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Die Grenzboten. Jg. 41, 1882, Drittes Quartal.

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Der jüngste Tag.
Von Ldmcird Gggleston.

(Fortsetzung.)

arauf fühlte Julia sich besser. Haß ist das einzig Heilsame in
einem solchen Stalle. Sie schob HumphreyS heftig beiseite, stieg
auf das Sopha, schlüpfte in das Fenster und verschloß es. Sie
zog den Vorhang zu, aber er schien dünn und durchsichtig, und
mit der ihr eigenen Hast blies sie ihr Licht ans, um den freund¬
lichen Vorhang der Dunkelheit um sich zu haben. Sie hörte den leisen Tritt
HumphreyS', als er ans sein Zimmer zurückkehrte -- zum erstenmale kam er ihr
als verstohlener Tritt vor.

Ob sie in Ohnmacht siel, oder ob sie schlief nach diesem Auftritte, kam ihr
nicht zum Bewußtsein. Es war Morgen, ohne alle Zwischenzeit, als sie erwachte.
Sie hatte Kopfweh und konnte kaum gehen, und dort lag Augusts Brief am
Boden. Sie las ihn noch einmal -- wenn nicht mit mehr Verständnis, wenigstens
mit mehr Mißtrauen. Sie wunderte sich über ihr hastiges Verfahren. Sie
versuchte im Hause umherzugehen, aber die Aufregung der vergangenen Nacht,
nach alledem, was sie in den letzten Tagen erlitten, hatte ihr einen Kopfschmerz
zugezogen, der sie so blendete und lähmte, daß sie sich wieder hinlegen mußte.

Da lag sie denn in dein halb schlafende!?, halb wachen Zustande, den ein
nervöser Kopfschmerz hervorbringt. ES war ihr, als ob sie eine Fliege in einem
Spinnengewebe wäre, und als ob die Spinne sie festzuspinueu versuchte. Es
war eine sehr höfliche Spinne mit jenem Lächeln, das bis zur Hälfte ihres Ge¬
sichts hinaufging, aber niemals ihre Augen erreichen zu können schien. Sie hatte
Strippen an ihren Beinkleidern und einen rötlichen Schnurrbart, und Julia schau¬
derte, als sie von ihren feinen Fäden umwunden wurde. Sie versuchte das Schein-
gebilde vou sich abzuschütteln. Aber je abgeschmackter ein Scheingebilde ist, desto
schwerer wird man eS los. Denn siehe da! Die Spinne küßte ihr die Hand.
Dann war es ihr, als Hütte sie mit großer Anstrengung das Gewebe durch-




Der jüngste Tag.
Von Ldmcird Gggleston.

(Fortsetzung.)

arauf fühlte Julia sich besser. Haß ist das einzig Heilsame in
einem solchen Stalle. Sie schob HumphreyS heftig beiseite, stieg
auf das Sopha, schlüpfte in das Fenster und verschloß es. Sie
zog den Vorhang zu, aber er schien dünn und durchsichtig, und
mit der ihr eigenen Hast blies sie ihr Licht ans, um den freund¬
lichen Vorhang der Dunkelheit um sich zu haben. Sie hörte den leisen Tritt
HumphreyS', als er ans sein Zimmer zurückkehrte — zum erstenmale kam er ihr
als verstohlener Tritt vor.

Ob sie in Ohnmacht siel, oder ob sie schlief nach diesem Auftritte, kam ihr
nicht zum Bewußtsein. Es war Morgen, ohne alle Zwischenzeit, als sie erwachte.
Sie hatte Kopfweh und konnte kaum gehen, und dort lag Augusts Brief am
Boden. Sie las ihn noch einmal — wenn nicht mit mehr Verständnis, wenigstens
mit mehr Mißtrauen. Sie wunderte sich über ihr hastiges Verfahren. Sie
versuchte im Hause umherzugehen, aber die Aufregung der vergangenen Nacht,
nach alledem, was sie in den letzten Tagen erlitten, hatte ihr einen Kopfschmerz
zugezogen, der sie so blendete und lähmte, daß sie sich wieder hinlegen mußte.

Da lag sie denn in dein halb schlafende!?, halb wachen Zustande, den ein
nervöser Kopfschmerz hervorbringt. ES war ihr, als ob sie eine Fliege in einem
Spinnengewebe wäre, und als ob die Spinne sie festzuspinueu versuchte. Es
war eine sehr höfliche Spinne mit jenem Lächeln, das bis zur Hälfte ihres Ge¬
sichts hinaufging, aber niemals ihre Augen erreichen zu können schien. Sie hatte
Strippen an ihren Beinkleidern und einen rötlichen Schnurrbart, und Julia schau¬
derte, als sie von ihren feinen Fäden umwunden wurde. Sie versuchte das Schein-
gebilde vou sich abzuschütteln. Aber je abgeschmackter ein Scheingebilde ist, desto
schwerer wird man eS los. Denn siehe da! Die Spinne küßte ihr die Hand.
Dann war es ihr, als Hütte sie mit großer Anstrengung das Gewebe durch-


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[0436] [Abbildung] Der jüngste Tag. Von Ldmcird Gggleston. (Fortsetzung.) arauf fühlte Julia sich besser. Haß ist das einzig Heilsame in einem solchen Stalle. Sie schob HumphreyS heftig beiseite, stieg auf das Sopha, schlüpfte in das Fenster und verschloß es. Sie zog den Vorhang zu, aber er schien dünn und durchsichtig, und mit der ihr eigenen Hast blies sie ihr Licht ans, um den freund¬ lichen Vorhang der Dunkelheit um sich zu haben. Sie hörte den leisen Tritt HumphreyS', als er ans sein Zimmer zurückkehrte — zum erstenmale kam er ihr als verstohlener Tritt vor. Ob sie in Ohnmacht siel, oder ob sie schlief nach diesem Auftritte, kam ihr nicht zum Bewußtsein. Es war Morgen, ohne alle Zwischenzeit, als sie erwachte. Sie hatte Kopfweh und konnte kaum gehen, und dort lag Augusts Brief am Boden. Sie las ihn noch einmal — wenn nicht mit mehr Verständnis, wenigstens mit mehr Mißtrauen. Sie wunderte sich über ihr hastiges Verfahren. Sie versuchte im Hause umherzugehen, aber die Aufregung der vergangenen Nacht, nach alledem, was sie in den letzten Tagen erlitten, hatte ihr einen Kopfschmerz zugezogen, der sie so blendete und lähmte, daß sie sich wieder hinlegen mußte. Da lag sie denn in dein halb schlafende!?, halb wachen Zustande, den ein nervöser Kopfschmerz hervorbringt. ES war ihr, als ob sie eine Fliege in einem Spinnengewebe wäre, und als ob die Spinne sie festzuspinueu versuchte. Es war eine sehr höfliche Spinne mit jenem Lächeln, das bis zur Hälfte ihres Ge¬ sichts hinaufging, aber niemals ihre Augen erreichen zu können schien. Sie hatte Strippen an ihren Beinkleidern und einen rötlichen Schnurrbart, und Julia schau¬ derte, als sie von ihren feinen Fäden umwunden wurde. Sie versuchte das Schein- gebilde vou sich abzuschütteln. Aber je abgeschmackter ein Scheingebilde ist, desto schwerer wird man eS los. Denn siehe da! Die Spinne küßte ihr die Hand. Dann war es ihr, als Hütte sie mit großer Anstrengung das Gewebe durch-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 41, 1882, Drittes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341835_193340/436>, abgerufen am 29.06.2024.