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Die Grenzboten. Jg. 42, 1883, Erstes Quartal.

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Sie Grafen von Altenschwerdt.

schattig. In der Mitte der Grotte erhob sich der Stamm einer Traueresche,
und ihre Zweige hinge" gleich einem Zeltdach in dichten grünen Streifen ans
die steinerne Umfassung herab. Das Summen der Käfer und Bienen im Sonnen-
schein schläferte ihn ein, er stützte den Kopf auf die Hand, nickte ein. fuhr empor,
lehnte sich rückwärts an das Moos, welches den Tuffstein überzog, und schlief ein.

Dann ließ ihn das Geräusch leichter Schritte wieder die Augen öffnen.
Er erwachte mit einer veränderten Stimmung, zärtlich blickte er das junge
Mädchen an, vergaß über ihren Anblick seinen Appetit und dachte nur, wie gut
und hingebend sie sei. Sie war die alte und doch ganz neu geworden. Sie
erschien ihm in einem andern Lichte als vor Jahren, wo er sie als ein gutes,
doch der Beachtung unwertes Geschöpf betrachtet hatte.

Liebe Anna! sagte er gefühlvoll und reichte ihr die Hand.

Ihre Wangen waren erhitzt vom eiligen Gange, und ihre Augen blitzten,
vor Vergnügen über den kleinen Dienst, den sie ihm leisten konnte.

Hier ist der Madeira, sagte sie, ein Fläschchen auf den Tisch stellend, und
hier ist auch ein Glas. Ein Beefsteak konnte ich leider nicht bringen, der Platz
im Korbe ist zu klein, aber ich habe etwas andres gebracht, wovon ich weiß,
daß Sie es gern essen. Sie öffnete mit diesen Worten ein weißes Papier,
worin einige Schnitte kalten Rehbratcns eingewickelt waren, und legte ihm ein
Brötchen dazu.

Er zog sie an der Hand zu sich, und seine Wangen glühten von einer
sehnsuchtsvollen Dankbarkeit.

Liebe Anna, sagte er, Sie sind zu gut!

Sie wollte ihre Hand zurückziehen, aber ihr Sträuben war nur schwach.
Sie lehnte ihren Kopf zurück, aber in ihren tiefblauen Augen schimmerte die
Liebe. Er umfaßte ihren Leib und zog sie an seine Brust, ihre Lippen fanden
sich in einem langen, seligen Kuß.




Elftes Aapitel.

Eberhardt hatte seine Zusage, den Bewohnern des Schlosses einen Blick
in seine Skizzenmappe zu gestatten, ausgeführt, und es waren bei dieser Ge¬
legenheit einige kleine Landschaften zu Tage gekommen, die hinsichtlich ihrer Aus¬
führung wie ihrer Auffassung der schönen Dorothea bewuudernswert erschienen.
Der alte Andrew hatte die Mappe hinübergetragen, und es war ein eigentüm¬
licher Blick, mit dem der Neger von Eberhardt zu Dorothea hinübersah.

Der Baron hatte die Absicht, eins oder ein paar dieser Bilder zu kaufen.
Aber es war sonderbar: er brachte es nicht fertig, Eberhardt gegenüber von
einem Handel zu sprechen. Dieser junge Mann sah, als er die Bilder zeigte, keinen
Augenblick so aus, daß jemand hätte Lust verspüren können, ihn zu fragen, wie
viel Geld er verlange. Der Baron nahm sich vor, bei einer andern Gelegenheit
davon zu reden, und die Bilder wurden wieder fortgetragen.


Sie Grafen von Altenschwerdt.

schattig. In der Mitte der Grotte erhob sich der Stamm einer Traueresche,
und ihre Zweige hinge» gleich einem Zeltdach in dichten grünen Streifen ans
die steinerne Umfassung herab. Das Summen der Käfer und Bienen im Sonnen-
schein schläferte ihn ein, er stützte den Kopf auf die Hand, nickte ein. fuhr empor,
lehnte sich rückwärts an das Moos, welches den Tuffstein überzog, und schlief ein.

Dann ließ ihn das Geräusch leichter Schritte wieder die Augen öffnen.
Er erwachte mit einer veränderten Stimmung, zärtlich blickte er das junge
Mädchen an, vergaß über ihren Anblick seinen Appetit und dachte nur, wie gut
und hingebend sie sei. Sie war die alte und doch ganz neu geworden. Sie
erschien ihm in einem andern Lichte als vor Jahren, wo er sie als ein gutes,
doch der Beachtung unwertes Geschöpf betrachtet hatte.

Liebe Anna! sagte er gefühlvoll und reichte ihr die Hand.

Ihre Wangen waren erhitzt vom eiligen Gange, und ihre Augen blitzten,
vor Vergnügen über den kleinen Dienst, den sie ihm leisten konnte.

Hier ist der Madeira, sagte sie, ein Fläschchen auf den Tisch stellend, und
hier ist auch ein Glas. Ein Beefsteak konnte ich leider nicht bringen, der Platz
im Korbe ist zu klein, aber ich habe etwas andres gebracht, wovon ich weiß,
daß Sie es gern essen. Sie öffnete mit diesen Worten ein weißes Papier,
worin einige Schnitte kalten Rehbratcns eingewickelt waren, und legte ihm ein
Brötchen dazu.

Er zog sie an der Hand zu sich, und seine Wangen glühten von einer
sehnsuchtsvollen Dankbarkeit.

Liebe Anna, sagte er, Sie sind zu gut!

Sie wollte ihre Hand zurückziehen, aber ihr Sträuben war nur schwach.
Sie lehnte ihren Kopf zurück, aber in ihren tiefblauen Augen schimmerte die
Liebe. Er umfaßte ihren Leib und zog sie an seine Brust, ihre Lippen fanden
sich in einem langen, seligen Kuß.




Elftes Aapitel.

Eberhardt hatte seine Zusage, den Bewohnern des Schlosses einen Blick
in seine Skizzenmappe zu gestatten, ausgeführt, und es waren bei dieser Ge¬
legenheit einige kleine Landschaften zu Tage gekommen, die hinsichtlich ihrer Aus¬
führung wie ihrer Auffassung der schönen Dorothea bewuudernswert erschienen.
Der alte Andrew hatte die Mappe hinübergetragen, und es war ein eigentüm¬
licher Blick, mit dem der Neger von Eberhardt zu Dorothea hinübersah.

Der Baron hatte die Absicht, eins oder ein paar dieser Bilder zu kaufen.
Aber es war sonderbar: er brachte es nicht fertig, Eberhardt gegenüber von
einem Handel zu sprechen. Dieser junge Mann sah, als er die Bilder zeigte, keinen
Augenblick so aus, daß jemand hätte Lust verspüren können, ihn zu fragen, wie
viel Geld er verlange. Der Baron nahm sich vor, bei einer andern Gelegenheit
davon zu reden, und die Bilder wurden wieder fortgetragen.


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[0442] Sie Grafen von Altenschwerdt. schattig. In der Mitte der Grotte erhob sich der Stamm einer Traueresche, und ihre Zweige hinge» gleich einem Zeltdach in dichten grünen Streifen ans die steinerne Umfassung herab. Das Summen der Käfer und Bienen im Sonnen- schein schläferte ihn ein, er stützte den Kopf auf die Hand, nickte ein. fuhr empor, lehnte sich rückwärts an das Moos, welches den Tuffstein überzog, und schlief ein. Dann ließ ihn das Geräusch leichter Schritte wieder die Augen öffnen. Er erwachte mit einer veränderten Stimmung, zärtlich blickte er das junge Mädchen an, vergaß über ihren Anblick seinen Appetit und dachte nur, wie gut und hingebend sie sei. Sie war die alte und doch ganz neu geworden. Sie erschien ihm in einem andern Lichte als vor Jahren, wo er sie als ein gutes, doch der Beachtung unwertes Geschöpf betrachtet hatte. Liebe Anna! sagte er gefühlvoll und reichte ihr die Hand. Ihre Wangen waren erhitzt vom eiligen Gange, und ihre Augen blitzten, vor Vergnügen über den kleinen Dienst, den sie ihm leisten konnte. Hier ist der Madeira, sagte sie, ein Fläschchen auf den Tisch stellend, und hier ist auch ein Glas. Ein Beefsteak konnte ich leider nicht bringen, der Platz im Korbe ist zu klein, aber ich habe etwas andres gebracht, wovon ich weiß, daß Sie es gern essen. Sie öffnete mit diesen Worten ein weißes Papier, worin einige Schnitte kalten Rehbratcns eingewickelt waren, und legte ihm ein Brötchen dazu. Er zog sie an der Hand zu sich, und seine Wangen glühten von einer sehnsuchtsvollen Dankbarkeit. Liebe Anna, sagte er, Sie sind zu gut! Sie wollte ihre Hand zurückziehen, aber ihr Sträuben war nur schwach. Sie lehnte ihren Kopf zurück, aber in ihren tiefblauen Augen schimmerte die Liebe. Er umfaßte ihren Leib und zog sie an seine Brust, ihre Lippen fanden sich in einem langen, seligen Kuß. Elftes Aapitel. Eberhardt hatte seine Zusage, den Bewohnern des Schlosses einen Blick in seine Skizzenmappe zu gestatten, ausgeführt, und es waren bei dieser Ge¬ legenheit einige kleine Landschaften zu Tage gekommen, die hinsichtlich ihrer Aus¬ führung wie ihrer Auffassung der schönen Dorothea bewuudernswert erschienen. Der alte Andrew hatte die Mappe hinübergetragen, und es war ein eigentüm¬ licher Blick, mit dem der Neger von Eberhardt zu Dorothea hinübersah. Der Baron hatte die Absicht, eins oder ein paar dieser Bilder zu kaufen. Aber es war sonderbar: er brachte es nicht fertig, Eberhardt gegenüber von einem Handel zu sprechen. Dieser junge Mann sah, als er die Bilder zeigte, keinen Augenblick so aus, daß jemand hätte Lust verspüren können, ihn zu fragen, wie viel Geld er verlange. Der Baron nahm sich vor, bei einer andern Gelegenheit davon zu reden, und die Bilder wurden wieder fortgetragen.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 42, 1883, Erstes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341837_151310/442>, abgerufen am 22.07.2024.