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Die Grenzboten. Jg. 40, 1881, Zweites Quartal.

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Die Düsseldorfer schule.
von Adolf Rosenberg.
2. Die Blüthe der Geschichtsmalcrei und die Entwicklung der Landschafts¬
malerei.

us der Gruppe der Schüler, welche Schndow VVII Berlin an den
Rhein gefolgt waren, trat bald eine mächtig und vielseitig begabte
Persönlichkeit hervor, die einen stärkern Einfluß auf die heran¬
wachsenden Kunstjünger gewinnen sollte als Schadow selbst: Karl
Friedrich Lessing. Seine ursprüngliche Begabung hatte sich
schon in Berlin für die Landschaft entschieden, und der erste Erfolg auf der
Kunstausstellung sprach zu seinen Gunsten. Aber Schadow hielt nichts von der
Landschaftsmalerei -- und darin begegnete er sich mit Cornelius. Als dienendes
Glied in einem Historien- oder Heiligenbilde, als bescheidnen Hintergrund für
die Figuren ließ er sie allenfalls gelten. Daß sie einem Künstler der Endzweck
sein konnte, begriff er nicht. Das beweist, daß ihm die Romantik fremd war,
die uns doch das Gefühl, den Sinn, die Empfänglichkeit für landschaftliche Schön¬
heit wieder erschlossen hatte. Schadow also trieb Lessing an, sich der Historien¬
oder doch wenigstens der Figurenmalerei zu widmen. Die ersten Versuche schlugen
fehl, so daß Lessing ganz entmuthigt wieder zu seinen Landschaften zurückkehrte,
in welchen er jene düstere, melancholische Stimmung zum Ausdruck brachte, die
man in der Literatur mit dem Worte "Weltschmerz" bezeichnete. Motivirt
wurde diese Stimmung wenigstens in dem "Trauernden Königspaar," mit
welchem er auch als Figuremnnler seinen ersten Erfolg erzielte.

Lessing war keine eigentlich geniale Natur. Was er erreicht hat, verdankte
er nur seinem eisernen Fleiße, der ihn am Ende alle Schwierigkeiten überwinden
ließ. Als nach seinem Tode der Inhalt seiner Studienmappen dem Publicum
erschlossen wurde, trat diese Thatsache klar zu Tage. Geniale Inspirationen
des Augenblicks, funkensprühende Blitze des Genius, geistvolle Skizzen fand man
nicht, wohl aber auf allen Blättern das Bestreben, der Natur gegenüber eine
möglichst unbefangene Stellung einzunehmen, alle Erscheinungen der Natur nicht
nach ihrem wechselnden Schein, sondern nach ihrem bleibenden Kern aufzufassen.
Vor diesen Studienblättern wird man erst der epochemachenden Bedeutung Lessings
inne, begreift man erst, wie der junge Mann in Düsseldorf zum Reformator
werden und Schadow allmählich in eine zweite Stellung zurückschieben konnte.
Er, der Protestant, der kühl, aber Kar empfindende Nordländer, konnte auf die


Grenzboten II. 13L1. 4
Die Düsseldorfer schule.
von Adolf Rosenberg.
2. Die Blüthe der Geschichtsmalcrei und die Entwicklung der Landschafts¬
malerei.

us der Gruppe der Schüler, welche Schndow VVII Berlin an den
Rhein gefolgt waren, trat bald eine mächtig und vielseitig begabte
Persönlichkeit hervor, die einen stärkern Einfluß auf die heran¬
wachsenden Kunstjünger gewinnen sollte als Schadow selbst: Karl
Friedrich Lessing. Seine ursprüngliche Begabung hatte sich
schon in Berlin für die Landschaft entschieden, und der erste Erfolg auf der
Kunstausstellung sprach zu seinen Gunsten. Aber Schadow hielt nichts von der
Landschaftsmalerei — und darin begegnete er sich mit Cornelius. Als dienendes
Glied in einem Historien- oder Heiligenbilde, als bescheidnen Hintergrund für
die Figuren ließ er sie allenfalls gelten. Daß sie einem Künstler der Endzweck
sein konnte, begriff er nicht. Das beweist, daß ihm die Romantik fremd war,
die uns doch das Gefühl, den Sinn, die Empfänglichkeit für landschaftliche Schön¬
heit wieder erschlossen hatte. Schadow also trieb Lessing an, sich der Historien¬
oder doch wenigstens der Figurenmalerei zu widmen. Die ersten Versuche schlugen
fehl, so daß Lessing ganz entmuthigt wieder zu seinen Landschaften zurückkehrte,
in welchen er jene düstere, melancholische Stimmung zum Ausdruck brachte, die
man in der Literatur mit dem Worte „Weltschmerz" bezeichnete. Motivirt
wurde diese Stimmung wenigstens in dem „Trauernden Königspaar," mit
welchem er auch als Figuremnnler seinen ersten Erfolg erzielte.

Lessing war keine eigentlich geniale Natur. Was er erreicht hat, verdankte
er nur seinem eisernen Fleiße, der ihn am Ende alle Schwierigkeiten überwinden
ließ. Als nach seinem Tode der Inhalt seiner Studienmappen dem Publicum
erschlossen wurde, trat diese Thatsache klar zu Tage. Geniale Inspirationen
des Augenblicks, funkensprühende Blitze des Genius, geistvolle Skizzen fand man
nicht, wohl aber auf allen Blättern das Bestreben, der Natur gegenüber eine
möglichst unbefangene Stellung einzunehmen, alle Erscheinungen der Natur nicht
nach ihrem wechselnden Schein, sondern nach ihrem bleibenden Kern aufzufassen.
Vor diesen Studienblättern wird man erst der epochemachenden Bedeutung Lessings
inne, begreift man erst, wie der junge Mann in Düsseldorf zum Reformator
werden und Schadow allmählich in eine zweite Stellung zurückschieben konnte.
Er, der Protestant, der kühl, aber Kar empfindende Nordländer, konnte auf die


Grenzboten II. 13L1. 4
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[0029] Die Düsseldorfer schule. von Adolf Rosenberg. 2. Die Blüthe der Geschichtsmalcrei und die Entwicklung der Landschafts¬ malerei. us der Gruppe der Schüler, welche Schndow VVII Berlin an den Rhein gefolgt waren, trat bald eine mächtig und vielseitig begabte Persönlichkeit hervor, die einen stärkern Einfluß auf die heran¬ wachsenden Kunstjünger gewinnen sollte als Schadow selbst: Karl Friedrich Lessing. Seine ursprüngliche Begabung hatte sich schon in Berlin für die Landschaft entschieden, und der erste Erfolg auf der Kunstausstellung sprach zu seinen Gunsten. Aber Schadow hielt nichts von der Landschaftsmalerei — und darin begegnete er sich mit Cornelius. Als dienendes Glied in einem Historien- oder Heiligenbilde, als bescheidnen Hintergrund für die Figuren ließ er sie allenfalls gelten. Daß sie einem Künstler der Endzweck sein konnte, begriff er nicht. Das beweist, daß ihm die Romantik fremd war, die uns doch das Gefühl, den Sinn, die Empfänglichkeit für landschaftliche Schön¬ heit wieder erschlossen hatte. Schadow also trieb Lessing an, sich der Historien¬ oder doch wenigstens der Figurenmalerei zu widmen. Die ersten Versuche schlugen fehl, so daß Lessing ganz entmuthigt wieder zu seinen Landschaften zurückkehrte, in welchen er jene düstere, melancholische Stimmung zum Ausdruck brachte, die man in der Literatur mit dem Worte „Weltschmerz" bezeichnete. Motivirt wurde diese Stimmung wenigstens in dem „Trauernden Königspaar," mit welchem er auch als Figuremnnler seinen ersten Erfolg erzielte. Lessing war keine eigentlich geniale Natur. Was er erreicht hat, verdankte er nur seinem eisernen Fleiße, der ihn am Ende alle Schwierigkeiten überwinden ließ. Als nach seinem Tode der Inhalt seiner Studienmappen dem Publicum erschlossen wurde, trat diese Thatsache klar zu Tage. Geniale Inspirationen des Augenblicks, funkensprühende Blitze des Genius, geistvolle Skizzen fand man nicht, wohl aber auf allen Blättern das Bestreben, der Natur gegenüber eine möglichst unbefangene Stellung einzunehmen, alle Erscheinungen der Natur nicht nach ihrem wechselnden Schein, sondern nach ihrem bleibenden Kern aufzufassen. Vor diesen Studienblättern wird man erst der epochemachenden Bedeutung Lessings inne, begreift man erst, wie der junge Mann in Düsseldorf zum Reformator werden und Schadow allmählich in eine zweite Stellung zurückschieben konnte. Er, der Protestant, der kühl, aber Kar empfindende Nordländer, konnte auf die Grenzboten II. 13L1. 4

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 40, 1881, Zweites Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341833_157699/29>, abgerufen am 22.07.2024.