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Die Grenzboten. Jg. 42, 1883, Zweites Quartal.

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Notizen.

Er sah dieser Stunde mit kaum geringerer Ungeduld entgegen als Doro¬
thea selbst, und wanderte, obwohl ein leichter Sprühregen vom grauen Himmel
herabwehte, am Strande spazieren, indem er versuchte, seine eilenden Gedanken
durch die beruhigende Musik der Wellen einzuschläfern. Aber er war glücklich.
Der trübe Himmel und das unruhige Meer, welche den hereinbrechenden Herbst
verkündeten, waren für ihn eine sanfte und liebliche Umgebung, und er hörte
aus den grollenden Elementen immer nur die eine süße Melodie heraus, welche
die Gewißheit der Liebe begleitet.

(Fortsetzung folgt.)




Notizen.

Deutsche Familiennamen aus Appellativbenennungen von Frauen.
Von den metronymischen Namen (Grenzboten 1883, S. 330 f.), denen ein weib¬
licher Eigenname zu Grunde liegt, unterscheiden sich diejenigen Namen, welche
einen weiblichen Gattungsbegriff bezeichnen. Während es unter den Familiennamen,
die zu der ersten Art gerechnet werden, einige giebt, deren Deutung auch auf
anderen und besonders auf dem Wege, welcher für die Erklärung der zweiten Art
am meisten geeignet sein dürfte, versucht werdeu kann, finden sich einzelne Namen
dieser zweiten Art, denen möglicherweise das metronymische Verhältnis innewohnt.
Ihr wesentlicher Charakter ist aber überwiegend ein andrer: es sind sogenannte
Spitznamen, welche in der mittelalterlichen Zeit überhaupt eine große, bedeutsame
und umfangreiche Rolle spielen.

Wenn heute Familiennamen wie Frau, Frauenzimmer, Mädchen begegnen,
so erhebt sich leicht die Frage nach dem Ursprung und der Beziehung solcher un¬
gewöhnlichen Namen. Es leidet indessen wohl keinen Zweifel, daß sie in erster
Linie für einen Mann passen, dessen Aussehen dem eines Frauenzimmers gleich
oder ähnlich ist. Der Hauptsache nach derselben Beschaffenheit wird der Name
Jungfer sein, dessen Identität mit einem gleichlautenden Ortsnamen vorzüglich
deswegen zurückgewiesen werden muß, weil er schon in einer Urkunde des dreizehnten
Jahrhunderts und zwar mit ausdrücklicher Beifügung der lateinischen Übersetzung
iMnetrows xuells) verzeichnet steht. Rühren die genannten Namen von der äußern
Erscheinung der Männer her, denen sie, sei es in spottenden oder harmlosen Sinne,
zuerst beigelegt worden sind, so läßt sich der von dem ursprünglichen Begriff eines
mythologischen Eigennamens abgelöste Name Venus, den nicht bloß zu Goethes
Zeit ein weimarischer Beamter geführt hat, sondern viele Familien in Berlin,
Dresden und gewiß an manchen andern Orten noch heute tragen, ans frauenhafte
Schönheit eiues Mannes zurückführen. Schwerer fällt es, die Beziehung der ihrer
wörtlichen Bedeutung nach keinem Zweifel unterworfenen Namen Braut und
Wittib zu erkennen. Metronymisch können sie nicht Wohl sein, auch läßt sich der
Begriff der Ähnlichkeit in Betreff einer Eigenschaft nicht leicht behaupten; wahr¬
scheinlich berufen sie sich auf Besonderheiten oder Gewohnheiten, deren sich einige
denken lassen, z. B. eines Mannes, der in auffallender Weise auf Brautschau aus-


Notizen.

Er sah dieser Stunde mit kaum geringerer Ungeduld entgegen als Doro¬
thea selbst, und wanderte, obwohl ein leichter Sprühregen vom grauen Himmel
herabwehte, am Strande spazieren, indem er versuchte, seine eilenden Gedanken
durch die beruhigende Musik der Wellen einzuschläfern. Aber er war glücklich.
Der trübe Himmel und das unruhige Meer, welche den hereinbrechenden Herbst
verkündeten, waren für ihn eine sanfte und liebliche Umgebung, und er hörte
aus den grollenden Elementen immer nur die eine süße Melodie heraus, welche
die Gewißheit der Liebe begleitet.

(Fortsetzung folgt.)




Notizen.

Deutsche Familiennamen aus Appellativbenennungen von Frauen.
Von den metronymischen Namen (Grenzboten 1883, S. 330 f.), denen ein weib¬
licher Eigenname zu Grunde liegt, unterscheiden sich diejenigen Namen, welche
einen weiblichen Gattungsbegriff bezeichnen. Während es unter den Familiennamen,
die zu der ersten Art gerechnet werden, einige giebt, deren Deutung auch auf
anderen und besonders auf dem Wege, welcher für die Erklärung der zweiten Art
am meisten geeignet sein dürfte, versucht werdeu kann, finden sich einzelne Namen
dieser zweiten Art, denen möglicherweise das metronymische Verhältnis innewohnt.
Ihr wesentlicher Charakter ist aber überwiegend ein andrer: es sind sogenannte
Spitznamen, welche in der mittelalterlichen Zeit überhaupt eine große, bedeutsame
und umfangreiche Rolle spielen.

Wenn heute Familiennamen wie Frau, Frauenzimmer, Mädchen begegnen,
so erhebt sich leicht die Frage nach dem Ursprung und der Beziehung solcher un¬
gewöhnlichen Namen. Es leidet indessen wohl keinen Zweifel, daß sie in erster
Linie für einen Mann passen, dessen Aussehen dem eines Frauenzimmers gleich
oder ähnlich ist. Der Hauptsache nach derselben Beschaffenheit wird der Name
Jungfer sein, dessen Identität mit einem gleichlautenden Ortsnamen vorzüglich
deswegen zurückgewiesen werden muß, weil er schon in einer Urkunde des dreizehnten
Jahrhunderts und zwar mit ausdrücklicher Beifügung der lateinischen Übersetzung
iMnetrows xuells) verzeichnet steht. Rühren die genannten Namen von der äußern
Erscheinung der Männer her, denen sie, sei es in spottenden oder harmlosen Sinne,
zuerst beigelegt worden sind, so läßt sich der von dem ursprünglichen Begriff eines
mythologischen Eigennamens abgelöste Name Venus, den nicht bloß zu Goethes
Zeit ein weimarischer Beamter geführt hat, sondern viele Familien in Berlin,
Dresden und gewiß an manchen andern Orten noch heute tragen, ans frauenhafte
Schönheit eiues Mannes zurückführen. Schwerer fällt es, die Beziehung der ihrer
wörtlichen Bedeutung nach keinem Zweifel unterworfenen Namen Braut und
Wittib zu erkennen. Metronymisch können sie nicht Wohl sein, auch läßt sich der
Begriff der Ähnlichkeit in Betreff einer Eigenschaft nicht leicht behaupten; wahr¬
scheinlich berufen sie sich auf Besonderheiten oder Gewohnheiten, deren sich einige
denken lassen, z. B. eines Mannes, der in auffallender Weise auf Brautschau aus-


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[0635] Notizen. Er sah dieser Stunde mit kaum geringerer Ungeduld entgegen als Doro¬ thea selbst, und wanderte, obwohl ein leichter Sprühregen vom grauen Himmel herabwehte, am Strande spazieren, indem er versuchte, seine eilenden Gedanken durch die beruhigende Musik der Wellen einzuschläfern. Aber er war glücklich. Der trübe Himmel und das unruhige Meer, welche den hereinbrechenden Herbst verkündeten, waren für ihn eine sanfte und liebliche Umgebung, und er hörte aus den grollenden Elementen immer nur die eine süße Melodie heraus, welche die Gewißheit der Liebe begleitet. (Fortsetzung folgt.) Notizen. Deutsche Familiennamen aus Appellativbenennungen von Frauen. Von den metronymischen Namen (Grenzboten 1883, S. 330 f.), denen ein weib¬ licher Eigenname zu Grunde liegt, unterscheiden sich diejenigen Namen, welche einen weiblichen Gattungsbegriff bezeichnen. Während es unter den Familiennamen, die zu der ersten Art gerechnet werden, einige giebt, deren Deutung auch auf anderen und besonders auf dem Wege, welcher für die Erklärung der zweiten Art am meisten geeignet sein dürfte, versucht werdeu kann, finden sich einzelne Namen dieser zweiten Art, denen möglicherweise das metronymische Verhältnis innewohnt. Ihr wesentlicher Charakter ist aber überwiegend ein andrer: es sind sogenannte Spitznamen, welche in der mittelalterlichen Zeit überhaupt eine große, bedeutsame und umfangreiche Rolle spielen. Wenn heute Familiennamen wie Frau, Frauenzimmer, Mädchen begegnen, so erhebt sich leicht die Frage nach dem Ursprung und der Beziehung solcher un¬ gewöhnlichen Namen. Es leidet indessen wohl keinen Zweifel, daß sie in erster Linie für einen Mann passen, dessen Aussehen dem eines Frauenzimmers gleich oder ähnlich ist. Der Hauptsache nach derselben Beschaffenheit wird der Name Jungfer sein, dessen Identität mit einem gleichlautenden Ortsnamen vorzüglich deswegen zurückgewiesen werden muß, weil er schon in einer Urkunde des dreizehnten Jahrhunderts und zwar mit ausdrücklicher Beifügung der lateinischen Übersetzung iMnetrows xuells) verzeichnet steht. Rühren die genannten Namen von der äußern Erscheinung der Männer her, denen sie, sei es in spottenden oder harmlosen Sinne, zuerst beigelegt worden sind, so läßt sich der von dem ursprünglichen Begriff eines mythologischen Eigennamens abgelöste Name Venus, den nicht bloß zu Goethes Zeit ein weimarischer Beamter geführt hat, sondern viele Familien in Berlin, Dresden und gewiß an manchen andern Orten noch heute tragen, ans frauenhafte Schönheit eiues Mannes zurückführen. Schwerer fällt es, die Beziehung der ihrer wörtlichen Bedeutung nach keinem Zweifel unterworfenen Namen Braut und Wittib zu erkennen. Metronymisch können sie nicht Wohl sein, auch läßt sich der Begriff der Ähnlichkeit in Betreff einer Eigenschaft nicht leicht behaupten; wahr¬ scheinlich berufen sie sich auf Besonderheiten oder Gewohnheiten, deren sich einige denken lassen, z. B. eines Mannes, der in auffallender Weise auf Brautschau aus-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 42, 1883, Zweites Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341837_152756/635>, abgerufen am 29.06.2024.