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Die Grenzboten. Jg. 42, 1883, Erstes Quartal.

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Die Grafen von Altenschwerdt.

Wäret ihr dort fern am Hudson in den reinlichen, stillen Niederlassungen lebendig
begraben. Vielleicht -- später, wenn ich einmal krank an Leib und Geist dar--
niedcrliegen sollte, vielleicht würden mir dann die stillen und frommen Gesichter
von Springlakc als ein Heilmittel erscheinen, und vielleicht würde ich dann, wie
meine Mutter that, meine Zuflucht zu jenem fernen Ruhewinkel nehmen. Aber
für jetzt noch nicht. Hier in diesem Küstenlande sind meine Eltern, hier bin
ich selber geboren, und dies Land, das ich jetzt zum erstenmale sehe, muß es
mir angethan haben. Ich ziehe zwischen seinen Eichen und Buchen umher,
male schlechte Bilder von Land und Meer und stehe ganz allein und fremd in
meiner Heimat, aber doch ist es meine Heimat und doch fühle ich mich hier
zu Hause,

Der schwarze Diener folgte diesen Worten mit einem schwermütigen Lächeln
und gedachte seines eignen Heimatlandes unter dem Äquator, von dem wohl
die Erzählungen und Gesänge seines Volkes ihm Nachricht gegeben, das er
selbst aber niemals mit Augen gesehen hatte. Und indem er der Sehnsucht
gedachte, die ihn heimlich nach jenem nie erblickten Erdreich erfüllte, begriff er
die Gefühle seines Herrn,

Du, Andrew, fuhr Eberhardt fort, magst bei mir bleiben, wenn es dir
gefällt, und du nicht etwa vorziehst, allein in das Thal des Hudson zurückzu¬
kehren, vielleicht ist ja die Zeit nicht fern, wo auch mich das neue Land
wieder stärker anzieht als das' alte. Und dann würden wir beide zusammen
hinübergehen.

Ich bleibe bei meinem Herrn, sagte der Schwarze nach kurzem Besinnen.

Eberhardt drückte ihm die Hand, und dann saßen die beiden Männer, die
noch mehr durch die Bande der Freundschaft als durch das Band zwischen
Herrn und Diener aneinander geknüpft waren, bis tief in die Nacht hinein im
Gespräch über die letzten Tage der Verstorbenen und über die alten Zeiten,
deren Schicksal ihr den Heimgang aus dem irdischen Leben hatte leicht
werden lassen.




Fünftes Rapitel.

An einem der nächsten Tage, welche auf die Ankunft des den Fischern un¬
heimlichen Gastes in der Wirtschaft zum frischen Hering folgten, nahm Eberhardt
in der Frühe des Morgens unter der Linde sein Frühmal ein, wobei ihn der
Schwarze bediente, als sich von der andern Seite des Hauses ein Reiter näherte,
dem ein Reitknecht mit gelbem Gurt, hohem Hut und gelbrandigen Stulpen¬
stiefeln folgte.

Dieser Reiter war ein Mann von vorgerückten Jahren mit eisgrauen, kurz¬
gehaltenen Bart, doch von kerniger Gestalt und gutem Sitz, Man konnte leicht
an der stolzen Art, wie er den Kopf trug und die Zügel führte, an dem euer-


Die Grafen von Altenschwerdt.

Wäret ihr dort fern am Hudson in den reinlichen, stillen Niederlassungen lebendig
begraben. Vielleicht — später, wenn ich einmal krank an Leib und Geist dar--
niedcrliegen sollte, vielleicht würden mir dann die stillen und frommen Gesichter
von Springlakc als ein Heilmittel erscheinen, und vielleicht würde ich dann, wie
meine Mutter that, meine Zuflucht zu jenem fernen Ruhewinkel nehmen. Aber
für jetzt noch nicht. Hier in diesem Küstenlande sind meine Eltern, hier bin
ich selber geboren, und dies Land, das ich jetzt zum erstenmale sehe, muß es
mir angethan haben. Ich ziehe zwischen seinen Eichen und Buchen umher,
male schlechte Bilder von Land und Meer und stehe ganz allein und fremd in
meiner Heimat, aber doch ist es meine Heimat und doch fühle ich mich hier
zu Hause,

Der schwarze Diener folgte diesen Worten mit einem schwermütigen Lächeln
und gedachte seines eignen Heimatlandes unter dem Äquator, von dem wohl
die Erzählungen und Gesänge seines Volkes ihm Nachricht gegeben, das er
selbst aber niemals mit Augen gesehen hatte. Und indem er der Sehnsucht
gedachte, die ihn heimlich nach jenem nie erblickten Erdreich erfüllte, begriff er
die Gefühle seines Herrn,

Du, Andrew, fuhr Eberhardt fort, magst bei mir bleiben, wenn es dir
gefällt, und du nicht etwa vorziehst, allein in das Thal des Hudson zurückzu¬
kehren, vielleicht ist ja die Zeit nicht fern, wo auch mich das neue Land
wieder stärker anzieht als das' alte. Und dann würden wir beide zusammen
hinübergehen.

Ich bleibe bei meinem Herrn, sagte der Schwarze nach kurzem Besinnen.

Eberhardt drückte ihm die Hand, und dann saßen die beiden Männer, die
noch mehr durch die Bande der Freundschaft als durch das Band zwischen
Herrn und Diener aneinander geknüpft waren, bis tief in die Nacht hinein im
Gespräch über die letzten Tage der Verstorbenen und über die alten Zeiten,
deren Schicksal ihr den Heimgang aus dem irdischen Leben hatte leicht
werden lassen.




Fünftes Rapitel.

An einem der nächsten Tage, welche auf die Ankunft des den Fischern un¬
heimlichen Gastes in der Wirtschaft zum frischen Hering folgten, nahm Eberhardt
in der Frühe des Morgens unter der Linde sein Frühmal ein, wobei ihn der
Schwarze bediente, als sich von der andern Seite des Hauses ein Reiter näherte,
dem ein Reitknecht mit gelbem Gurt, hohem Hut und gelbrandigen Stulpen¬
stiefeln folgte.

Dieser Reiter war ein Mann von vorgerückten Jahren mit eisgrauen, kurz¬
gehaltenen Bart, doch von kerniger Gestalt und gutem Sitz, Man konnte leicht
an der stolzen Art, wie er den Kopf trug und die Zügel führte, an dem euer-


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[0117] Die Grafen von Altenschwerdt. Wäret ihr dort fern am Hudson in den reinlichen, stillen Niederlassungen lebendig begraben. Vielleicht — später, wenn ich einmal krank an Leib und Geist dar-- niedcrliegen sollte, vielleicht würden mir dann die stillen und frommen Gesichter von Springlakc als ein Heilmittel erscheinen, und vielleicht würde ich dann, wie meine Mutter that, meine Zuflucht zu jenem fernen Ruhewinkel nehmen. Aber für jetzt noch nicht. Hier in diesem Küstenlande sind meine Eltern, hier bin ich selber geboren, und dies Land, das ich jetzt zum erstenmale sehe, muß es mir angethan haben. Ich ziehe zwischen seinen Eichen und Buchen umher, male schlechte Bilder von Land und Meer und stehe ganz allein und fremd in meiner Heimat, aber doch ist es meine Heimat und doch fühle ich mich hier zu Hause, Der schwarze Diener folgte diesen Worten mit einem schwermütigen Lächeln und gedachte seines eignen Heimatlandes unter dem Äquator, von dem wohl die Erzählungen und Gesänge seines Volkes ihm Nachricht gegeben, das er selbst aber niemals mit Augen gesehen hatte. Und indem er der Sehnsucht gedachte, die ihn heimlich nach jenem nie erblickten Erdreich erfüllte, begriff er die Gefühle seines Herrn, Du, Andrew, fuhr Eberhardt fort, magst bei mir bleiben, wenn es dir gefällt, und du nicht etwa vorziehst, allein in das Thal des Hudson zurückzu¬ kehren, vielleicht ist ja die Zeit nicht fern, wo auch mich das neue Land wieder stärker anzieht als das' alte. Und dann würden wir beide zusammen hinübergehen. Ich bleibe bei meinem Herrn, sagte der Schwarze nach kurzem Besinnen. Eberhardt drückte ihm die Hand, und dann saßen die beiden Männer, die noch mehr durch die Bande der Freundschaft als durch das Band zwischen Herrn und Diener aneinander geknüpft waren, bis tief in die Nacht hinein im Gespräch über die letzten Tage der Verstorbenen und über die alten Zeiten, deren Schicksal ihr den Heimgang aus dem irdischen Leben hatte leicht werden lassen. Fünftes Rapitel. An einem der nächsten Tage, welche auf die Ankunft des den Fischern un¬ heimlichen Gastes in der Wirtschaft zum frischen Hering folgten, nahm Eberhardt in der Frühe des Morgens unter der Linde sein Frühmal ein, wobei ihn der Schwarze bediente, als sich von der andern Seite des Hauses ein Reiter näherte, dem ein Reitknecht mit gelbem Gurt, hohem Hut und gelbrandigen Stulpen¬ stiefeln folgte. Dieser Reiter war ein Mann von vorgerückten Jahren mit eisgrauen, kurz¬ gehaltenen Bart, doch von kerniger Gestalt und gutem Sitz, Man konnte leicht an der stolzen Art, wie er den Kopf trug und die Zügel führte, an dem euer-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 42, 1883, Erstes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341837_151310/117>, abgerufen am 22.07.2024.