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Die Grenzboten. Jg. 41, 1882, Drittes Quartal.

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Hero und Leander.

In dieser Hinsicht möchte Hermann Habenicht wohl fruchtbringende Anregung
gegeben haben.

Habenicht's erste Publikation seiner Theorie, begleitet von 18 Kartenbildern,
erschien in französischer Übersetzung in der Pariser geographischen Zeitschrift
IZxxloratkur. Drei Aufsätze: über die Dilnvialmeere und die Eiszeiten, über
einige geologische Denkmale, welche gegen Lyells Naturgesetze sprechen, und über
die moderne Naturphilosophie brachte das "Ausland" 1877, 1878 und 1879.
Von 1876--1881 erschienen ferner Aufsätze mit Karten in "Petcrmanns Mit¬
teilungen" unter den Titeln "Die Verbreitung der sedimentären Formationen in
Europa," "Europa während der beiden Eiszeiten" und "Die Grundzüge im
geologischen Bau Europas." Endlich 1882: "Übersicht der hauptsächlichsten
rezenten Veränderungen der Erdoberfläche," Karte mit Druckschrift.




Hero und Leander.

er hat nicht Schillers Hero und Leander gelesen? Wen hat nicht
der Heldenmut des Jünglings zur Bewunderung hingerissen, der
bei nächtlicher Weile über das Meer schwimmt, um die Geliebte
aufzusuchen, und der größere der Jungfrau, die auch im Tode
sich uicht vou dem Geliebten trennen mag? Es ist ein Stück
reinster Romantik mitten im Altertum, dieser Lobgesnng auf die Liebe, welcher
in der Erzählung liegt, daß ein Jüngling, um sich mit der Geliebten zu ver¬
einigen, den Wogenschwall jener Meerenge überwindet, die zwei Weltteile trennt:


Asien riß sie von Europen,
Doch die Liebe schreckt sie nicht.

Ein dämonisches Fleckchen Erde ist dieser Hellespont. Die älteste Sage, in
die sein Name verwoben ist, ist die von Phrixos und Helle, die auf dem Widder
mit dem goldnen Vließe ihrer bösen Stiefmutter Imo zu entkommen suchen; aber
uur Phrixos rettete sich, Helle glitt auf jener Meerenge vom Widder herab und
versank in dem Wasser, dem sie den Namen gab: der Hellespont oder Sund
der Helle. Lauge darauf zog mit großer Heeresmacht König Dareios über den
Hellespont nach Europa und weiter nach Norden über die Dounu, um die
wildeu Skythen zu unterwerfen. Wäre er nicht so weise gewesen, das Schicksal
zu verstehen, so würde auch ihm dieser Zug über den Hellespont das Verderben
gebracht haben; seine Weisheit bewog ihn, über den Sund zurückzukehren und
so dem Untergange zu entrinnen. Wäre doch Xerxes ebenso weise gewesen!


Hero und Leander.

In dieser Hinsicht möchte Hermann Habenicht wohl fruchtbringende Anregung
gegeben haben.

Habenicht's erste Publikation seiner Theorie, begleitet von 18 Kartenbildern,
erschien in französischer Übersetzung in der Pariser geographischen Zeitschrift
IZxxloratkur. Drei Aufsätze: über die Dilnvialmeere und die Eiszeiten, über
einige geologische Denkmale, welche gegen Lyells Naturgesetze sprechen, und über
die moderne Naturphilosophie brachte das „Ausland" 1877, 1878 und 1879.
Von 1876—1881 erschienen ferner Aufsätze mit Karten in „Petcrmanns Mit¬
teilungen" unter den Titeln „Die Verbreitung der sedimentären Formationen in
Europa," „Europa während der beiden Eiszeiten" und „Die Grundzüge im
geologischen Bau Europas." Endlich 1882: „Übersicht der hauptsächlichsten
rezenten Veränderungen der Erdoberfläche," Karte mit Druckschrift.




Hero und Leander.

er hat nicht Schillers Hero und Leander gelesen? Wen hat nicht
der Heldenmut des Jünglings zur Bewunderung hingerissen, der
bei nächtlicher Weile über das Meer schwimmt, um die Geliebte
aufzusuchen, und der größere der Jungfrau, die auch im Tode
sich uicht vou dem Geliebten trennen mag? Es ist ein Stück
reinster Romantik mitten im Altertum, dieser Lobgesnng auf die Liebe, welcher
in der Erzählung liegt, daß ein Jüngling, um sich mit der Geliebten zu ver¬
einigen, den Wogenschwall jener Meerenge überwindet, die zwei Weltteile trennt:


Asien riß sie von Europen,
Doch die Liebe schreckt sie nicht.

Ein dämonisches Fleckchen Erde ist dieser Hellespont. Die älteste Sage, in
die sein Name verwoben ist, ist die von Phrixos und Helle, die auf dem Widder
mit dem goldnen Vließe ihrer bösen Stiefmutter Imo zu entkommen suchen; aber
uur Phrixos rettete sich, Helle glitt auf jener Meerenge vom Widder herab und
versank in dem Wasser, dem sie den Namen gab: der Hellespont oder Sund
der Helle. Lauge darauf zog mit großer Heeresmacht König Dareios über den
Hellespont nach Europa und weiter nach Norden über die Dounu, um die
wildeu Skythen zu unterwerfen. Wäre er nicht so weise gewesen, das Schicksal
zu verstehen, so würde auch ihm dieser Zug über den Hellespont das Verderben
gebracht haben; seine Weisheit bewog ihn, über den Sund zurückzukehren und
so dem Untergange zu entrinnen. Wäre doch Xerxes ebenso weise gewesen!


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[0419] Hero und Leander. In dieser Hinsicht möchte Hermann Habenicht wohl fruchtbringende Anregung gegeben haben. Habenicht's erste Publikation seiner Theorie, begleitet von 18 Kartenbildern, erschien in französischer Übersetzung in der Pariser geographischen Zeitschrift IZxxloratkur. Drei Aufsätze: über die Dilnvialmeere und die Eiszeiten, über einige geologische Denkmale, welche gegen Lyells Naturgesetze sprechen, und über die moderne Naturphilosophie brachte das „Ausland" 1877, 1878 und 1879. Von 1876—1881 erschienen ferner Aufsätze mit Karten in „Petcrmanns Mit¬ teilungen" unter den Titeln „Die Verbreitung der sedimentären Formationen in Europa," „Europa während der beiden Eiszeiten" und „Die Grundzüge im geologischen Bau Europas." Endlich 1882: „Übersicht der hauptsächlichsten rezenten Veränderungen der Erdoberfläche," Karte mit Druckschrift. Hero und Leander. er hat nicht Schillers Hero und Leander gelesen? Wen hat nicht der Heldenmut des Jünglings zur Bewunderung hingerissen, der bei nächtlicher Weile über das Meer schwimmt, um die Geliebte aufzusuchen, und der größere der Jungfrau, die auch im Tode sich uicht vou dem Geliebten trennen mag? Es ist ein Stück reinster Romantik mitten im Altertum, dieser Lobgesnng auf die Liebe, welcher in der Erzählung liegt, daß ein Jüngling, um sich mit der Geliebten zu ver¬ einigen, den Wogenschwall jener Meerenge überwindet, die zwei Weltteile trennt: Asien riß sie von Europen, Doch die Liebe schreckt sie nicht. Ein dämonisches Fleckchen Erde ist dieser Hellespont. Die älteste Sage, in die sein Name verwoben ist, ist die von Phrixos und Helle, die auf dem Widder mit dem goldnen Vließe ihrer bösen Stiefmutter Imo zu entkommen suchen; aber uur Phrixos rettete sich, Helle glitt auf jener Meerenge vom Widder herab und versank in dem Wasser, dem sie den Namen gab: der Hellespont oder Sund der Helle. Lauge darauf zog mit großer Heeresmacht König Dareios über den Hellespont nach Europa und weiter nach Norden über die Dounu, um die wildeu Skythen zu unterwerfen. Wäre er nicht so weise gewesen, das Schicksal zu verstehen, so würde auch ihm dieser Zug über den Hellespont das Verderben gebracht haben; seine Weisheit bewog ihn, über den Sund zurückzukehren und so dem Untergange zu entrinnen. Wäre doch Xerxes ebenso weise gewesen!

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 41, 1882, Drittes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341835_193340/419>, abgerufen am 29.06.2024.