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Die Grenzboten. Jg. 42, 1883, Erstes Quartal.

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Die Harmonie der Farben und der Töne.
von Max Schafter.

in Bemühungen der Physiker, zwischen der Farbenskala und der
Tonleiter eine Analogie nachzuweisen,^) die man bis zur völligen
Parallelisirnng ihrer beiderseitigen harmonischen Verbindungen,
dort bestimmter Farbe", hier gewisser Töne, auszudehnen versucht
hat, sind so alt wie die Aufstellung eiuer Farbentheorie überhaupt.
Sie gründen sich auf die naheliegende Beobachtung, daß die Farben, ähnlich
wie die Töne, in Beziehungen zu einander stehen, welche teils einen die ästhetische
Empfindung wohlthuend berührenden (harmonischen), teils einen sie verletzenden
(disharmonischen) Eindruck hervorrufen. Schon die von Newton geltend ge¬
machte Thatsache, daß es ebensowohl sieben einfache Farben wie ganze Töne
in der Oktave gebe, mehr noch der Gebrauch, die Bezeichnungen gewisser ver¬
wandten Eigenschaften beider wechselseitig aus der einen auf die andre Sphäre
zu übertrage", indem z, B. einerseits von hellen, klaren Tönen, andrerseits von
schreienden Farben gesprochen wird, ja daß die Ausdrücke Farbe und Ton selber
dnrch wechselseitige Übertragung auf das andre Gebiet angewendet werden, sofern
z, V, von Klangfarbe in der Musik, von Ton in der Malerei und in beiden
von Konsonanz, Dissonanz, Harmonie, Akkord, ja von Dur- und Mollton¬
arten, Temperatur u. s. f. gesprochen wird -- alle diese und andre Umstände
scheinen nicht nur auf eine Verwandtschaft überhaupt, sondern auf eine innerliche
gesetzmäßige Analogie der beiden Gebiete hinzudeute". Dieser Schluß erhält
außerdem noch eine sehr ins Gewicht fallende Bestätigung dadurch, daß -- ganz
abgesehen von der Ähnlichkeit der ästhetischen Wirkung, worauf sich zunächst
nur eine Verwandtschaft zwischen den betreffenden Kunstsphären, der Malerei
und der Musik, gründet -- die physikalischen Elemente derselben, das Licht und
der Schall, selbst schon zahlreiche Erscheinungen darbieten, deren Analogie sich
ebenfalls in identischen Bezeichnungen kundgiebt, indem man sowohl in der
Optik wie in der Akustik, d. h. nicht mir in Beziehung auf das Licht, sondern
auch auf den Schall, vou Reflexion, Beugung, Interferenz, ja sogar von Polari¬
sation spricht.

Alle diese Momente scheinen zu deutlich für eine innere Analogie zwischen
den beiden Gebieten der Farben- und der Tonwelt oder -- wenn man die



*) Zu dem vorliegend"" Aufsatz, der eine höchst interessante Frage behandelt, hoffen
wir demnächst ein Gegenstück aus andrer Feder bringen zu können. Einstweilen deuten wir
D. Red, den Standpunkt, des Gegners durch einige redaktionelle Anmerkungen an.
Die Harmonie der Farben und der Töne.
von Max Schafter.

in Bemühungen der Physiker, zwischen der Farbenskala und der
Tonleiter eine Analogie nachzuweisen,^) die man bis zur völligen
Parallelisirnng ihrer beiderseitigen harmonischen Verbindungen,
dort bestimmter Farbe», hier gewisser Töne, auszudehnen versucht
hat, sind so alt wie die Aufstellung eiuer Farbentheorie überhaupt.
Sie gründen sich auf die naheliegende Beobachtung, daß die Farben, ähnlich
wie die Töne, in Beziehungen zu einander stehen, welche teils einen die ästhetische
Empfindung wohlthuend berührenden (harmonischen), teils einen sie verletzenden
(disharmonischen) Eindruck hervorrufen. Schon die von Newton geltend ge¬
machte Thatsache, daß es ebensowohl sieben einfache Farben wie ganze Töne
in der Oktave gebe, mehr noch der Gebrauch, die Bezeichnungen gewisser ver¬
wandten Eigenschaften beider wechselseitig aus der einen auf die andre Sphäre
zu übertrage», indem z, B. einerseits von hellen, klaren Tönen, andrerseits von
schreienden Farben gesprochen wird, ja daß die Ausdrücke Farbe und Ton selber
dnrch wechselseitige Übertragung auf das andre Gebiet angewendet werden, sofern
z, V, von Klangfarbe in der Musik, von Ton in der Malerei und in beiden
von Konsonanz, Dissonanz, Harmonie, Akkord, ja von Dur- und Mollton¬
arten, Temperatur u. s. f. gesprochen wird — alle diese und andre Umstände
scheinen nicht nur auf eine Verwandtschaft überhaupt, sondern auf eine innerliche
gesetzmäßige Analogie der beiden Gebiete hinzudeute». Dieser Schluß erhält
außerdem noch eine sehr ins Gewicht fallende Bestätigung dadurch, daß — ganz
abgesehen von der Ähnlichkeit der ästhetischen Wirkung, worauf sich zunächst
nur eine Verwandtschaft zwischen den betreffenden Kunstsphären, der Malerei
und der Musik, gründet — die physikalischen Elemente derselben, das Licht und
der Schall, selbst schon zahlreiche Erscheinungen darbieten, deren Analogie sich
ebenfalls in identischen Bezeichnungen kundgiebt, indem man sowohl in der
Optik wie in der Akustik, d. h. nicht mir in Beziehung auf das Licht, sondern
auch auf den Schall, vou Reflexion, Beugung, Interferenz, ja sogar von Polari¬
sation spricht.

Alle diese Momente scheinen zu deutlich für eine innere Analogie zwischen
den beiden Gebieten der Farben- und der Tonwelt oder — wenn man die



*) Zu dem vorliegend»» Aufsatz, der eine höchst interessante Frage behandelt, hoffen
wir demnächst ein Gegenstück aus andrer Feder bringen zu können. Einstweilen deuten wir
D. Red, den Standpunkt, des Gegners durch einige redaktionelle Anmerkungen an.
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[0259] Die Harmonie der Farben und der Töne. von Max Schafter. in Bemühungen der Physiker, zwischen der Farbenskala und der Tonleiter eine Analogie nachzuweisen,^) die man bis zur völligen Parallelisirnng ihrer beiderseitigen harmonischen Verbindungen, dort bestimmter Farbe», hier gewisser Töne, auszudehnen versucht hat, sind so alt wie die Aufstellung eiuer Farbentheorie überhaupt. Sie gründen sich auf die naheliegende Beobachtung, daß die Farben, ähnlich wie die Töne, in Beziehungen zu einander stehen, welche teils einen die ästhetische Empfindung wohlthuend berührenden (harmonischen), teils einen sie verletzenden (disharmonischen) Eindruck hervorrufen. Schon die von Newton geltend ge¬ machte Thatsache, daß es ebensowohl sieben einfache Farben wie ganze Töne in der Oktave gebe, mehr noch der Gebrauch, die Bezeichnungen gewisser ver¬ wandten Eigenschaften beider wechselseitig aus der einen auf die andre Sphäre zu übertrage», indem z, B. einerseits von hellen, klaren Tönen, andrerseits von schreienden Farben gesprochen wird, ja daß die Ausdrücke Farbe und Ton selber dnrch wechselseitige Übertragung auf das andre Gebiet angewendet werden, sofern z, V, von Klangfarbe in der Musik, von Ton in der Malerei und in beiden von Konsonanz, Dissonanz, Harmonie, Akkord, ja von Dur- und Mollton¬ arten, Temperatur u. s. f. gesprochen wird — alle diese und andre Umstände scheinen nicht nur auf eine Verwandtschaft überhaupt, sondern auf eine innerliche gesetzmäßige Analogie der beiden Gebiete hinzudeute». Dieser Schluß erhält außerdem noch eine sehr ins Gewicht fallende Bestätigung dadurch, daß — ganz abgesehen von der Ähnlichkeit der ästhetischen Wirkung, worauf sich zunächst nur eine Verwandtschaft zwischen den betreffenden Kunstsphären, der Malerei und der Musik, gründet — die physikalischen Elemente derselben, das Licht und der Schall, selbst schon zahlreiche Erscheinungen darbieten, deren Analogie sich ebenfalls in identischen Bezeichnungen kundgiebt, indem man sowohl in der Optik wie in der Akustik, d. h. nicht mir in Beziehung auf das Licht, sondern auch auf den Schall, vou Reflexion, Beugung, Interferenz, ja sogar von Polari¬ sation spricht. Alle diese Momente scheinen zu deutlich für eine innere Analogie zwischen den beiden Gebieten der Farben- und der Tonwelt oder — wenn man die *) Zu dem vorliegend»» Aufsatz, der eine höchst interessante Frage behandelt, hoffen wir demnächst ein Gegenstück aus andrer Feder bringen zu können. Einstweilen deuten wir D. Red, den Standpunkt, des Gegners durch einige redaktionelle Anmerkungen an.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 42, 1883, Erstes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341837_151310/259>, abgerufen am 03.07.2024.