Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 40, 1881, Erstes Quartal.

Bild:
<< vorherige Seite
Gin Brief Kloses an Lessing.

meer den Männern, mit denen Lessing während seines Aufenthalts
in Breslau 1760--1765 verkehrte, nimmt Samuel Benjamin
Klose, Lehrer am Magdalenenghmnnsium und seit 1763 Rector
der Schule zum Heiligen Geist in der Neustadt, den ersten Platz
ein. Er war unstreitig der fleißigste und gelehrteste Mann, den
Breslau im vorigen Jahrhundert gehabt hat. Sein dauerndstes Verdienst liegt
in seiner großen Geschichte von Breslau, von der leider nur die Hälfte zum Druck
gelangt ist; doch war er in allen Gebieten der Geschichte, Literatur und Philo¬
sophie zu Hanse, Da er außerdem Bibliothekar der großen ncustädtischen Biblio¬
thek zu Se. Bernhardin war und anch die übrigen Bibliotheken der Stadt vortreff¬
lich kannte, so war seine Bekanntschaft für einen Mann von den geistigen Bedürf¬
nissen Lessings von besondern! Werthe, Zudem theilte Klose mit Lessing und bildete
wahrscheinlich durch den Umgang mit ihm aus die Neigung zur scharfen und gründ¬
lichen Kritik. Als Karl Gotthelf Lessing, später Münzdireetvr in Breslau, die
Biographie feines Bruders zu schreiben unternahm, bat er Klose um Nachrichten
über den Breslauer Aufenthalt des Bruders und rückte den Bericht, den ihm
dieser schriftlich lieferte, wörtlich in sein Buch ein (l, 241--248). Auch schenkte
er zum Andenken an Klose den Band der handschriftlichen Collectaneen Lessings der
Bernhardinbibliothek (jetzt Stadtbibliothek Hs 1688). Beim Ordnen von Kloscs
colossalem handschriftlichen Nachlaß, der an dieselbe Bibliothek übergegangen ist,
fand ich schon vor einigen Jahren das Concept zu folgendem Briefe an Lessing.
Die Hoffnung, mit der Zeit noch mehr zu finden, hat sich nicht erfüllt, und so halte
ich es für billig, den Brief nicht länger zurückzuhalten. Legt er doch ein leb¬
haftes Zeugniß ab von dem gewaltigen Eindruck, den Lessing hier wie anderswo
auf die Männer gemacht hat, die er seines nähern Umgangs würdigte.

Wenn sich I. Kutzen in seinem interessanten Aufsatze "G. E. Lessing in
seinem Welt- und Kriegsleben, seinem Wirten und Streben zu Breslau" (Ab-
handlungen der Schlesischen Gesellschaft für vaterländische Cultur, philos.-histor.
Abtheilung 1861) wundert, daß von dem Briefwechsel zwischen Lessing und Klose,
den er nach des erstem Scheiden von Breslau als selbstverständliche Fortsetzung
des vertraulichen Umgangs annimmt, bisher noch nichts zu Tage gekommen sei,
so kann der folgende Brief dazu beitragen, die Annahme eines lebhaftem Brief¬
wechsels zwischen beiden Männern als irrig hinzustellen. Es ist ein Gelegen¬
heitsbrief. Als Antwort auf Lessings ersten Beitrag zur Geschichte und Literatur
sendet Klose ihm das erste Heft seiner Neuen litemrischeu Unterhaltungen. Aus


Gin Brief Kloses an Lessing.

meer den Männern, mit denen Lessing während seines Aufenthalts
in Breslau 1760—1765 verkehrte, nimmt Samuel Benjamin
Klose, Lehrer am Magdalenenghmnnsium und seit 1763 Rector
der Schule zum Heiligen Geist in der Neustadt, den ersten Platz
ein. Er war unstreitig der fleißigste und gelehrteste Mann, den
Breslau im vorigen Jahrhundert gehabt hat. Sein dauerndstes Verdienst liegt
in seiner großen Geschichte von Breslau, von der leider nur die Hälfte zum Druck
gelangt ist; doch war er in allen Gebieten der Geschichte, Literatur und Philo¬
sophie zu Hanse, Da er außerdem Bibliothekar der großen ncustädtischen Biblio¬
thek zu Se. Bernhardin war und anch die übrigen Bibliotheken der Stadt vortreff¬
lich kannte, so war seine Bekanntschaft für einen Mann von den geistigen Bedürf¬
nissen Lessings von besondern! Werthe, Zudem theilte Klose mit Lessing und bildete
wahrscheinlich durch den Umgang mit ihm aus die Neigung zur scharfen und gründ¬
lichen Kritik. Als Karl Gotthelf Lessing, später Münzdireetvr in Breslau, die
Biographie feines Bruders zu schreiben unternahm, bat er Klose um Nachrichten
über den Breslauer Aufenthalt des Bruders und rückte den Bericht, den ihm
dieser schriftlich lieferte, wörtlich in sein Buch ein (l, 241—248). Auch schenkte
er zum Andenken an Klose den Band der handschriftlichen Collectaneen Lessings der
Bernhardinbibliothek (jetzt Stadtbibliothek Hs 1688). Beim Ordnen von Kloscs
colossalem handschriftlichen Nachlaß, der an dieselbe Bibliothek übergegangen ist,
fand ich schon vor einigen Jahren das Concept zu folgendem Briefe an Lessing.
Die Hoffnung, mit der Zeit noch mehr zu finden, hat sich nicht erfüllt, und so halte
ich es für billig, den Brief nicht länger zurückzuhalten. Legt er doch ein leb¬
haftes Zeugniß ab von dem gewaltigen Eindruck, den Lessing hier wie anderswo
auf die Männer gemacht hat, die er seines nähern Umgangs würdigte.

Wenn sich I. Kutzen in seinem interessanten Aufsatze „G. E. Lessing in
seinem Welt- und Kriegsleben, seinem Wirten und Streben zu Breslau" (Ab-
handlungen der Schlesischen Gesellschaft für vaterländische Cultur, philos.-histor.
Abtheilung 1861) wundert, daß von dem Briefwechsel zwischen Lessing und Klose,
den er nach des erstem Scheiden von Breslau als selbstverständliche Fortsetzung
des vertraulichen Umgangs annimmt, bisher noch nichts zu Tage gekommen sei,
so kann der folgende Brief dazu beitragen, die Annahme eines lebhaftem Brief¬
wechsels zwischen beiden Männern als irrig hinzustellen. Es ist ein Gelegen¬
heitsbrief. Als Antwort auf Lessings ersten Beitrag zur Geschichte und Literatur
sendet Klose ihm das erste Heft seiner Neuen litemrischeu Unterhaltungen. Aus


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0567" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/149551"/>
        </div>
        <div n="1">
          <head> Gin Brief Kloses an Lessing.</head><lb/>
          <p xml:id="ID_1595"> meer den Männern, mit denen Lessing während seines Aufenthalts<lb/>
in Breslau 1760&#x2014;1765 verkehrte, nimmt Samuel Benjamin<lb/>
Klose, Lehrer am Magdalenenghmnnsium und seit 1763 Rector<lb/>
der Schule zum Heiligen Geist in der Neustadt, den ersten Platz<lb/>
ein. Er war unstreitig der fleißigste und gelehrteste Mann, den<lb/>
Breslau im vorigen Jahrhundert gehabt hat. Sein dauerndstes Verdienst liegt<lb/>
in seiner großen Geschichte von Breslau, von der leider nur die Hälfte zum Druck<lb/>
gelangt ist; doch war er in allen Gebieten der Geschichte, Literatur und Philo¬<lb/>
sophie zu Hanse, Da er außerdem Bibliothekar der großen ncustädtischen Biblio¬<lb/>
thek zu Se. Bernhardin war und anch die übrigen Bibliotheken der Stadt vortreff¬<lb/>
lich kannte, so war seine Bekanntschaft für einen Mann von den geistigen Bedürf¬<lb/>
nissen Lessings von besondern! Werthe, Zudem theilte Klose mit Lessing und bildete<lb/>
wahrscheinlich durch den Umgang mit ihm aus die Neigung zur scharfen und gründ¬<lb/>
lichen Kritik. Als Karl Gotthelf Lessing, später Münzdireetvr in Breslau, die<lb/>
Biographie feines Bruders zu schreiben unternahm, bat er Klose um Nachrichten<lb/>
über den Breslauer Aufenthalt des Bruders und rückte den Bericht, den ihm<lb/>
dieser schriftlich lieferte, wörtlich in sein Buch ein (l, 241&#x2014;248). Auch schenkte<lb/>
er zum Andenken an Klose den Band der handschriftlichen Collectaneen Lessings der<lb/>
Bernhardinbibliothek (jetzt Stadtbibliothek Hs 1688). Beim Ordnen von Kloscs<lb/>
colossalem handschriftlichen Nachlaß, der an dieselbe Bibliothek übergegangen ist,<lb/>
fand ich schon vor einigen Jahren das Concept zu folgendem Briefe an Lessing.<lb/>
Die Hoffnung, mit der Zeit noch mehr zu finden, hat sich nicht erfüllt, und so halte<lb/>
ich es für billig, den Brief nicht länger zurückzuhalten. Legt er doch ein leb¬<lb/>
haftes Zeugniß ab von dem gewaltigen Eindruck, den Lessing hier wie anderswo<lb/>
auf die Männer gemacht hat, die er seines nähern Umgangs würdigte.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1596" next="#ID_1597"> Wenn sich I. Kutzen in seinem interessanten Aufsatze &#x201E;G. E. Lessing in<lb/>
seinem Welt- und Kriegsleben, seinem Wirten und Streben zu Breslau" (Ab-<lb/>
handlungen der Schlesischen Gesellschaft für vaterländische Cultur, philos.-histor.<lb/>
Abtheilung 1861) wundert, daß von dem Briefwechsel zwischen Lessing und Klose,<lb/>
den er nach des erstem Scheiden von Breslau als selbstverständliche Fortsetzung<lb/>
des vertraulichen Umgangs annimmt, bisher noch nichts zu Tage gekommen sei,<lb/>
so kann der folgende Brief dazu beitragen, die Annahme eines lebhaftem Brief¬<lb/>
wechsels zwischen beiden Männern als irrig hinzustellen. Es ist ein Gelegen¬<lb/>
heitsbrief. Als Antwort auf Lessings ersten Beitrag zur Geschichte und Literatur<lb/>
sendet Klose ihm das erste Heft seiner Neuen litemrischeu Unterhaltungen. Aus</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0567] Gin Brief Kloses an Lessing. meer den Männern, mit denen Lessing während seines Aufenthalts in Breslau 1760—1765 verkehrte, nimmt Samuel Benjamin Klose, Lehrer am Magdalenenghmnnsium und seit 1763 Rector der Schule zum Heiligen Geist in der Neustadt, den ersten Platz ein. Er war unstreitig der fleißigste und gelehrteste Mann, den Breslau im vorigen Jahrhundert gehabt hat. Sein dauerndstes Verdienst liegt in seiner großen Geschichte von Breslau, von der leider nur die Hälfte zum Druck gelangt ist; doch war er in allen Gebieten der Geschichte, Literatur und Philo¬ sophie zu Hanse, Da er außerdem Bibliothekar der großen ncustädtischen Biblio¬ thek zu Se. Bernhardin war und anch die übrigen Bibliotheken der Stadt vortreff¬ lich kannte, so war seine Bekanntschaft für einen Mann von den geistigen Bedürf¬ nissen Lessings von besondern! Werthe, Zudem theilte Klose mit Lessing und bildete wahrscheinlich durch den Umgang mit ihm aus die Neigung zur scharfen und gründ¬ lichen Kritik. Als Karl Gotthelf Lessing, später Münzdireetvr in Breslau, die Biographie feines Bruders zu schreiben unternahm, bat er Klose um Nachrichten über den Breslauer Aufenthalt des Bruders und rückte den Bericht, den ihm dieser schriftlich lieferte, wörtlich in sein Buch ein (l, 241—248). Auch schenkte er zum Andenken an Klose den Band der handschriftlichen Collectaneen Lessings der Bernhardinbibliothek (jetzt Stadtbibliothek Hs 1688). Beim Ordnen von Kloscs colossalem handschriftlichen Nachlaß, der an dieselbe Bibliothek übergegangen ist, fand ich schon vor einigen Jahren das Concept zu folgendem Briefe an Lessing. Die Hoffnung, mit der Zeit noch mehr zu finden, hat sich nicht erfüllt, und so halte ich es für billig, den Brief nicht länger zurückzuhalten. Legt er doch ein leb¬ haftes Zeugniß ab von dem gewaltigen Eindruck, den Lessing hier wie anderswo auf die Männer gemacht hat, die er seines nähern Umgangs würdigte. Wenn sich I. Kutzen in seinem interessanten Aufsatze „G. E. Lessing in seinem Welt- und Kriegsleben, seinem Wirten und Streben zu Breslau" (Ab- handlungen der Schlesischen Gesellschaft für vaterländische Cultur, philos.-histor. Abtheilung 1861) wundert, daß von dem Briefwechsel zwischen Lessing und Klose, den er nach des erstem Scheiden von Breslau als selbstverständliche Fortsetzung des vertraulichen Umgangs annimmt, bisher noch nichts zu Tage gekommen sei, so kann der folgende Brief dazu beitragen, die Annahme eines lebhaftem Brief¬ wechsels zwischen beiden Männern als irrig hinzustellen. Es ist ein Gelegen¬ heitsbrief. Als Antwort auf Lessings ersten Beitrag zur Geschichte und Literatur sendet Klose ihm das erste Heft seiner Neuen litemrischeu Unterhaltungen. Aus

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341833_157697
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341833_157697/567
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 40, 1881, Erstes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341833_157697/567>, abgerufen am 26.12.2024.