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Die Grenzboten. Jg. 40, 1881, Zweites Quartal.

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Max Maria von Weber.

s war an einem Sonntagabend zu Zlusgang des April oder An¬
fang Mai des Verhängnis;- und glorreichen Jahres 1870, als sich
in einem kleinen, von Gärten umgebnen vorstädtischen Hause zu
Dresden, wie ein vielen Sonntagabenden zuvor, eine so bunte als
geistig belebte Gesellschaft vereinigte, um in den allen liebge-
wordnen engen und doch elegant-behaglichen Räumen gute Musik zu hören und
in heiterster Geselligkeit die Abend- und einen Theil der Nachtstunden zu ver¬
bringen. Die Musik war denn auch an diesem Abend vortrefflicher als jemals,
die gastliche Tasel, um die man sich nach manchem künstlerischen Genuß reihte
und die duftige Maiwciubowle lockend genug und doch wollte weder bei den
liebenswürdigen Wirthen noch bei den befreundeten Gästen die sonst gewohnte
Stimmung echter Fröhlichkeit, ja lachenden Uebermuthes aufkommen. Wir alle,
die wir zwischen dem Hausherrn und seiner Gattin gereiht saßen, empfanden es,
daß an diesem Abend die letzten Tone im Weberschen Hause zu Dresden erklungen
waren, wir alle wußten, daß der Herr dieses Hauses in wenigen Tagen die ihm,
mehr als er selbst ahnte, ans Herz gcwachsne Heimat verlassen und auf der
Höhe seines Lebens eine neue Thätigkeit in fremden Verhältnissen und Zustande"
in Wien suchen sollte. Mnx Maria von Weber, der einzige überlebende Sohn
des großen Tondichters des "Freischütz" und der"Eurycmthe", glaubte sich damals
durch eine neue Organisation der technischen Oberbchörde, der er angehört hatte
(der Gcneraldirection der sächsischen Staatseisenbahnen), in seiner besten Leistungs¬
fähigkeit gelähmt und zum Verlassen des Bodens gedrungen, auf dem er von
Jugend auf wirksam gewesen. Und wenn hierbei, wie uns scheinen will, ein


"Ärmzbvten It. 1881. 22


Max Maria von Weber.

s war an einem Sonntagabend zu Zlusgang des April oder An¬
fang Mai des Verhängnis;- und glorreichen Jahres 1870, als sich
in einem kleinen, von Gärten umgebnen vorstädtischen Hause zu
Dresden, wie ein vielen Sonntagabenden zuvor, eine so bunte als
geistig belebte Gesellschaft vereinigte, um in den allen liebge-
wordnen engen und doch elegant-behaglichen Räumen gute Musik zu hören und
in heiterster Geselligkeit die Abend- und einen Theil der Nachtstunden zu ver¬
bringen. Die Musik war denn auch an diesem Abend vortrefflicher als jemals,
die gastliche Tasel, um die man sich nach manchem künstlerischen Genuß reihte
und die duftige Maiwciubowle lockend genug und doch wollte weder bei den
liebenswürdigen Wirthen noch bei den befreundeten Gästen die sonst gewohnte
Stimmung echter Fröhlichkeit, ja lachenden Uebermuthes aufkommen. Wir alle,
die wir zwischen dem Hausherrn und seiner Gattin gereiht saßen, empfanden es,
daß an diesem Abend die letzten Tone im Weberschen Hause zu Dresden erklungen
waren, wir alle wußten, daß der Herr dieses Hauses in wenigen Tagen die ihm,
mehr als er selbst ahnte, ans Herz gcwachsne Heimat verlassen und auf der
Höhe seines Lebens eine neue Thätigkeit in fremden Verhältnissen und Zustande»
in Wien suchen sollte. Mnx Maria von Weber, der einzige überlebende Sohn
des großen Tondichters des „Freischütz" und der„Eurycmthe", glaubte sich damals
durch eine neue Organisation der technischen Oberbchörde, der er angehört hatte
(der Gcneraldirection der sächsischen Staatseisenbahnen), in seiner besten Leistungs¬
fähigkeit gelähmt und zum Verlassen des Bodens gedrungen, auf dem er von
Jugend auf wirksam gewesen. Und wenn hierbei, wie uns scheinen will, ein


«Ärmzbvten It. 1881. 22
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[0173] [Abbildung] Max Maria von Weber. s war an einem Sonntagabend zu Zlusgang des April oder An¬ fang Mai des Verhängnis;- und glorreichen Jahres 1870, als sich in einem kleinen, von Gärten umgebnen vorstädtischen Hause zu Dresden, wie ein vielen Sonntagabenden zuvor, eine so bunte als geistig belebte Gesellschaft vereinigte, um in den allen liebge- wordnen engen und doch elegant-behaglichen Räumen gute Musik zu hören und in heiterster Geselligkeit die Abend- und einen Theil der Nachtstunden zu ver¬ bringen. Die Musik war denn auch an diesem Abend vortrefflicher als jemals, die gastliche Tasel, um die man sich nach manchem künstlerischen Genuß reihte und die duftige Maiwciubowle lockend genug und doch wollte weder bei den liebenswürdigen Wirthen noch bei den befreundeten Gästen die sonst gewohnte Stimmung echter Fröhlichkeit, ja lachenden Uebermuthes aufkommen. Wir alle, die wir zwischen dem Hausherrn und seiner Gattin gereiht saßen, empfanden es, daß an diesem Abend die letzten Tone im Weberschen Hause zu Dresden erklungen waren, wir alle wußten, daß der Herr dieses Hauses in wenigen Tagen die ihm, mehr als er selbst ahnte, ans Herz gcwachsne Heimat verlassen und auf der Höhe seines Lebens eine neue Thätigkeit in fremden Verhältnissen und Zustande» in Wien suchen sollte. Mnx Maria von Weber, der einzige überlebende Sohn des großen Tondichters des „Freischütz" und der„Eurycmthe", glaubte sich damals durch eine neue Organisation der technischen Oberbchörde, der er angehört hatte (der Gcneraldirection der sächsischen Staatseisenbahnen), in seiner besten Leistungs¬ fähigkeit gelähmt und zum Verlassen des Bodens gedrungen, auf dem er von Jugend auf wirksam gewesen. Und wenn hierbei, wie uns scheinen will, ein «Ärmzbvten It. 1881. 22

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 40, 1881, Zweites Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341833_157699/173>, abgerufen am 29.06.2024.