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Die Grenzboten. Jg. 42, 1883, Erstes Quartal.

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Frankreich nach Gambettas Tode.

ein Zweifel, mit dem Manne, der mit dem scheidenden Jahre zu
Ville d'Avray aus dem Leben gegangen ist, hat das gegenwär¬
tige Frankreich einen bedeutenden, ja seinen größten Politiker ver¬
loren. Eine glänzende Vergangenheit ist mit Leon Gambetta ins
Grab gesunken, stolze Zukunftstränme haben sie ins Schattenland
begleitet, aber auch schwere Gefahren und Befürchtungen. Die Menge, die am
Neujahrstage und den nächstfolgenden Tagen über die Straßen und Boulevards
von Paris wogte, die große Mehrzahl des in der Stadt der leichtlebigen Sinnes¬
art sich vergnügenden Volkes ließ sich zwar, wie berichtet wird, den Verlust
wenig zu Herzen gehen, sie verhielt sich gleichgiltig wie die Natur beim Er¬
löschen eines Menschenlebens, wie das Meer, wenn der Steuermann eines Schiffes
über Bord fällt. Und als der Verstorbene vom Staate feierlich begraben wurde,
war es auch mehr Interesse um dem Pomp, der dabei entfaltet wurde, als Be¬
wußtsein der Größe des Toten, wenn jene Menge Teilnahme an dem Ereignisse
zeigte. Selbst der größere Teil der Zeitungsartikel, die über Gambetta er¬
schienen, beschäftigte sich zunächst mehr mit den Äußerlichkeiten seines Todes,
seinem Sterbezimmer und dergleichen, als mit seiner Laufbahn, seinen Lei¬
stungen und Erfolgen und der Lücke, die durch sein Hinscheiden entstanden ist.
Sogar viele der zweifellos republikanischen Blätter sprachen von den: toten
Redner und Staatsmann in auffallend kühlen Ausdrücken, und als sie später
an eine Erörterung der Folgen des Ereignisses gingen, blieben sie mit ihren
Gedanken meist an der Oberfläche. "Sowohl in Privatgesprächen als in der
Presse, schreibt ein guter Beobachter dem v^ni lelöAraM, war die Haupt¬
frage, welche Wirkung sein Ableben auf den Stand der Parteien üben werde,'


An'"zi>um> 1. 1883. W


Frankreich nach Gambettas Tode.

ein Zweifel, mit dem Manne, der mit dem scheidenden Jahre zu
Ville d'Avray aus dem Leben gegangen ist, hat das gegenwär¬
tige Frankreich einen bedeutenden, ja seinen größten Politiker ver¬
loren. Eine glänzende Vergangenheit ist mit Leon Gambetta ins
Grab gesunken, stolze Zukunftstränme haben sie ins Schattenland
begleitet, aber auch schwere Gefahren und Befürchtungen. Die Menge, die am
Neujahrstage und den nächstfolgenden Tagen über die Straßen und Boulevards
von Paris wogte, die große Mehrzahl des in der Stadt der leichtlebigen Sinnes¬
art sich vergnügenden Volkes ließ sich zwar, wie berichtet wird, den Verlust
wenig zu Herzen gehen, sie verhielt sich gleichgiltig wie die Natur beim Er¬
löschen eines Menschenlebens, wie das Meer, wenn der Steuermann eines Schiffes
über Bord fällt. Und als der Verstorbene vom Staate feierlich begraben wurde,
war es auch mehr Interesse um dem Pomp, der dabei entfaltet wurde, als Be¬
wußtsein der Größe des Toten, wenn jene Menge Teilnahme an dem Ereignisse
zeigte. Selbst der größere Teil der Zeitungsartikel, die über Gambetta er¬
schienen, beschäftigte sich zunächst mehr mit den Äußerlichkeiten seines Todes,
seinem Sterbezimmer und dergleichen, als mit seiner Laufbahn, seinen Lei¬
stungen und Erfolgen und der Lücke, die durch sein Hinscheiden entstanden ist.
Sogar viele der zweifellos republikanischen Blätter sprachen von den: toten
Redner und Staatsmann in auffallend kühlen Ausdrücken, und als sie später
an eine Erörterung der Folgen des Ereignisses gingen, blieben sie mit ihren
Gedanken meist an der Oberfläche. „Sowohl in Privatgesprächen als in der
Presse, schreibt ein guter Beobachter dem v^ni lelöAraM, war die Haupt¬
frage, welche Wirkung sein Ableben auf den Stand der Parteien üben werde,'


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[0177] [Abbildung] Frankreich nach Gambettas Tode. ein Zweifel, mit dem Manne, der mit dem scheidenden Jahre zu Ville d'Avray aus dem Leben gegangen ist, hat das gegenwär¬ tige Frankreich einen bedeutenden, ja seinen größten Politiker ver¬ loren. Eine glänzende Vergangenheit ist mit Leon Gambetta ins Grab gesunken, stolze Zukunftstränme haben sie ins Schattenland begleitet, aber auch schwere Gefahren und Befürchtungen. Die Menge, die am Neujahrstage und den nächstfolgenden Tagen über die Straßen und Boulevards von Paris wogte, die große Mehrzahl des in der Stadt der leichtlebigen Sinnes¬ art sich vergnügenden Volkes ließ sich zwar, wie berichtet wird, den Verlust wenig zu Herzen gehen, sie verhielt sich gleichgiltig wie die Natur beim Er¬ löschen eines Menschenlebens, wie das Meer, wenn der Steuermann eines Schiffes über Bord fällt. Und als der Verstorbene vom Staate feierlich begraben wurde, war es auch mehr Interesse um dem Pomp, der dabei entfaltet wurde, als Be¬ wußtsein der Größe des Toten, wenn jene Menge Teilnahme an dem Ereignisse zeigte. Selbst der größere Teil der Zeitungsartikel, die über Gambetta er¬ schienen, beschäftigte sich zunächst mehr mit den Äußerlichkeiten seines Todes, seinem Sterbezimmer und dergleichen, als mit seiner Laufbahn, seinen Lei¬ stungen und Erfolgen und der Lücke, die durch sein Hinscheiden entstanden ist. Sogar viele der zweifellos republikanischen Blätter sprachen von den: toten Redner und Staatsmann in auffallend kühlen Ausdrücken, und als sie später an eine Erörterung der Folgen des Ereignisses gingen, blieben sie mit ihren Gedanken meist an der Oberfläche. „Sowohl in Privatgesprächen als in der Presse, schreibt ein guter Beobachter dem v^ni lelöAraM, war die Haupt¬ frage, welche Wirkung sein Ableben auf den Stand der Parteien üben werde,' An'»zi>um> 1. 1883. W

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 42, 1883, Erstes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341837_151310/177>, abgerufen am 22.07.2024.