weshalb derselbe sich wohl ihm gegenüber niemals über solche Gegenstände aus¬
gelassen habe. Graf Dietrich aber war tief betroffen und machte auch kein
Hehl aus seinen Gedanken.

Es ist wahr, sagte er, Eure Excellenz haben Recht, und es fällt mir wie
Schuppen von den Augen. Ich habe nachgesprochen, was alle Welt sagt, ohne
daß ich mir Rechenschaft ablegte, warum es mir doch im Innern widerstand.
Denn immer ist es mir heimlich als falsch erschienen, wenn ich las und hörte,
daß ein Goethe zum Beispiel zwar als Dichter groß, aber als Mensch klein
gewesen sei. Ist es doch um das Dichten etwas andres als um das Feilhalten
von Bretzeln!

Indem er so sprach, dachte er un seine eignen Gedichte und durchging sie
im Geiste mit der ängstlichen Prüfung, ob sie Wohl dem General gefallen
würden. Er erschrak ein wenig bei der Idee, sie dem klaren und durchdringenden
Auge des alten Herrn zu unterbreiten, aber er tröstete sich gleich darauf mit
der Meinung, daß es mit der Lyrik doch noch etwas andres auf sich haben
müsse, indem hier auch die süßesten und schmelzendsten Empfindungen der Liebe
ihre Berechtigung hätten, und in der Erinnerung an die zweite Auflage seiner
Schöpfungen, sowie an seine Vorbiloer Anakreon, Horaz und Ludwig de la
Sale, die doch gewiß große Dichter waren, schwellte ein stolzes Gefühl seine
Brust.

Es trat eine kleine Pause im Gespräch ein, nachdem Graf Dietrich dem
General seine Zustimmung zu erkennen gegeben hatte. In diesen Augenblick
öffnete sich die Thür, und mit einer ernsten Verbeugung trat Eberhardt an
den Tisch.




Achtzehntes Aapitel.

Als die hohe Gestalt des jungen Mannes so unerwartet in dem kleinen
Kreise erschien und sein ruhiger Blick die Tafel überflog, während Baron Sextus
ihm ein fröhliches: Siehe da, Herr Eschenburg! entgegenrief, war ein leiser
Ausruf aus dem Munde der Grafin Sibylle zu vernehmen, und zugleich ertönte


Grenzboten II. 1883. 12
Ale Grafen von Altenschwerdt.

greifen, um sich bei Betrachtung von Dingen, die unter seiner Würde sind, stets
den tröstlichen Anblick des wahrhaft Guten und Große» gegenwärtig zu halten
und den Leser auf einer diamantenem Brücke über den Sumpf zu leiten. Sicher¬
lich aber wird der Mann, der imstande ist, wie Sie sagten, die edelsten und
tngendhciftesten Leute zu schildern und die herrlichsten Thaten zu erzählen, sodaß
seine Dichtung einem Hymnus auf die Tugend gleicht, sicherlich wird er selbst
ein tugendhafter und herrlicher Geist sein, und Sie dürfen mir glauben, Graf
Altenschwerdt, daß ein großer Dichter immer ein hoher und edler Mensch ist,
ein Auserlesener unter vielen hundert Millionen.

Der Baron sah feinen Gastfreund mistrnuisch an und dachte darüber nach,
weshalb derselbe sich wohl ihm gegenüber niemals über solche Gegenstände aus¬
gelassen habe. Graf Dietrich aber war tief betroffen und machte auch kein
Hehl aus seinen Gedanken.

Es ist wahr, sagte er, Eure Excellenz haben Recht, und es fällt mir wie
Schuppen von den Augen. Ich habe nachgesprochen, was alle Welt sagt, ohne
daß ich mir Rechenschaft ablegte, warum es mir doch im Innern widerstand.
Denn immer ist es mir heimlich als falsch erschienen, wenn ich las und hörte,
daß ein Goethe zum Beispiel zwar als Dichter groß, aber als Mensch klein
gewesen sei. Ist es doch um das Dichten etwas andres als um das Feilhalten
von Bretzeln!

Indem er so sprach, dachte er un seine eignen Gedichte und durchging sie
im Geiste mit der ängstlichen Prüfung, ob sie Wohl dem General gefallen
würden. Er erschrak ein wenig bei der Idee, sie dem klaren und durchdringenden
Auge des alten Herrn zu unterbreiten, aber er tröstete sich gleich darauf mit
der Meinung, daß es mit der Lyrik doch noch etwas andres auf sich haben
müsse, indem hier auch die süßesten und schmelzendsten Empfindungen der Liebe
ihre Berechtigung hätten, und in der Erinnerung an die zweite Auflage seiner
Schöpfungen, sowie an seine Vorbiloer Anakreon, Horaz und Ludwig de la
Sale, die doch gewiß große Dichter waren, schwellte ein stolzes Gefühl seine
Brust.

Es trat eine kleine Pause im Gespräch ein, nachdem Graf Dietrich dem
General seine Zustimmung zu erkennen gegeben hatte. In diesen Augenblick
öffnete sich die Thür, und mit einer ernsten Verbeugung trat Eberhardt an
den Tisch.




Achtzehntes Aapitel.

Als die hohe Gestalt des jungen Mannes so unerwartet in dem kleinen
Kreise erschien und sein ruhiger Blick die Tafel überflog, während Baron Sextus
ihm ein fröhliches: Siehe da, Herr Eschenburg! entgegenrief, war ein leiser
Ausruf aus dem Munde der Grafin Sibylle zu vernehmen, und zugleich ertönte


Grenzboten II. 1883. 12
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[0097] Ale Grafen von Altenschwerdt. greifen, um sich bei Betrachtung von Dingen, die unter seiner Würde sind, stets den tröstlichen Anblick des wahrhaft Guten und Große» gegenwärtig zu halten und den Leser auf einer diamantenem Brücke über den Sumpf zu leiten. Sicher¬ lich aber wird der Mann, der imstande ist, wie Sie sagten, die edelsten und tngendhciftesten Leute zu schildern und die herrlichsten Thaten zu erzählen, sodaß seine Dichtung einem Hymnus auf die Tugend gleicht, sicherlich wird er selbst ein tugendhafter und herrlicher Geist sein, und Sie dürfen mir glauben, Graf Altenschwerdt, daß ein großer Dichter immer ein hoher und edler Mensch ist, ein Auserlesener unter vielen hundert Millionen. Der Baron sah feinen Gastfreund mistrnuisch an und dachte darüber nach, weshalb derselbe sich wohl ihm gegenüber niemals über solche Gegenstände aus¬ gelassen habe. Graf Dietrich aber war tief betroffen und machte auch kein Hehl aus seinen Gedanken. Es ist wahr, sagte er, Eure Excellenz haben Recht, und es fällt mir wie Schuppen von den Augen. Ich habe nachgesprochen, was alle Welt sagt, ohne daß ich mir Rechenschaft ablegte, warum es mir doch im Innern widerstand. Denn immer ist es mir heimlich als falsch erschienen, wenn ich las und hörte, daß ein Goethe zum Beispiel zwar als Dichter groß, aber als Mensch klein gewesen sei. Ist es doch um das Dichten etwas andres als um das Feilhalten von Bretzeln! Indem er so sprach, dachte er un seine eignen Gedichte und durchging sie im Geiste mit der ängstlichen Prüfung, ob sie Wohl dem General gefallen würden. Er erschrak ein wenig bei der Idee, sie dem klaren und durchdringenden Auge des alten Herrn zu unterbreiten, aber er tröstete sich gleich darauf mit der Meinung, daß es mit der Lyrik doch noch etwas andres auf sich haben müsse, indem hier auch die süßesten und schmelzendsten Empfindungen der Liebe ihre Berechtigung hätten, und in der Erinnerung an die zweite Auflage seiner Schöpfungen, sowie an seine Vorbiloer Anakreon, Horaz und Ludwig de la Sale, die doch gewiß große Dichter waren, schwellte ein stolzes Gefühl seine Brust. Es trat eine kleine Pause im Gespräch ein, nachdem Graf Dietrich dem General seine Zustimmung zu erkennen gegeben hatte. In diesen Augenblick öffnete sich die Thür, und mit einer ernsten Verbeugung trat Eberhardt an den Tisch. Achtzehntes Aapitel. Als die hohe Gestalt des jungen Mannes so unerwartet in dem kleinen Kreise erschien und sein ruhiger Blick die Tafel überflog, während Baron Sextus ihm ein fröhliches: Siehe da, Herr Eschenburg! entgegenrief, war ein leiser Ausruf aus dem Munde der Grafin Sibylle zu vernehmen, und zugleich ertönte Grenzboten II. 1883. 12

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 42, 1883, Zweites Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341837_152756/97>, abgerufen am 29.06.2024.