Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 41, 1882, Drittes Quartal.

Bild:
<< vorherige Seite


Vakchen und Thyrsosträger.
Roma" von August Nie manu



Das Recht der Überschuna vvrbe-
halten, Nachdruck Verbote",

(Schlnsj )

in Tage darauf, als die früh untergehende Sonne ihre letzten
Strahlen in das stille Gerlach warf, nahm Ephraim das Gespräch
von neuem auf.

Mein Vater, sagte er, erscheint dir nicht auch die äußere An¬
ordnung unsrer Organe als bedeutungsvoll für den geistigen Gehalt
ihrer selbst und im Zusammenhange mit der ganze" Schöpfung?

Der Vater sah mit innigem Kummer die glänzenden Augen, das durchsichtige
Antlitz und die magern Hände des kranken Sohnes.

Dn solltest dich nicht mit diesen schwierige" fragen quälen, mein armes
Kind, entgegnete er. Dn bist so schwach und strengst dich zu sehr an.

Wie? Ist Euenos kein Philosoph? fragte Ephraim lächelnd.

Philosoph wohl, aber auch nater, entgegnete der Alte.

Laß doch sehe", was ein Philosoph ist, sagte Ephraim. Ist das Philo
sovhiren wohl etwas andres als das Nachdenken über den Tod? Und könnte
dein, welcher recht nachdenkt, der Tod wohl anders als freundlich erscheinen?
Euripides sagt: Wer weiß, ob nicht das Leben nur ein Sterben ist, das Sterben
aber Leben? Dn meinst, ich beschleunigte meine nahe Auflösung, ich aber wieder¬
hole mir mit Freuden die Worte deines alten Freundes Sokrntes: Die Schwäne,
wenn sie suhlen, daß sie sterben müssen, singen, frohlockend, daß sie zu dein
Gotte von binnen gehen, in dessen Dienst sie stehen. Die Mensche" aber, in
ihrer Furcht vor dem Tode, lügen auch über die Schwäne und sage", deu Tod
beklagend sängen sie aus Leid, und bedenken nicht, daß kein Vogel singt, wenn
er hungert oder friert oder in Furcht ist. Aber nicht von Leid betroffen singen
die Schweine, sondern als dem Apollo geweiht, denke ich, sind sie seherkräftig,
und die Güter im Hades voranserkenuend singen sie und vergnügen sich. Ich
aber denke ein Dienstgenvsse der Schwäne zu sein und demselben Gotte geweiht.




Vakchen und Thyrsosträger.
Roma» von August Nie manu



Das Recht der Überschuna vvrbe-
halten, Nachdruck Verbote»,

(Schlnsj )

in Tage darauf, als die früh untergehende Sonne ihre letzten
Strahlen in das stille Gerlach warf, nahm Ephraim das Gespräch
von neuem auf.

Mein Vater, sagte er, erscheint dir nicht auch die äußere An¬
ordnung unsrer Organe als bedeutungsvoll für den geistigen Gehalt
ihrer selbst und im Zusammenhange mit der ganze» Schöpfung?

Der Vater sah mit innigem Kummer die glänzenden Augen, das durchsichtige
Antlitz und die magern Hände des kranken Sohnes.

Dn solltest dich nicht mit diesen schwierige» fragen quälen, mein armes
Kind, entgegnete er. Dn bist so schwach und strengst dich zu sehr an.

Wie? Ist Euenos kein Philosoph? fragte Ephraim lächelnd.

Philosoph wohl, aber auch nater, entgegnete der Alte.

Laß doch sehe», was ein Philosoph ist, sagte Ephraim. Ist das Philo
sovhiren wohl etwas andres als das Nachdenken über den Tod? Und könnte
dein, welcher recht nachdenkt, der Tod wohl anders als freundlich erscheinen?
Euripides sagt: Wer weiß, ob nicht das Leben nur ein Sterben ist, das Sterben
aber Leben? Dn meinst, ich beschleunigte meine nahe Auflösung, ich aber wieder¬
hole mir mit Freuden die Worte deines alten Freundes Sokrntes: Die Schwäne,
wenn sie suhlen, daß sie sterben müssen, singen, frohlockend, daß sie zu dein
Gotte von binnen gehen, in dessen Dienst sie stehen. Die Mensche» aber, in
ihrer Furcht vor dem Tode, lügen auch über die Schwäne und sage», deu Tod
beklagend sängen sie aus Leid, und bedenken nicht, daß kein Vogel singt, wenn
er hungert oder friert oder in Furcht ist. Aber nicht von Leid betroffen singen
die Schweine, sondern als dem Apollo geweiht, denke ich, sind sie seherkräftig,
und die Güter im Hades voranserkenuend singen sie und vergnügen sich. Ich
aber denke ein Dienstgenvsse der Schwäne zu sein und demselben Gotte geweiht.


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0192" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/193533"/>
          <figure facs="http://media.dwds.de/dta/images/grenzboten_341835_193340/figures/grenzboten_341835_193340_193533_000.jpg"/><lb/>
        </div>
        <div n="1">
          <head> Vakchen und Thyrsosträger.<lb/><note type="byline"> Roma» von August Nie manu</note></head><lb/>
          <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
          <quote type="epigraph"> Das Recht der Überschuna vvrbe-<lb/>
halten,  Nachdruck Verbote»,</quote><lb/>
          <p xml:id="ID_604"> (Schlnsj )</p><lb/>
          <p xml:id="ID_605"> in Tage darauf, als die früh untergehende Sonne ihre letzten<lb/>
Strahlen in das stille Gerlach warf, nahm Ephraim das Gespräch<lb/>
von neuem auf.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_606"> Mein Vater, sagte er, erscheint dir nicht auch die äußere An¬<lb/>
ordnung unsrer Organe als bedeutungsvoll für den geistigen Gehalt<lb/>
ihrer selbst und im Zusammenhange mit der ganze» Schöpfung?</p><lb/>
          <p xml:id="ID_607"> Der Vater sah mit innigem Kummer die glänzenden Augen, das durchsichtige<lb/>
Antlitz und die magern Hände des kranken Sohnes.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_608"> Dn solltest dich nicht mit diesen schwierige» fragen quälen, mein armes<lb/>
Kind, entgegnete er.  Dn bist so schwach und strengst dich zu sehr an.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_609"> Wie? Ist Euenos kein Philosoph? fragte Ephraim lächelnd.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_610"> Philosoph wohl, aber auch nater, entgegnete der Alte.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_611" next="#ID_612"> Laß doch sehe», was ein Philosoph ist, sagte Ephraim.  Ist das Philo<lb/>
sovhiren wohl etwas andres als das Nachdenken über den Tod? Und könnte<lb/>
dein, welcher recht nachdenkt, der Tod wohl anders als freundlich erscheinen?<lb/>
Euripides sagt: Wer weiß, ob nicht das Leben nur ein Sterben ist, das Sterben<lb/>
aber Leben? Dn meinst, ich beschleunigte meine nahe Auflösung, ich aber wieder¬<lb/>
hole mir mit Freuden die Worte deines alten Freundes Sokrntes: Die Schwäne,<lb/>
wenn sie suhlen, daß sie sterben müssen, singen, frohlockend, daß sie zu dein<lb/>
Gotte von binnen gehen, in dessen Dienst sie stehen.  Die Mensche» aber, in<lb/>
ihrer Furcht vor dem Tode, lügen auch über die Schwäne und sage», deu Tod<lb/>
beklagend sängen sie aus Leid, und bedenken nicht, daß kein Vogel singt, wenn<lb/>
er hungert oder friert oder in Furcht ist. Aber nicht von Leid betroffen singen<lb/>
die Schweine, sondern als dem Apollo geweiht, denke ich, sind sie seherkräftig,<lb/>
und die Güter im Hades voranserkenuend singen sie und vergnügen sich. Ich<lb/>
aber denke ein Dienstgenvsse der Schwäne zu sein und demselben Gotte geweiht.</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0192] [Abbildung] Vakchen und Thyrsosträger. Roma» von August Nie manu Das Recht der Überschuna vvrbe- halten, Nachdruck Verbote», (Schlnsj ) in Tage darauf, als die früh untergehende Sonne ihre letzten Strahlen in das stille Gerlach warf, nahm Ephraim das Gespräch von neuem auf. Mein Vater, sagte er, erscheint dir nicht auch die äußere An¬ ordnung unsrer Organe als bedeutungsvoll für den geistigen Gehalt ihrer selbst und im Zusammenhange mit der ganze» Schöpfung? Der Vater sah mit innigem Kummer die glänzenden Augen, das durchsichtige Antlitz und die magern Hände des kranken Sohnes. Dn solltest dich nicht mit diesen schwierige» fragen quälen, mein armes Kind, entgegnete er. Dn bist so schwach und strengst dich zu sehr an. Wie? Ist Euenos kein Philosoph? fragte Ephraim lächelnd. Philosoph wohl, aber auch nater, entgegnete der Alte. Laß doch sehe», was ein Philosoph ist, sagte Ephraim. Ist das Philo sovhiren wohl etwas andres als das Nachdenken über den Tod? Und könnte dein, welcher recht nachdenkt, der Tod wohl anders als freundlich erscheinen? Euripides sagt: Wer weiß, ob nicht das Leben nur ein Sterben ist, das Sterben aber Leben? Dn meinst, ich beschleunigte meine nahe Auflösung, ich aber wieder¬ hole mir mit Freuden die Worte deines alten Freundes Sokrntes: Die Schwäne, wenn sie suhlen, daß sie sterben müssen, singen, frohlockend, daß sie zu dein Gotte von binnen gehen, in dessen Dienst sie stehen. Die Mensche» aber, in ihrer Furcht vor dem Tode, lügen auch über die Schwäne und sage», deu Tod beklagend sängen sie aus Leid, und bedenken nicht, daß kein Vogel singt, wenn er hungert oder friert oder in Furcht ist. Aber nicht von Leid betroffen singen die Schweine, sondern als dem Apollo geweiht, denke ich, sind sie seherkräftig, und die Güter im Hades voranserkenuend singen sie und vergnügen sich. Ich aber denke ein Dienstgenvsse der Schwäne zu sein und demselben Gotte geweiht.

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341835_193340
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341835_193340/192
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 41, 1882, Drittes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341835_193340/192>, abgerufen am 29.06.2024.