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Die Grenzboten. Jg. 39, 1880, Viertes Quartal.

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und wirklich eine Pensionskasse gegründet, die auf sichern Grundlagen beruht.
So mögen wohl auch noch andere Stände Versuche dieser Art gemacht haben,
ohne daß etwas Näheres darüber bekannt geworden ist.


Carl Heym.


Kldmarschall Fürst Wrede.

Zwei bairischen Heerführern sind in der am Ende der Münchener om,
WWinxtiÄlis gelegenen Feldherrenhalle Standbilder errichtet worden, den Gene¬
ralen Tilly und Wrede. Und noch ein Schicksal haben beide Helden, die hier
als leuchtende Vorbilder der Tapferkeit und der Treue gegen ihren Landesherren
vereinigt sind, gemein gehabt: in einem großen Theile Deutschlands mißachtet
und geschmäht zu werden. Bei den vielen Kämpfen, in welche religiöser Fana¬
tismus und Politik Deutsche gegen Deutsche führte, darf uns das nicht Wunder
nehmen. Ruft doch uur zu leicht der Name Tillys die Erinnerung an das
unglückliche Magdeburg wach, und wer dächte bei Wredes Namen nicht an die
Schergendienste, die er im Auftrage Napoleons gegen die aufständischen Tiroler
leistete?

Während aber neuerdings die Geschichte dem ligistischen General gerechter
geworden ist und in ihm nicht mehr den blutdürstigen Tyrannen sieht, lautet
das Urtheil über Wrede bei den norddeutschen Historikern fast genau noch so
wie vor 50 Jahren. Erst vor kurzem hat noch Heinrich von Treitschke in seiner
deutschen Geschichte ein wenig schmeichelhaftes Bild des bairischen Generals, "des
ruhmbedeckten bairischen Heeres ruhmvollsten", wie ihn sein König Ludwig ge¬
nannt hat, entworfen- Er sieht in ihm den typischen Vertreter jener, den klein-
staatlichen Diplomaten eigenthümlichen impotenten Großmannssucht, welche schou
so viel Schmach über Deutschland gebracht hatte und nunmehr während eines
halben Jahrhunderts das große Wort in unserm Vaterlande führen sollte. Als
ein wackerer Haudegen habe sich Wrede immer bewährt, seit jenen Tagen, da
er den Landsturm der Odenwälder Bauern gegen die Sansculotten führte, bis
herab zu der "Entscheidungsschlacht" von Urals, wie die servile bairische Presse
sagte. Von wirklichem Feldherrntalente habe er so wenig besessen wie von
edler Gesinnung und ernster Bildung. Im Stehlen und im Plündern habe er
es den verworfensten napoleonischen Marschällen gleich gethan, vornehmlich wäh¬
rend des schlesischen Winterfeldzuges im Jahre 1807; von seiner brutalen Roh¬
heit hätten die unglücklichen Tiroler Aufständischen zu erzählen gewußt. Von


und wirklich eine Pensionskasse gegründet, die auf sichern Grundlagen beruht.
So mögen wohl auch noch andere Stände Versuche dieser Art gemacht haben,
ohne daß etwas Näheres darüber bekannt geworden ist.


Carl Heym.


Kldmarschall Fürst Wrede.

Zwei bairischen Heerführern sind in der am Ende der Münchener om,
WWinxtiÄlis gelegenen Feldherrenhalle Standbilder errichtet worden, den Gene¬
ralen Tilly und Wrede. Und noch ein Schicksal haben beide Helden, die hier
als leuchtende Vorbilder der Tapferkeit und der Treue gegen ihren Landesherren
vereinigt sind, gemein gehabt: in einem großen Theile Deutschlands mißachtet
und geschmäht zu werden. Bei den vielen Kämpfen, in welche religiöser Fana¬
tismus und Politik Deutsche gegen Deutsche führte, darf uns das nicht Wunder
nehmen. Ruft doch uur zu leicht der Name Tillys die Erinnerung an das
unglückliche Magdeburg wach, und wer dächte bei Wredes Namen nicht an die
Schergendienste, die er im Auftrage Napoleons gegen die aufständischen Tiroler
leistete?

Während aber neuerdings die Geschichte dem ligistischen General gerechter
geworden ist und in ihm nicht mehr den blutdürstigen Tyrannen sieht, lautet
das Urtheil über Wrede bei den norddeutschen Historikern fast genau noch so
wie vor 50 Jahren. Erst vor kurzem hat noch Heinrich von Treitschke in seiner
deutschen Geschichte ein wenig schmeichelhaftes Bild des bairischen Generals, „des
ruhmbedeckten bairischen Heeres ruhmvollsten", wie ihn sein König Ludwig ge¬
nannt hat, entworfen- Er sieht in ihm den typischen Vertreter jener, den klein-
staatlichen Diplomaten eigenthümlichen impotenten Großmannssucht, welche schou
so viel Schmach über Deutschland gebracht hatte und nunmehr während eines
halben Jahrhunderts das große Wort in unserm Vaterlande führen sollte. Als
ein wackerer Haudegen habe sich Wrede immer bewährt, seit jenen Tagen, da
er den Landsturm der Odenwälder Bauern gegen die Sansculotten führte, bis
herab zu der „Entscheidungsschlacht" von Urals, wie die servile bairische Presse
sagte. Von wirklichem Feldherrntalente habe er so wenig besessen wie von
edler Gesinnung und ernster Bildung. Im Stehlen und im Plündern habe er
es den verworfensten napoleonischen Marschällen gleich gethan, vornehmlich wäh¬
rend des schlesischen Winterfeldzuges im Jahre 1807; von seiner brutalen Roh¬
heit hätten die unglücklichen Tiroler Aufständischen zu erzählen gewußt. Von


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 39, 1880, Viertes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341831_157695/500>, abgerufen am 27.12.2024.