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Die Grenzboten. Jg. 40, 1881, Zweites Quartal.

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Die Düsseldorfer schule. von Adolf Rosenberg. 3. Der Realismus und die Romantik in der Landschaftsmalerei. Andreas
und Oswald Achonbach. Albert Flaum.

in Laufe ihrer Entwicklung bis auf die Gegenwart hat die Düssel¬
dorfer Landschaftsmalerei eine wesentlich andre Richtung einge¬
schlagen, als ihr von ihren Begründern, Lessing und Schirmer,
vorgeschrieben war. Obwohl der letzre bis zum Jahre 1853, wo
er einem Rufe als Director an die Kunstschule in Karlsruhe folgte,
der Landschaftsklnsse der Düsseldorfer Akademie Vorstand und infolge dessen kein
Maler, der sich um der Akademie der Landschaftsmalerei widmete, sich seiner Unter¬
weisung und seinem Einflüsse entziehen konnte, so ist doch seine Eigenart, nament¬
lich, wie sie sich in der letzten Epoche seines Lebens ausgebildet hatte, mit ihm
ausgestorben. Schirmer rang sich vom naiven und treuen Nachahmer der Natur,
nach einem Durchgangsstadium durch deu nach frappanten Lichtesfeetcn strebenden
Colorismus französischen Charakters, zu einem formcnstrcngen Stilisten empor,
der das höchste Ziel seines Schaffens in der "historischen" Landschaft sah. Die
moderne Landschaftsmalerei in Düsseldorf hat denselben Weg in umgekehrter
Richtung gemacht.

Schirmers Verdienste um die Entwicklung derselben beruhe": im wesentlichen
auf seiner technischen Virtuosität, welche er namentlich durch Reisen nach Frank¬
reich gewonnen hatte, wo er mit den Häuptern der französischen Landschafter¬
schule in persönliche Berührung gekommen war. Seine glänzende Technik, welche
noch den stilisirtcn Landschaften seiner letzten Jahre, namentlich den großen
biblischen Cyklen, die Romantik der Farbe verleiht, captivirte selbst diejenigen
unter den jungen Künstlern, welche in ihrem innern Wesen dem Meister fremd
gegenüberstanden. Die Wurzeln der phänomenalen Erscheinung Andreas
Achenbachs liegen nach der technischen d. h. rein malerischen Seite in Schirmer,
nach der formalen Seite in Lessing. Der Realismus der Bewegung trat dann
als neues Element hinzu, welches die beiden ältern verband und durchdrang
und so eine neue künstlerische Individualität von gewaltiger Kraft schuf.

Andreas Achenbcich wurde am 29. September 1815 in Kassel als der Sohn
eines Kaufmanns geboren, welcher ebenso wie seine Frau Neigung und Herz für
die bildenden Künste besaß. Der Knabe verbrachte eine sehr unruhige Jugend,
da der Gang der Geschäfte den Vater veranlaßte, mehrere Male seinen Wohn-


Die Düsseldorfer schule. von Adolf Rosenberg. 3. Der Realismus und die Romantik in der Landschaftsmalerei. Andreas
und Oswald Achonbach. Albert Flaum.

in Laufe ihrer Entwicklung bis auf die Gegenwart hat die Düssel¬
dorfer Landschaftsmalerei eine wesentlich andre Richtung einge¬
schlagen, als ihr von ihren Begründern, Lessing und Schirmer,
vorgeschrieben war. Obwohl der letzre bis zum Jahre 1853, wo
er einem Rufe als Director an die Kunstschule in Karlsruhe folgte,
der Landschaftsklnsse der Düsseldorfer Akademie Vorstand und infolge dessen kein
Maler, der sich um der Akademie der Landschaftsmalerei widmete, sich seiner Unter¬
weisung und seinem Einflüsse entziehen konnte, so ist doch seine Eigenart, nament¬
lich, wie sie sich in der letzten Epoche seines Lebens ausgebildet hatte, mit ihm
ausgestorben. Schirmer rang sich vom naiven und treuen Nachahmer der Natur,
nach einem Durchgangsstadium durch deu nach frappanten Lichtesfeetcn strebenden
Colorismus französischen Charakters, zu einem formcnstrcngen Stilisten empor,
der das höchste Ziel seines Schaffens in der „historischen" Landschaft sah. Die
moderne Landschaftsmalerei in Düsseldorf hat denselben Weg in umgekehrter
Richtung gemacht.

Schirmers Verdienste um die Entwicklung derselben beruhe«: im wesentlichen
auf seiner technischen Virtuosität, welche er namentlich durch Reisen nach Frank¬
reich gewonnen hatte, wo er mit den Häuptern der französischen Landschafter¬
schule in persönliche Berührung gekommen war. Seine glänzende Technik, welche
noch den stilisirtcn Landschaften seiner letzten Jahre, namentlich den großen
biblischen Cyklen, die Romantik der Farbe verleiht, captivirte selbst diejenigen
unter den jungen Künstlern, welche in ihrem innern Wesen dem Meister fremd
gegenüberstanden. Die Wurzeln der phänomenalen Erscheinung Andreas
Achenbachs liegen nach der technischen d. h. rein malerischen Seite in Schirmer,
nach der formalen Seite in Lessing. Der Realismus der Bewegung trat dann
als neues Element hinzu, welches die beiden ältern verband und durchdrang
und so eine neue künstlerische Individualität von gewaltiger Kraft schuf.

Andreas Achenbcich wurde am 29. September 1815 in Kassel als der Sohn
eines Kaufmanns geboren, welcher ebenso wie seine Frau Neigung und Herz für
die bildenden Künste besaß. Der Knabe verbrachte eine sehr unruhige Jugend,
da der Gang der Geschäfte den Vater veranlaßte, mehrere Male seinen Wohn-


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[0331] Die Düsseldorfer schule. von Adolf Rosenberg. 3. Der Realismus und die Romantik in der Landschaftsmalerei. Andreas und Oswald Achonbach. Albert Flaum. in Laufe ihrer Entwicklung bis auf die Gegenwart hat die Düssel¬ dorfer Landschaftsmalerei eine wesentlich andre Richtung einge¬ schlagen, als ihr von ihren Begründern, Lessing und Schirmer, vorgeschrieben war. Obwohl der letzre bis zum Jahre 1853, wo er einem Rufe als Director an die Kunstschule in Karlsruhe folgte, der Landschaftsklnsse der Düsseldorfer Akademie Vorstand und infolge dessen kein Maler, der sich um der Akademie der Landschaftsmalerei widmete, sich seiner Unter¬ weisung und seinem Einflüsse entziehen konnte, so ist doch seine Eigenart, nament¬ lich, wie sie sich in der letzten Epoche seines Lebens ausgebildet hatte, mit ihm ausgestorben. Schirmer rang sich vom naiven und treuen Nachahmer der Natur, nach einem Durchgangsstadium durch deu nach frappanten Lichtesfeetcn strebenden Colorismus französischen Charakters, zu einem formcnstrcngen Stilisten empor, der das höchste Ziel seines Schaffens in der „historischen" Landschaft sah. Die moderne Landschaftsmalerei in Düsseldorf hat denselben Weg in umgekehrter Richtung gemacht. Schirmers Verdienste um die Entwicklung derselben beruhe«: im wesentlichen auf seiner technischen Virtuosität, welche er namentlich durch Reisen nach Frank¬ reich gewonnen hatte, wo er mit den Häuptern der französischen Landschafter¬ schule in persönliche Berührung gekommen war. Seine glänzende Technik, welche noch den stilisirtcn Landschaften seiner letzten Jahre, namentlich den großen biblischen Cyklen, die Romantik der Farbe verleiht, captivirte selbst diejenigen unter den jungen Künstlern, welche in ihrem innern Wesen dem Meister fremd gegenüberstanden. Die Wurzeln der phänomenalen Erscheinung Andreas Achenbachs liegen nach der technischen d. h. rein malerischen Seite in Schirmer, nach der formalen Seite in Lessing. Der Realismus der Bewegung trat dann als neues Element hinzu, welches die beiden ältern verband und durchdrang und so eine neue künstlerische Individualität von gewaltiger Kraft schuf. Andreas Achenbcich wurde am 29. September 1815 in Kassel als der Sohn eines Kaufmanns geboren, welcher ebenso wie seine Frau Neigung und Herz für die bildenden Künste besaß. Der Knabe verbrachte eine sehr unruhige Jugend, da der Gang der Geschäfte den Vater veranlaßte, mehrere Male seinen Wohn-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 40, 1881, Zweites Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341833_157699/331>, abgerufen am 29.06.2024.