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Die Grenzboten. Jg. 42, 1883, Zweites Quartal.

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Zur Beleuchtung^der Gefängnisfrage.

auf Österreich predigen und vorbereiten konnte, und wo ministerielle Kundgebungen
die Absicht verrieten, zwar für jetzt Frieden zu halten, aber sich nicht für die
Zukunft zu binden. Das ist jetzt aber anders geworden. Die Regierung hat
die Jrredenta zunächst desavouirt, ihr Bestreben nach Eroberung des Trentino
und Triests öffentlich als dieselbe Thorheit bezeichnet wie ein etwaiges Zurück¬
fordern Nizzas und Savoyens von Frankreich oder das Verlangen, Eng¬
land solle Malta herausgeben, und sie ist dann thatsächlich gegen die Jrreden-
tisten eingeschritten, soweit sich das mit den Landesgesetzen vertrug. Es war
wohl bald nach der Besetzung von Tunis dnrch die Franzosen, daß man sich
in Rom entschloß, Anlehnung an das österreichisch-deutsche Bündnis zu suchen,
um der Jsolirung Italiens ein Ende zu machen. Italien scheint damals Beistand
der Verbündeten zu einer aggressiven Politik gegen Frankreich im Ange gehabt
zu haben. War dies der Fall, so wurde es abgewiesen, denn deren Bündnis
war eben nur zu Defensivzwecken abgeschlossen. Die italienischen Staatsmänner
versuchten es dann auf andre Weise, sie bemühten sich, eine Annäherung an die
beiden Mächte auf der Basis der Erhaltung des Friedens und des Statusquv
zustande zu bringen. König Hunderts Besuch in Wien sollte gleichsam ein
Pfand dafür sein, daß das offizielle Italien in seiner Geschichte ein andres Blatt
aufgeschlagen und alle selbstsüchtigen Pläne Österreich gegenüber aufgegeben habe.
In Österreichs Interesse lag es nicht, dieses Entgegenkommen abzulehnen, es
war vielmehr eine gute Gelegenheit, einen unruhigen Nachbar, der unter Um¬
ständen gefährlich werden konnte, zum Freunde zu gewinnen, und so wurde auf
das Anerbieten eingegangen. Wir denken, die Italiener werden sich dabei gut
stehen; denn sie bedürfen mindestens so sehr des Friedens wie Österreich und
wir Deutschen, und der ist ihnen nur dann voll und ganz gesichert, wenn sie
starke Verbündete haben.




Zur Beleuchtung der Gefängnisfrage.

n dem großen, von Albrecht Dürer mit Wandgemälden geschmückten
Saale des Nürnberger Rathauses bildete ehemals am westlichen
Ende das kunstvolle, von Peter Bischer gegossene, in der Zeit des
Überganges der Stadt an Baiern um den bloßen Metallwert ver¬
kaufte und seitdem spurlos verschwundene Gitter eine gesonderte
Abteilung. Hier tagte das peinliche Hals- und Jnzichtsgericht der seit dem


Zur Beleuchtung^der Gefängnisfrage.

auf Österreich predigen und vorbereiten konnte, und wo ministerielle Kundgebungen
die Absicht verrieten, zwar für jetzt Frieden zu halten, aber sich nicht für die
Zukunft zu binden. Das ist jetzt aber anders geworden. Die Regierung hat
die Jrredenta zunächst desavouirt, ihr Bestreben nach Eroberung des Trentino
und Triests öffentlich als dieselbe Thorheit bezeichnet wie ein etwaiges Zurück¬
fordern Nizzas und Savoyens von Frankreich oder das Verlangen, Eng¬
land solle Malta herausgeben, und sie ist dann thatsächlich gegen die Jrreden-
tisten eingeschritten, soweit sich das mit den Landesgesetzen vertrug. Es war
wohl bald nach der Besetzung von Tunis dnrch die Franzosen, daß man sich
in Rom entschloß, Anlehnung an das österreichisch-deutsche Bündnis zu suchen,
um der Jsolirung Italiens ein Ende zu machen. Italien scheint damals Beistand
der Verbündeten zu einer aggressiven Politik gegen Frankreich im Ange gehabt
zu haben. War dies der Fall, so wurde es abgewiesen, denn deren Bündnis
war eben nur zu Defensivzwecken abgeschlossen. Die italienischen Staatsmänner
versuchten es dann auf andre Weise, sie bemühten sich, eine Annäherung an die
beiden Mächte auf der Basis der Erhaltung des Friedens und des Statusquv
zustande zu bringen. König Hunderts Besuch in Wien sollte gleichsam ein
Pfand dafür sein, daß das offizielle Italien in seiner Geschichte ein andres Blatt
aufgeschlagen und alle selbstsüchtigen Pläne Österreich gegenüber aufgegeben habe.
In Österreichs Interesse lag es nicht, dieses Entgegenkommen abzulehnen, es
war vielmehr eine gute Gelegenheit, einen unruhigen Nachbar, der unter Um¬
ständen gefährlich werden konnte, zum Freunde zu gewinnen, und so wurde auf
das Anerbieten eingegangen. Wir denken, die Italiener werden sich dabei gut
stehen; denn sie bedürfen mindestens so sehr des Friedens wie Österreich und
wir Deutschen, und der ist ihnen nur dann voll und ganz gesichert, wenn sie
starke Verbündete haben.




Zur Beleuchtung der Gefängnisfrage.

n dem großen, von Albrecht Dürer mit Wandgemälden geschmückten
Saale des Nürnberger Rathauses bildete ehemals am westlichen
Ende das kunstvolle, von Peter Bischer gegossene, in der Zeit des
Überganges der Stadt an Baiern um den bloßen Metallwert ver¬
kaufte und seitdem spurlos verschwundene Gitter eine gesonderte
Abteilung. Hier tagte das peinliche Hals- und Jnzichtsgericht der seit dem


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[0178] Zur Beleuchtung^der Gefängnisfrage. auf Österreich predigen und vorbereiten konnte, und wo ministerielle Kundgebungen die Absicht verrieten, zwar für jetzt Frieden zu halten, aber sich nicht für die Zukunft zu binden. Das ist jetzt aber anders geworden. Die Regierung hat die Jrredenta zunächst desavouirt, ihr Bestreben nach Eroberung des Trentino und Triests öffentlich als dieselbe Thorheit bezeichnet wie ein etwaiges Zurück¬ fordern Nizzas und Savoyens von Frankreich oder das Verlangen, Eng¬ land solle Malta herausgeben, und sie ist dann thatsächlich gegen die Jrreden- tisten eingeschritten, soweit sich das mit den Landesgesetzen vertrug. Es war wohl bald nach der Besetzung von Tunis dnrch die Franzosen, daß man sich in Rom entschloß, Anlehnung an das österreichisch-deutsche Bündnis zu suchen, um der Jsolirung Italiens ein Ende zu machen. Italien scheint damals Beistand der Verbündeten zu einer aggressiven Politik gegen Frankreich im Ange gehabt zu haben. War dies der Fall, so wurde es abgewiesen, denn deren Bündnis war eben nur zu Defensivzwecken abgeschlossen. Die italienischen Staatsmänner versuchten es dann auf andre Weise, sie bemühten sich, eine Annäherung an die beiden Mächte auf der Basis der Erhaltung des Friedens und des Statusquv zustande zu bringen. König Hunderts Besuch in Wien sollte gleichsam ein Pfand dafür sein, daß das offizielle Italien in seiner Geschichte ein andres Blatt aufgeschlagen und alle selbstsüchtigen Pläne Österreich gegenüber aufgegeben habe. In Österreichs Interesse lag es nicht, dieses Entgegenkommen abzulehnen, es war vielmehr eine gute Gelegenheit, einen unruhigen Nachbar, der unter Um¬ ständen gefährlich werden konnte, zum Freunde zu gewinnen, und so wurde auf das Anerbieten eingegangen. Wir denken, die Italiener werden sich dabei gut stehen; denn sie bedürfen mindestens so sehr des Friedens wie Österreich und wir Deutschen, und der ist ihnen nur dann voll und ganz gesichert, wenn sie starke Verbündete haben. Zur Beleuchtung der Gefängnisfrage. n dem großen, von Albrecht Dürer mit Wandgemälden geschmückten Saale des Nürnberger Rathauses bildete ehemals am westlichen Ende das kunstvolle, von Peter Bischer gegossene, in der Zeit des Überganges der Stadt an Baiern um den bloßen Metallwert ver¬ kaufte und seitdem spurlos verschwundene Gitter eine gesonderte Abteilung. Hier tagte das peinliche Hals- und Jnzichtsgericht der seit dem

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 42, 1883, Zweites Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341837_152756/178>, abgerufen am 28.09.2024.