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Die Grenzboten. Jg. 42, 1883, Erstes Quartal.

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Die Grafen von Altenschwerdt.
Roman von August Niemann (Fortsetzung.)
Siebentes Uapitel.

illiccnt hatte aus dem schmucken kleinen Hause, welches so trau¬
lich in der alten Mauer stand, eine Botschaft erhalten, und
während Dorothea mit dein Maler in den Park hinauswandelte,
schickte sich ihre Milchschwester und Gesellschafterin an, hinüber-
zugehen. Das kleine Haus war von ihrem Oheim, dem Wirt-
schaftsinspektor Schmidt, bewohnt, der die Leitung der großen Herrschaft Eich¬
hausen führte und seit langen Jahren der Interessen des Hauses Sextus mit
großem Eifer waltete. Die Tante Schmidt hatte ihr sagen lassen, daß Bruder
Rudolf aus Holzfurt herübergekommen sei, und daß sie freundlich zum Abend¬
essen eingeladen werde.

Millicent stand eine Minute lang unschlüssig vor dem Spiegel in ihrem
netten, mit buntem Kattun ausstaffirter Zimmerchen, welches nahe an Dorotheens
Gemächern lag. Sie wußte nicht, ob sie das braune Kleid mit den Atlas¬
schleifen anziehen, oder ob sie ihr Satinkleid anbehalten und eine blaue
Schleife dazustecken sollte. Nicht als wäre der Ton der Jnspektorwohmmg
gerade förmlich gewesen, aber man mußte doch auch deu Verwandten gegenüber
auf das Äußere halten. Es war sehr hübsch und gemütlich bei Inspektors,
und Millicent hing sehr an dem Bruder ihres Vaters und dessen verchrungs-
würdiger Gattin, nur hätte sie gewünscht, daß dort etwas mehr Anerkennung
der feineren Bildung herrschte. Vierbeinige Geschöpfe Gottes, Pferde, Rinder
und noch andre Tiere, deren Wert von rationeller Mästung abhing, spielten
in den Interessen der Jnspektorsbehausuug eine so hervorragende Rolle, daß
Millicent sich davon zeitweise etwas bedrückt fühlte. Und daß sie selbst, die




Die Grafen von Altenschwerdt.
Roman von August Niemann (Fortsetzung.)
Siebentes Uapitel.

illiccnt hatte aus dem schmucken kleinen Hause, welches so trau¬
lich in der alten Mauer stand, eine Botschaft erhalten, und
während Dorothea mit dein Maler in den Park hinauswandelte,
schickte sich ihre Milchschwester und Gesellschafterin an, hinüber-
zugehen. Das kleine Haus war von ihrem Oheim, dem Wirt-
schaftsinspektor Schmidt, bewohnt, der die Leitung der großen Herrschaft Eich¬
hausen führte und seit langen Jahren der Interessen des Hauses Sextus mit
großem Eifer waltete. Die Tante Schmidt hatte ihr sagen lassen, daß Bruder
Rudolf aus Holzfurt herübergekommen sei, und daß sie freundlich zum Abend¬
essen eingeladen werde.

Millicent stand eine Minute lang unschlüssig vor dem Spiegel in ihrem
netten, mit buntem Kattun ausstaffirter Zimmerchen, welches nahe an Dorotheens
Gemächern lag. Sie wußte nicht, ob sie das braune Kleid mit den Atlas¬
schleifen anziehen, oder ob sie ihr Satinkleid anbehalten und eine blaue
Schleife dazustecken sollte. Nicht als wäre der Ton der Jnspektorwohmmg
gerade förmlich gewesen, aber man mußte doch auch deu Verwandten gegenüber
auf das Äußere halten. Es war sehr hübsch und gemütlich bei Inspektors,
und Millicent hing sehr an dem Bruder ihres Vaters und dessen verchrungs-
würdiger Gattin, nur hätte sie gewünscht, daß dort etwas mehr Anerkennung
der feineren Bildung herrschte. Vierbeinige Geschöpfe Gottes, Pferde, Rinder
und noch andre Tiere, deren Wert von rationeller Mästung abhing, spielten
in den Interessen der Jnspektorsbehausuug eine so hervorragende Rolle, daß
Millicent sich davon zeitweise etwas bedrückt fühlte. Und daß sie selbst, die


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[0275] [Abbildung] Die Grafen von Altenschwerdt. Roman von August Niemann (Fortsetzung.) Siebentes Uapitel. illiccnt hatte aus dem schmucken kleinen Hause, welches so trau¬ lich in der alten Mauer stand, eine Botschaft erhalten, und während Dorothea mit dein Maler in den Park hinauswandelte, schickte sich ihre Milchschwester und Gesellschafterin an, hinüber- zugehen. Das kleine Haus war von ihrem Oheim, dem Wirt- schaftsinspektor Schmidt, bewohnt, der die Leitung der großen Herrschaft Eich¬ hausen führte und seit langen Jahren der Interessen des Hauses Sextus mit großem Eifer waltete. Die Tante Schmidt hatte ihr sagen lassen, daß Bruder Rudolf aus Holzfurt herübergekommen sei, und daß sie freundlich zum Abend¬ essen eingeladen werde. Millicent stand eine Minute lang unschlüssig vor dem Spiegel in ihrem netten, mit buntem Kattun ausstaffirter Zimmerchen, welches nahe an Dorotheens Gemächern lag. Sie wußte nicht, ob sie das braune Kleid mit den Atlas¬ schleifen anziehen, oder ob sie ihr Satinkleid anbehalten und eine blaue Schleife dazustecken sollte. Nicht als wäre der Ton der Jnspektorwohmmg gerade förmlich gewesen, aber man mußte doch auch deu Verwandten gegenüber auf das Äußere halten. Es war sehr hübsch und gemütlich bei Inspektors, und Millicent hing sehr an dem Bruder ihres Vaters und dessen verchrungs- würdiger Gattin, nur hätte sie gewünscht, daß dort etwas mehr Anerkennung der feineren Bildung herrschte. Vierbeinige Geschöpfe Gottes, Pferde, Rinder und noch andre Tiere, deren Wert von rationeller Mästung abhing, spielten in den Interessen der Jnspektorsbehausuug eine so hervorragende Rolle, daß Millicent sich davon zeitweise etwas bedrückt fühlte. Und daß sie selbst, die

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 42, 1883, Erstes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341837_151310/275>, abgerufen am 22.07.2024.