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Die Grenzboten. Jg. 42, 1883, Zweites Quartal.

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Die Grafen von Altenschwerdt.
August Niemann Roman von(Gotha).
(Fortschung.)

orothea entschuldigte sich und begrüßte den kleinen Kreis, Sie
verneigte sich vor der Gräfin, nickte Dietrich zu, gab dem Pfarrer
die Hand und tauchte eiuen seelenvollen, bittenden Blick tief in
des Grafen von Franeker Augen, Er antwortete in derselben
stummen Sprache und mit einem ermunternden Kopfnicken,
und bot ihr dann den Arm, um sie in das Speisezimmer zu führen,
wohin Baron Sextus mit der Gräfin bereits voranschritt. Ihm sowohl wie
den übrigen Personen, mit Ausnahme des Barons, welcher an die knltwerdende
Suppe dachte, war es aufgefallen, wie besonders schön Dorothea heute aussah.
Sie war von einem innern Feuer durchglüht, welches ihre Farben lebhafter
und ihre Augen schimmernder machte. Pfarrer Sengstack ging wie in: Traume
hinter ihr her, das Gekräusel des dunkeln Haares in ihrem Nacken bewundernd,
und hätte einmal beinahe auf die meergrüne Schleppe getreten, die sich vor
seinen Füßen hinriugelte.

Das Mittagessen war vorzüglich. Der Koch legte mit allen Schüsseln
Ehre ein, und die Weine waren ausgezeichnet. Baron Sextus, obwohl selbst
ein mäßiger Mann, hielt darauf, einen guten Keller zu führen, und hatte im
Laufe langer Jahre manche Sorte angesammelt, die ebensowenig wie die alten
Bäume in seinem Park mit Geld allein zu beschaffen waren.

Und doch war niemand an der von schwerem Silbergeschirr und Krystall
blinkenden Tafel, der diese Genüsse so recht zu würdigen gewußt hätte, mit Aus¬
nahme wiederum des Barons selber. Dorothea spielte nur mit Messer und
Gabel, und ein Vögelchen hätte mit dem Schnabel nippend mehr aus dem Glase
geschöpft als sie. Graf Dietrich aß wenig und trank zwar viel, aber ohne
rechtes Verständnis und mehr, um sich in gute Laune zu bringen -- ein Ver¬
such, der selten irgend jemand nach Wunsch gelingt. Er fühlte sich in einer




Die Grafen von Altenschwerdt.
August Niemann Roman von(Gotha).
(Fortschung.)

orothea entschuldigte sich und begrüßte den kleinen Kreis, Sie
verneigte sich vor der Gräfin, nickte Dietrich zu, gab dem Pfarrer
die Hand und tauchte eiuen seelenvollen, bittenden Blick tief in
des Grafen von Franeker Augen, Er antwortete in derselben
stummen Sprache und mit einem ermunternden Kopfnicken,
und bot ihr dann den Arm, um sie in das Speisezimmer zu führen,
wohin Baron Sextus mit der Gräfin bereits voranschritt. Ihm sowohl wie
den übrigen Personen, mit Ausnahme des Barons, welcher an die knltwerdende
Suppe dachte, war es aufgefallen, wie besonders schön Dorothea heute aussah.
Sie war von einem innern Feuer durchglüht, welches ihre Farben lebhafter
und ihre Augen schimmernder machte. Pfarrer Sengstack ging wie in: Traume
hinter ihr her, das Gekräusel des dunkeln Haares in ihrem Nacken bewundernd,
und hätte einmal beinahe auf die meergrüne Schleppe getreten, die sich vor
seinen Füßen hinriugelte.

Das Mittagessen war vorzüglich. Der Koch legte mit allen Schüsseln
Ehre ein, und die Weine waren ausgezeichnet. Baron Sextus, obwohl selbst
ein mäßiger Mann, hielt darauf, einen guten Keller zu führen, und hatte im
Laufe langer Jahre manche Sorte angesammelt, die ebensowenig wie die alten
Bäume in seinem Park mit Geld allein zu beschaffen waren.

Und doch war niemand an der von schwerem Silbergeschirr und Krystall
blinkenden Tafel, der diese Genüsse so recht zu würdigen gewußt hätte, mit Aus¬
nahme wiederum des Barons selber. Dorothea spielte nur mit Messer und
Gabel, und ein Vögelchen hätte mit dem Schnabel nippend mehr aus dem Glase
geschöpft als sie. Graf Dietrich aß wenig und trank zwar viel, aber ohne
rechtes Verständnis und mehr, um sich in gute Laune zu bringen — ein Ver¬
such, der selten irgend jemand nach Wunsch gelingt. Er fühlte sich in einer


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[0416] [Abbildung] Die Grafen von Altenschwerdt. August Niemann Roman von(Gotha). (Fortschung.) orothea entschuldigte sich und begrüßte den kleinen Kreis, Sie verneigte sich vor der Gräfin, nickte Dietrich zu, gab dem Pfarrer die Hand und tauchte eiuen seelenvollen, bittenden Blick tief in des Grafen von Franeker Augen, Er antwortete in derselben stummen Sprache und mit einem ermunternden Kopfnicken, und bot ihr dann den Arm, um sie in das Speisezimmer zu führen, wohin Baron Sextus mit der Gräfin bereits voranschritt. Ihm sowohl wie den übrigen Personen, mit Ausnahme des Barons, welcher an die knltwerdende Suppe dachte, war es aufgefallen, wie besonders schön Dorothea heute aussah. Sie war von einem innern Feuer durchglüht, welches ihre Farben lebhafter und ihre Augen schimmernder machte. Pfarrer Sengstack ging wie in: Traume hinter ihr her, das Gekräusel des dunkeln Haares in ihrem Nacken bewundernd, und hätte einmal beinahe auf die meergrüne Schleppe getreten, die sich vor seinen Füßen hinriugelte. Das Mittagessen war vorzüglich. Der Koch legte mit allen Schüsseln Ehre ein, und die Weine waren ausgezeichnet. Baron Sextus, obwohl selbst ein mäßiger Mann, hielt darauf, einen guten Keller zu führen, und hatte im Laufe langer Jahre manche Sorte angesammelt, die ebensowenig wie die alten Bäume in seinem Park mit Geld allein zu beschaffen waren. Und doch war niemand an der von schwerem Silbergeschirr und Krystall blinkenden Tafel, der diese Genüsse so recht zu würdigen gewußt hätte, mit Aus¬ nahme wiederum des Barons selber. Dorothea spielte nur mit Messer und Gabel, und ein Vögelchen hätte mit dem Schnabel nippend mehr aus dem Glase geschöpft als sie. Graf Dietrich aß wenig und trank zwar viel, aber ohne rechtes Verständnis und mehr, um sich in gute Laune zu bringen — ein Ver¬ such, der selten irgend jemand nach Wunsch gelingt. Er fühlte sich in einer

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 42, 1883, Zweites Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341837_152756/416>, abgerufen am 29.06.2024.