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Die Grenzboten. Jg. 41, 1882, Erstes Quartal.

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Die Reform des englischen Parlaments.
von Wilhelm Hafdeich, (Schluß.)

enden wir uns von diesen Gedanken und Bestrebungen, die. so
kräftig sie much vertreten werden, wen" überhaupt, gewiß erst in
weiter Ferne auf Verwirklichung hoffe" dürfen, zu einer nüch¬
terneren Reform, für die man sich überall im Lande regt, um
auf das Kabinet einen Druck auszuüben. Wir meinen die
Gleichstellung des Wahlcensus für Grafschaft und vMmniLntÄr^ dorouglr.
Die Reformbill von 1867 hat die Kluft zwischen beiden nicht überbrückt. Im
borouAN hat der müudige Bewohner (Besitzer oder Mieter) eines Hauses eine
Stimme, sofern er im Jahre vor dem 15. Juli Armensteuer bezahlt hat, der
Aftermieter, wenn die Miete der nnmvblirten Wohnung 10 Pfund Sterling oder
mehr beträgt. Dagegen hat in der Grafschaft nur der Eigentümer eines Frei¬
gutes (lrvollolck), dessen Reinertrag 40 Schillinge und mehr beträgt, oder iver
ein Recht auf eine aus dem Ertrage eines Freigutes zu bezahlende Rente front-
olnu^g) von derselben Hohe hat, oder wer ein IlWvboIä oder voy^llolcl von
dem jährlichen Betrage von 5 Pfund Sterling entweder während des Lebens
einer Person oder für eine Periode von nicht weniger als 60 Jahren besitzt,
endlich der Mieter, dessen Miete zu 12 Pfund Sterling und mehr eingeschätzt
worden ist, eine Stimme für das Parlament. Dies sind die Grundlinien der
Wahlcensusbestinunungen. Dazu kommt eine zweite Differenz. Ein Hausbesitzer,
welcher im voron^it nicht ansässig ist, hat keine Stimme, während der Guts¬
besitzer in allen Wahlkreisen, in welchen er eins oder mehrere der eben gekenn-
zeichneten Güter besitzt, eine Stimme haben kaun. Die letzte Bestimmung hat
zu schweren Mißständen geführt. Eine große Menge der zur Ernährung einer
Familie unfähigen kleinen Gütchen in Irland ist geschaffen worden, um mehr
Stimmen für das Parlament zu erlangen. Die berühmten ü^ot-votörs in
Midlothinn, denen Gladstone in den stärksten Ausdrücken zusetzte, sind noch im
Gedächtnis aller, welche sich mit englischer Politik beschäftigen. Vor den letzten
Wahlen wurden aus Ställen fünfzehn zur Wahl in Middlesex berechtigende
rknt-olrÄrg'W geschaffen. Die Stimmen fielen den Söhnen verschiedner adlichcr
Familien zu. Den Sieg der Freihandelsprinzivien verdankt England in einigen
Bezirken derselben Taktik. Bright sagte im Jahre 1845, daß er 250 000 Pfund
Sterling, also 5 Millionen Mark für den Ankauf von "zonnt^-votss ausgegeben
habe. So erklärt sichs, daß Cobden sich im Jahre 1849 rühmen konnte, er
habe 6000 tre-onoläs im West-Riding von Uorkshire geschaffen.


Die Reform des englischen Parlaments.
von Wilhelm Hafdeich, (Schluß.)

enden wir uns von diesen Gedanken und Bestrebungen, die. so
kräftig sie much vertreten werden, wen» überhaupt, gewiß erst in
weiter Ferne auf Verwirklichung hoffe» dürfen, zu einer nüch¬
terneren Reform, für die man sich überall im Lande regt, um
auf das Kabinet einen Druck auszuüben. Wir meinen die
Gleichstellung des Wahlcensus für Grafschaft und vMmniLntÄr^ dorouglr.
Die Reformbill von 1867 hat die Kluft zwischen beiden nicht überbrückt. Im
borouAN hat der müudige Bewohner (Besitzer oder Mieter) eines Hauses eine
Stimme, sofern er im Jahre vor dem 15. Juli Armensteuer bezahlt hat, der
Aftermieter, wenn die Miete der nnmvblirten Wohnung 10 Pfund Sterling oder
mehr beträgt. Dagegen hat in der Grafschaft nur der Eigentümer eines Frei¬
gutes (lrvollolck), dessen Reinertrag 40 Schillinge und mehr beträgt, oder iver
ein Recht auf eine aus dem Ertrage eines Freigutes zu bezahlende Rente front-
olnu^g) von derselben Hohe hat, oder wer ein IlWvboIä oder voy^llolcl von
dem jährlichen Betrage von 5 Pfund Sterling entweder während des Lebens
einer Person oder für eine Periode von nicht weniger als 60 Jahren besitzt,
endlich der Mieter, dessen Miete zu 12 Pfund Sterling und mehr eingeschätzt
worden ist, eine Stimme für das Parlament. Dies sind die Grundlinien der
Wahlcensusbestinunungen. Dazu kommt eine zweite Differenz. Ein Hausbesitzer,
welcher im voron^it nicht ansässig ist, hat keine Stimme, während der Guts¬
besitzer in allen Wahlkreisen, in welchen er eins oder mehrere der eben gekenn-
zeichneten Güter besitzt, eine Stimme haben kaun. Die letzte Bestimmung hat
zu schweren Mißständen geführt. Eine große Menge der zur Ernährung einer
Familie unfähigen kleinen Gütchen in Irland ist geschaffen worden, um mehr
Stimmen für das Parlament zu erlangen. Die berühmten ü^ot-votörs in
Midlothinn, denen Gladstone in den stärksten Ausdrücken zusetzte, sind noch im
Gedächtnis aller, welche sich mit englischer Politik beschäftigen. Vor den letzten
Wahlen wurden aus Ställen fünfzehn zur Wahl in Middlesex berechtigende
rknt-olrÄrg'W geschaffen. Die Stimmen fielen den Söhnen verschiedner adlichcr
Familien zu. Den Sieg der Freihandelsprinzivien verdankt England in einigen
Bezirken derselben Taktik. Bright sagte im Jahre 1845, daß er 250 000 Pfund
Sterling, also 5 Millionen Mark für den Ankauf von «zonnt^-votss ausgegeben
habe. So erklärt sichs, daß Cobden sich im Jahre 1849 rühmen konnte, er
habe 6000 tre-onoläs im West-Riding von Uorkshire geschaffen.


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[0218] Die Reform des englischen Parlaments. von Wilhelm Hafdeich, (Schluß.) enden wir uns von diesen Gedanken und Bestrebungen, die. so kräftig sie much vertreten werden, wen» überhaupt, gewiß erst in weiter Ferne auf Verwirklichung hoffe» dürfen, zu einer nüch¬ terneren Reform, für die man sich überall im Lande regt, um auf das Kabinet einen Druck auszuüben. Wir meinen die Gleichstellung des Wahlcensus für Grafschaft und vMmniLntÄr^ dorouglr. Die Reformbill von 1867 hat die Kluft zwischen beiden nicht überbrückt. Im borouAN hat der müudige Bewohner (Besitzer oder Mieter) eines Hauses eine Stimme, sofern er im Jahre vor dem 15. Juli Armensteuer bezahlt hat, der Aftermieter, wenn die Miete der nnmvblirten Wohnung 10 Pfund Sterling oder mehr beträgt. Dagegen hat in der Grafschaft nur der Eigentümer eines Frei¬ gutes (lrvollolck), dessen Reinertrag 40 Schillinge und mehr beträgt, oder iver ein Recht auf eine aus dem Ertrage eines Freigutes zu bezahlende Rente front- olnu^g) von derselben Hohe hat, oder wer ein IlWvboIä oder voy^llolcl von dem jährlichen Betrage von 5 Pfund Sterling entweder während des Lebens einer Person oder für eine Periode von nicht weniger als 60 Jahren besitzt, endlich der Mieter, dessen Miete zu 12 Pfund Sterling und mehr eingeschätzt worden ist, eine Stimme für das Parlament. Dies sind die Grundlinien der Wahlcensusbestinunungen. Dazu kommt eine zweite Differenz. Ein Hausbesitzer, welcher im voron^it nicht ansässig ist, hat keine Stimme, während der Guts¬ besitzer in allen Wahlkreisen, in welchen er eins oder mehrere der eben gekenn- zeichneten Güter besitzt, eine Stimme haben kaun. Die letzte Bestimmung hat zu schweren Mißständen geführt. Eine große Menge der zur Ernährung einer Familie unfähigen kleinen Gütchen in Irland ist geschaffen worden, um mehr Stimmen für das Parlament zu erlangen. Die berühmten ü^ot-votörs in Midlothinn, denen Gladstone in den stärksten Ausdrücken zusetzte, sind noch im Gedächtnis aller, welche sich mit englischer Politik beschäftigen. Vor den letzten Wahlen wurden aus Ställen fünfzehn zur Wahl in Middlesex berechtigende rknt-olrÄrg'W geschaffen. Die Stimmen fielen den Söhnen verschiedner adlichcr Familien zu. Den Sieg der Freihandelsprinzivien verdankt England in einigen Bezirken derselben Taktik. Bright sagte im Jahre 1845, daß er 250 000 Pfund Sterling, also 5 Millionen Mark für den Ankauf von «zonnt^-votss ausgegeben habe. So erklärt sichs, daß Cobden sich im Jahre 1849 rühmen konnte, er habe 6000 tre-onoläs im West-Riding von Uorkshire geschaffen.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 41, 1882, Erstes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341835_89804/218>, abgerufen am 28.06.2024.