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Die Grenzboten. Jg. 39, 1880, Viertes Quartal.

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erreicht, aber nicht zu ihrem Vortheile; denn die ihr näherstehenden Mächte
würden dann nicht mehr im Stande sein, jenen mäßigenden Einfluß walten zu
lassen, deu sie bisher zu Gunsten der Türken ausgeübt haben. "Die sentimen¬
tale Klage über die harte" Zumuthungen, die man an sie gestellt, ist," wie das
Wiener Blatt bemerkt, "eine völlig ungerechtfertigte. Es wird von ihr nichts
verlangt, als was sie vor mehr als zwei Jahren zugestanden hat, und sie wird
den Versuch endlich aufgeben müssen, die Verwirklichung der europäischen Rechts¬
ordnung, an deren theoretischer Begründung sie selbst theilgenommen, noch länger
Hemmnisse in den Weg zu legen, und je rascher und aufrichtiger sie sich dazu
entschließt, desto mehr werden die Folgen dieses Entschlusses ihr selbst zu Gute
komme"." Wir schließen uns nach unseren obigen Ausführungen dieser Meinung
uneingeschränkt an.

Nachschrift. Nach den neuesten Berichten aus England hätte Herr
Gladstone in seiner Entrüstung über die Sprache der letzten türkischen Note
den Mächten eine Art Sequestration der Pforte vorgeschlagen. Das Geschwader
bei Dulcigno solle, so heißt es, nach dem Aegeischen Meere abdampfen und
eine der dortigen zur Türkei gehörigen Inseln, sowie einige Häfen Kleinasiens
blockieren, sodaß der Stellerabfluß von hier nach Konstantinopel inhibiert wäre.
Dieser Gedanke mag im englischen Ministerium existieren und den übrigen
Kabinetten auch bereits mitgetheilt worden sein. Einstimmig von ihnen gutge¬
heißen, wie vom "Staudard" hillzilgefttgt wird, ist er aber schwerlich schon, und
wäre er es im allgemeine", so würde es ohne Zweifel geraume Zeit dauern,
bevor man sich über die Einzelnheiten verständigte. Die Pforte hat also immer
noch eine Frist zur Umkehr und zur Unterwerfung unter den Willen der bis
jetzt einig gebliebenen Mächte.




Gneisenaus Briefwechsel
und die Kriege von und M5.^)
(Schluß.)

Gneisenau und seine Freunde hatten den Krieg als einen Befreiungs¬
und Rachekrieg geführt. Nicht nur aus militärischen Gründen hatten sie zu



Das Leben des Feldmarschalls Grafen Neithardt von Gneisenau.
Vierter Band. 1814, 1816. Von Hans Delbrück. Fortsetzung des gleichnamige"Werkes
von G. H, Pech. Berlin, G. Renner, 1880.

erreicht, aber nicht zu ihrem Vortheile; denn die ihr näherstehenden Mächte
würden dann nicht mehr im Stande sein, jenen mäßigenden Einfluß walten zu
lassen, deu sie bisher zu Gunsten der Türken ausgeübt haben. „Die sentimen¬
tale Klage über die harte» Zumuthungen, die man an sie gestellt, ist," wie das
Wiener Blatt bemerkt, „eine völlig ungerechtfertigte. Es wird von ihr nichts
verlangt, als was sie vor mehr als zwei Jahren zugestanden hat, und sie wird
den Versuch endlich aufgeben müssen, die Verwirklichung der europäischen Rechts¬
ordnung, an deren theoretischer Begründung sie selbst theilgenommen, noch länger
Hemmnisse in den Weg zu legen, und je rascher und aufrichtiger sie sich dazu
entschließt, desto mehr werden die Folgen dieses Entschlusses ihr selbst zu Gute
komme»." Wir schließen uns nach unseren obigen Ausführungen dieser Meinung
uneingeschränkt an.

Nachschrift. Nach den neuesten Berichten aus England hätte Herr
Gladstone in seiner Entrüstung über die Sprache der letzten türkischen Note
den Mächten eine Art Sequestration der Pforte vorgeschlagen. Das Geschwader
bei Dulcigno solle, so heißt es, nach dem Aegeischen Meere abdampfen und
eine der dortigen zur Türkei gehörigen Inseln, sowie einige Häfen Kleinasiens
blockieren, sodaß der Stellerabfluß von hier nach Konstantinopel inhibiert wäre.
Dieser Gedanke mag im englischen Ministerium existieren und den übrigen
Kabinetten auch bereits mitgetheilt worden sein. Einstimmig von ihnen gutge¬
heißen, wie vom „Staudard" hillzilgefttgt wird, ist er aber schwerlich schon, und
wäre er es im allgemeine«, so würde es ohne Zweifel geraume Zeit dauern,
bevor man sich über die Einzelnheiten verständigte. Die Pforte hat also immer
noch eine Frist zur Umkehr und zur Unterwerfung unter den Willen der bis
jetzt einig gebliebenen Mächte.




Gneisenaus Briefwechsel
und die Kriege von und M5.^)
(Schluß.)

Gneisenau und seine Freunde hatten den Krieg als einen Befreiungs¬
und Rachekrieg geführt. Nicht nur aus militärischen Gründen hatten sie zu



Das Leben des Feldmarschalls Grafen Neithardt von Gneisenau.
Vierter Band. 1814, 1816. Von Hans Delbrück. Fortsetzung des gleichnamige»Werkes
von G. H, Pech. Berlin, G. Renner, 1880.
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 39, 1880, Viertes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341831_157695/99>, abgerufen am 27.12.2024.