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Die Grenzboten. Jg. 40, 1881, Zweites Quartal.

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Rieme Goethiana.

des Abenteuerlichen nicht reinigen können. Wir wollen mit der Kritik einer be¬
kannten "Heldenthat" des Königs schließen.

Bei dem Rückmarsch der Schweden nach dem Frieden von Altranstädt erschien
plötzlich der König mit wenig Begleitern bei dem Kurfürsten-König August in
Dresden. Am sächsischen Hofe hatte man einen Augenblick wohl nicht übel Lust,
sich der Person Karls zu bemächtigen, stand aber bei dem Charakter des Königs
und seiner Umgebung sogleich wieder von dem Plane ab. Saranw meint nun,
der Ritt sei durchaus nicht tollkühn gewesen, vielmehr müsse es passend erschienen
sein, daß Karl dem Fürsten, dessen Land ihn und sein Heer so lange beherbergt
habe, vor seinem Abzug noch einen Abschiedsbesuch machte. Wieder eine merk¬
würdige Motivirung. Eine Aufmerksamkeit lag nicht in der Absicht Karls und
wurde auch nicht von August erwartet. Die Schwede" besaßen, im Falle, daß
ihr König zurückgehalten worden wäre, kein Geschütz, Dresden zu beschießen, ihr
Heer bestand zum großen Theil aus neugeworbnen Deutschen, die noch uicht an
die Person des Königs gekettet waren, Dänemark und Rußland hätten sofort
kühner ihr Haupt erhoben, kurz der Gedanke, Karl gefangen zu nehmen, war
durchaus nicht so fern liegend, und wenn er es nicht war, mußte auch des Schwedeu-
königs Besuch als ein überflüssiges Bravourstückchen bezeichnet werden.




Kleine Goethiana.
Mitgetheilt von L. A. H. Burkhardt.
1.

Das Goethische Gedichtchen bei Strehlke II, 431:


Die abgestutzten, angctauchtcn,
Die ungeschickten, viel gebrauchten,
Hast Du, die Freundliche, gewollt.
Nun aber nimm ein frisch Gefieder,
Das niederschreiben siiße Lieder
Allschönster Tage Dir gesollt!

welches nach Goethes eignem Zeugniß an die Gräfin Titinne O'Donckt gerichtet
war, die ihn um eine seiner Schreibfedern gebeten hatte, hat sich merkwürdiger¬
weise unter den Originalen der Goethiana erhalten, welche die Familie von


Rieme Goethiana.

des Abenteuerlichen nicht reinigen können. Wir wollen mit der Kritik einer be¬
kannten „Heldenthat" des Königs schließen.

Bei dem Rückmarsch der Schweden nach dem Frieden von Altranstädt erschien
plötzlich der König mit wenig Begleitern bei dem Kurfürsten-König August in
Dresden. Am sächsischen Hofe hatte man einen Augenblick wohl nicht übel Lust,
sich der Person Karls zu bemächtigen, stand aber bei dem Charakter des Königs
und seiner Umgebung sogleich wieder von dem Plane ab. Saranw meint nun,
der Ritt sei durchaus nicht tollkühn gewesen, vielmehr müsse es passend erschienen
sein, daß Karl dem Fürsten, dessen Land ihn und sein Heer so lange beherbergt
habe, vor seinem Abzug noch einen Abschiedsbesuch machte. Wieder eine merk¬
würdige Motivirung. Eine Aufmerksamkeit lag nicht in der Absicht Karls und
wurde auch nicht von August erwartet. Die Schwede» besaßen, im Falle, daß
ihr König zurückgehalten worden wäre, kein Geschütz, Dresden zu beschießen, ihr
Heer bestand zum großen Theil aus neugeworbnen Deutschen, die noch uicht an
die Person des Königs gekettet waren, Dänemark und Rußland hätten sofort
kühner ihr Haupt erhoben, kurz der Gedanke, Karl gefangen zu nehmen, war
durchaus nicht so fern liegend, und wenn er es nicht war, mußte auch des Schwedeu-
königs Besuch als ein überflüssiges Bravourstückchen bezeichnet werden.




Kleine Goethiana.
Mitgetheilt von L. A. H. Burkhardt.
1.

Das Goethische Gedichtchen bei Strehlke II, 431:


Die abgestutzten, angctauchtcn,
Die ungeschickten, viel gebrauchten,
Hast Du, die Freundliche, gewollt.
Nun aber nimm ein frisch Gefieder,
Das niederschreiben siiße Lieder
Allschönster Tage Dir gesollt!

welches nach Goethes eignem Zeugniß an die Gräfin Titinne O'Donckt gerichtet
war, die ihn um eine seiner Schreibfedern gebeten hatte, hat sich merkwürdiger¬
weise unter den Originalen der Goethiana erhalten, welche die Familie von


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[0291] Rieme Goethiana. des Abenteuerlichen nicht reinigen können. Wir wollen mit der Kritik einer be¬ kannten „Heldenthat" des Königs schließen. Bei dem Rückmarsch der Schweden nach dem Frieden von Altranstädt erschien plötzlich der König mit wenig Begleitern bei dem Kurfürsten-König August in Dresden. Am sächsischen Hofe hatte man einen Augenblick wohl nicht übel Lust, sich der Person Karls zu bemächtigen, stand aber bei dem Charakter des Königs und seiner Umgebung sogleich wieder von dem Plane ab. Saranw meint nun, der Ritt sei durchaus nicht tollkühn gewesen, vielmehr müsse es passend erschienen sein, daß Karl dem Fürsten, dessen Land ihn und sein Heer so lange beherbergt habe, vor seinem Abzug noch einen Abschiedsbesuch machte. Wieder eine merk¬ würdige Motivirung. Eine Aufmerksamkeit lag nicht in der Absicht Karls und wurde auch nicht von August erwartet. Die Schwede» besaßen, im Falle, daß ihr König zurückgehalten worden wäre, kein Geschütz, Dresden zu beschießen, ihr Heer bestand zum großen Theil aus neugeworbnen Deutschen, die noch uicht an die Person des Königs gekettet waren, Dänemark und Rußland hätten sofort kühner ihr Haupt erhoben, kurz der Gedanke, Karl gefangen zu nehmen, war durchaus nicht so fern liegend, und wenn er es nicht war, mußte auch des Schwedeu- königs Besuch als ein überflüssiges Bravourstückchen bezeichnet werden. Kleine Goethiana. Mitgetheilt von L. A. H. Burkhardt. 1. Das Goethische Gedichtchen bei Strehlke II, 431: Die abgestutzten, angctauchtcn, Die ungeschickten, viel gebrauchten, Hast Du, die Freundliche, gewollt. Nun aber nimm ein frisch Gefieder, Das niederschreiben siiße Lieder Allschönster Tage Dir gesollt! welches nach Goethes eignem Zeugniß an die Gräfin Titinne O'Donckt gerichtet war, die ihn um eine seiner Schreibfedern gebeten hatte, hat sich merkwürdiger¬ weise unter den Originalen der Goethiana erhalten, welche die Familie von

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 40, 1881, Zweites Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341833_157699/291>, abgerufen am 29.06.2024.