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Die Grenzboten. Jg. 40, 1881, Drittes Quartal.

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Literatur.

durchwandert und offnen Auges Land und Leute beobachtet und gründlich kennen
gelernt, und da er den wichtigsten wie den kleinsten Erscheinungen im Natur- und
Menschenleben ein gleich warmes Interesse entgegenbringt und mit feinem Sinn
in einfacher, ungesuchter Darstellung seine Eindrücke und Beobachtungen wiedergiebt,
so wirken seine Schilderungen wie der Reiz der Natur selbst. Ungesucht ergeben
sich ihm Betrachtungen, sei es über die freisinnige Staatsverfassung des Landes
und die politischen Bestrebungen der Parteien, sei es über die künstlerischen, lite¬
rarischen und commerciellen Verhältnisse der Bevölkerung. Kein Gebiet bleibt un¬
berührt, und auf jedem erweist sich Paffarge als ein wohlunterrichteter und an¬
regender Führer. -- Verschieden von beiden Werken ist folgendes Buch:


Ostfriesland. Land und Volk in Wort und Bild von I. Fr. de Vries und Th. Forken.
Emden, Haynel, 1331.

Die Verfasser suche" in wissenschaftlicher Weise ein geographisch-historisch-stati-
stisches Bild ihrer Heimat in schlichter Darstellung zu geben. Mit der Lage, Um¬
grenzung und Größe des Landes beginnend, behandeln sie den Boden, die klima¬
tischen Verhältnisse, die Thier- und Pflanzenwelt, die Bevölkerung, die verschiednen
Erwerbszweige der Bewohner, Kirche und Schule und vervollständigen durch sta¬
tistische Mittheilungen, welche zuverlässigen Quellen entnommen sind, durch Illu¬
strationen und Karten das getrene Bild, das sie uns von der wenig gekannten
Provinz unsers Vaterlandes und ihrer Bevölkerung entwerfen. -- Nicht sehr be¬
friedigt haben uus die


Bilder aus dem chinesischen Leben mit besondrer Rücksicht auf Sitten und Gebräuche
von Leopold Kätscher. Leipzig und Heidelberg, C. F. Winter, 1881.

Kätscher kennt China nicht aus eigner Anschauung, sondern folgt in der Haupt¬
sache John Henry Graph tübiim: ^. nistorv ok tbs tuos, manne-rs auel onstoms ok
tbs xooxlö. Sich selbst legt er das Verdienst bei, den Stoff jenes Buches, das er
weitschweifig und trocken nennt, durch feilte Bearbeitung genießbar gemacht zu haben.
"Was bei mir zusammenhängend erscheint," sagt er in der Vorrede, "mußte ich
jedesmal aus deu verschiednen Capiteln Graph zusammenwürfeln (sie,). Die ganze
redactionelle Arbeit -- Stil, schriftstellerisch-technische Darstellung, Capitelnnordnuug,
Abschnitteintheilung -- ist ausschließlich mein Eigenthum." Eine ganze Reihe von
Abschnitten -- welche, sagt er nicht -- vindicirt Kätscher seiner Urheberschaft. Seit
Jahren, erklärt er, habe er in Monatsschriften, Wochenblättern und Tageszeitungen
viele größere und kleinere Arbeiten über chinesische Dinge veröffentlicht, die er zum
Theil in das vorliegende Werk aufgenommen habe. Leider ist damit, daß Kätscher
bereits mancherlei über China geschrieben hat, der Werth der von ihm herrührende"
Abschnitte nicht erwiesen. Mindestens war es doch nothwendig, die Hilfsmittel an¬
zugeben, wie mich verlangt werden konnte, daß Graph Eigenthum bei deu einzelnen
Capiteln genan hervorgehoben wurde. Die Darstellung verdient genau dieselbe
Rüge, die Kätscher seiner Quelle ertheilt: sie ist trocken und zusammenhangslos, der
Ausdruck überdies oft flüchtig. Man vergleiche z.B. S. 8: "Da die Hausmauern
auf der Straßenseite keine Fenster haben, ähneln die Häuser (?) nicht selten Feld¬
lagern." S. 10: "Um die Folgen (soll heißen: Ausdehnung) der Feuersbrünste
möglichst zu mildern (soll heißen: beschränken), wenden die Chinesen allerlei Vor¬
sichtsmaßregeln an. In vielen Straßen ihrer Städte befinden sich Brunnen" n. s. s.
Auch Provinzialismen gehören nicht zu den Seltenheiten. So ist S. 232 von
einem Zustandebringer (!) leichenschäuderischer Todteugräber die Rede, dem eine
Belohnung ausgesetzt wird.


Literatur.

durchwandert und offnen Auges Land und Leute beobachtet und gründlich kennen
gelernt, und da er den wichtigsten wie den kleinsten Erscheinungen im Natur- und
Menschenleben ein gleich warmes Interesse entgegenbringt und mit feinem Sinn
in einfacher, ungesuchter Darstellung seine Eindrücke und Beobachtungen wiedergiebt,
so wirken seine Schilderungen wie der Reiz der Natur selbst. Ungesucht ergeben
sich ihm Betrachtungen, sei es über die freisinnige Staatsverfassung des Landes
und die politischen Bestrebungen der Parteien, sei es über die künstlerischen, lite¬
rarischen und commerciellen Verhältnisse der Bevölkerung. Kein Gebiet bleibt un¬
berührt, und auf jedem erweist sich Paffarge als ein wohlunterrichteter und an¬
regender Führer. — Verschieden von beiden Werken ist folgendes Buch:


Ostfriesland. Land und Volk in Wort und Bild von I. Fr. de Vries und Th. Forken.
Emden, Haynel, 1331.

Die Verfasser suche» in wissenschaftlicher Weise ein geographisch-historisch-stati-
stisches Bild ihrer Heimat in schlichter Darstellung zu geben. Mit der Lage, Um¬
grenzung und Größe des Landes beginnend, behandeln sie den Boden, die klima¬
tischen Verhältnisse, die Thier- und Pflanzenwelt, die Bevölkerung, die verschiednen
Erwerbszweige der Bewohner, Kirche und Schule und vervollständigen durch sta¬
tistische Mittheilungen, welche zuverlässigen Quellen entnommen sind, durch Illu¬
strationen und Karten das getrene Bild, das sie uns von der wenig gekannten
Provinz unsers Vaterlandes und ihrer Bevölkerung entwerfen. — Nicht sehr be¬
friedigt haben uus die


Bilder aus dem chinesischen Leben mit besondrer Rücksicht auf Sitten und Gebräuche
von Leopold Kätscher. Leipzig und Heidelberg, C. F. Winter, 1881.

Kätscher kennt China nicht aus eigner Anschauung, sondern folgt in der Haupt¬
sache John Henry Graph tübiim: ^. nistorv ok tbs tuos, manne-rs auel onstoms ok
tbs xooxlö. Sich selbst legt er das Verdienst bei, den Stoff jenes Buches, das er
weitschweifig und trocken nennt, durch feilte Bearbeitung genießbar gemacht zu haben.
„Was bei mir zusammenhängend erscheint," sagt er in der Vorrede, „mußte ich
jedesmal aus deu verschiednen Capiteln Graph zusammenwürfeln (sie,). Die ganze
redactionelle Arbeit — Stil, schriftstellerisch-technische Darstellung, Capitelnnordnuug,
Abschnitteintheilung — ist ausschließlich mein Eigenthum." Eine ganze Reihe von
Abschnitten — welche, sagt er nicht — vindicirt Kätscher seiner Urheberschaft. Seit
Jahren, erklärt er, habe er in Monatsschriften, Wochenblättern und Tageszeitungen
viele größere und kleinere Arbeiten über chinesische Dinge veröffentlicht, die er zum
Theil in das vorliegende Werk aufgenommen habe. Leider ist damit, daß Kätscher
bereits mancherlei über China geschrieben hat, der Werth der von ihm herrührende»
Abschnitte nicht erwiesen. Mindestens war es doch nothwendig, die Hilfsmittel an¬
zugeben, wie mich verlangt werden konnte, daß Graph Eigenthum bei deu einzelnen
Capiteln genan hervorgehoben wurde. Die Darstellung verdient genau dieselbe
Rüge, die Kätscher seiner Quelle ertheilt: sie ist trocken und zusammenhangslos, der
Ausdruck überdies oft flüchtig. Man vergleiche z.B. S. 8: „Da die Hausmauern
auf der Straßenseite keine Fenster haben, ähneln die Häuser (?) nicht selten Feld¬
lagern." S. 10: „Um die Folgen (soll heißen: Ausdehnung) der Feuersbrünste
möglichst zu mildern (soll heißen: beschränken), wenden die Chinesen allerlei Vor¬
sichtsmaßregeln an. In vielen Straßen ihrer Städte befinden sich Brunnen" n. s. s.
Auch Provinzialismen gehören nicht zu den Seltenheiten. So ist S. 232 von
einem Zustandebringer (!) leichenschäuderischer Todteugräber die Rede, dem eine
Belohnung ausgesetzt wird.


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[0351] Literatur. durchwandert und offnen Auges Land und Leute beobachtet und gründlich kennen gelernt, und da er den wichtigsten wie den kleinsten Erscheinungen im Natur- und Menschenleben ein gleich warmes Interesse entgegenbringt und mit feinem Sinn in einfacher, ungesuchter Darstellung seine Eindrücke und Beobachtungen wiedergiebt, so wirken seine Schilderungen wie der Reiz der Natur selbst. Ungesucht ergeben sich ihm Betrachtungen, sei es über die freisinnige Staatsverfassung des Landes und die politischen Bestrebungen der Parteien, sei es über die künstlerischen, lite¬ rarischen und commerciellen Verhältnisse der Bevölkerung. Kein Gebiet bleibt un¬ berührt, und auf jedem erweist sich Paffarge als ein wohlunterrichteter und an¬ regender Führer. — Verschieden von beiden Werken ist folgendes Buch: Ostfriesland. Land und Volk in Wort und Bild von I. Fr. de Vries und Th. Forken. Emden, Haynel, 1331. Die Verfasser suche» in wissenschaftlicher Weise ein geographisch-historisch-stati- stisches Bild ihrer Heimat in schlichter Darstellung zu geben. Mit der Lage, Um¬ grenzung und Größe des Landes beginnend, behandeln sie den Boden, die klima¬ tischen Verhältnisse, die Thier- und Pflanzenwelt, die Bevölkerung, die verschiednen Erwerbszweige der Bewohner, Kirche und Schule und vervollständigen durch sta¬ tistische Mittheilungen, welche zuverlässigen Quellen entnommen sind, durch Illu¬ strationen und Karten das getrene Bild, das sie uns von der wenig gekannten Provinz unsers Vaterlandes und ihrer Bevölkerung entwerfen. — Nicht sehr be¬ friedigt haben uus die Bilder aus dem chinesischen Leben mit besondrer Rücksicht auf Sitten und Gebräuche von Leopold Kätscher. Leipzig und Heidelberg, C. F. Winter, 1881. Kätscher kennt China nicht aus eigner Anschauung, sondern folgt in der Haupt¬ sache John Henry Graph tübiim: ^. nistorv ok tbs tuos, manne-rs auel onstoms ok tbs xooxlö. Sich selbst legt er das Verdienst bei, den Stoff jenes Buches, das er weitschweifig und trocken nennt, durch feilte Bearbeitung genießbar gemacht zu haben. „Was bei mir zusammenhängend erscheint," sagt er in der Vorrede, „mußte ich jedesmal aus deu verschiednen Capiteln Graph zusammenwürfeln (sie,). Die ganze redactionelle Arbeit — Stil, schriftstellerisch-technische Darstellung, Capitelnnordnuug, Abschnitteintheilung — ist ausschließlich mein Eigenthum." Eine ganze Reihe von Abschnitten — welche, sagt er nicht — vindicirt Kätscher seiner Urheberschaft. Seit Jahren, erklärt er, habe er in Monatsschriften, Wochenblättern und Tageszeitungen viele größere und kleinere Arbeiten über chinesische Dinge veröffentlicht, die er zum Theil in das vorliegende Werk aufgenommen habe. Leider ist damit, daß Kätscher bereits mancherlei über China geschrieben hat, der Werth der von ihm herrührende» Abschnitte nicht erwiesen. Mindestens war es doch nothwendig, die Hilfsmittel an¬ zugeben, wie mich verlangt werden konnte, daß Graph Eigenthum bei deu einzelnen Capiteln genan hervorgehoben wurde. Die Darstellung verdient genau dieselbe Rüge, die Kätscher seiner Quelle ertheilt: sie ist trocken und zusammenhangslos, der Ausdruck überdies oft flüchtig. Man vergleiche z.B. S. 8: „Da die Hausmauern auf der Straßenseite keine Fenster haben, ähneln die Häuser (?) nicht selten Feld¬ lagern." S. 10: „Um die Folgen (soll heißen: Ausdehnung) der Feuersbrünste möglichst zu mildern (soll heißen: beschränken), wenden die Chinesen allerlei Vor¬ sichtsmaßregeln an. In vielen Straßen ihrer Städte befinden sich Brunnen" n. s. s. Auch Provinzialismen gehören nicht zu den Seltenheiten. So ist S. 232 von einem Zustandebringer (!) leichenschäuderischer Todteugräber die Rede, dem eine Belohnung ausgesetzt wird.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 40, 1881, Drittes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341833_157968/351>, abgerufen am 21.11.2024.