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Die Grenzboten. Jg. 39, 1880, Viertes Quartal.

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einem Oechslein oder Eselein ähnlich - was thuts? Wenn eure Thorheiten
euch glücklich und niemand unglücklich machen -- was geht es andere Leuten
an, daß es Thorheiten sind? Warum sollte nicht der hochweise Rath von
Abdera in feierlicher Procession einer hinter dem andern vom Rathhause bis
zum Tempel der Latona Purzelbäume schlagen dürfen, wenn es dem Rathe
und dem Volke von Abdera so gefällig wäre? Aber, meine lieben Abderiten,
wenn ich sehe, daß ihr durch eure Grillen und Aufwallungen euch und andern
Schaden thut, so müßte ich euer Freund nicht sein, wenn ich dazu schweigen
könnte."




Literatur.
Die Klassiker der ausländischen Literatur in neuen deutschen Uebersetzungen.
Leipzig, Bibliographisches Institut.

Von dieser trefflichen, aufs gewissenhafteste und liebevollste von der Berlags-
handlung gepflegten Uebersetzungsbibliothek haben sich im Laufe des letzten Jahres
an die musterhafte und nach unsrer Meinung noch nicht genug gewürdigte Ueber-
tragung der "Ilias" und der "Odyssee" von F. W. Ehrenthal zwei weitere
Publicationen angeschlossen: Rabelais' geniale Satire "Gargantua und Pan-
tagruel", aus dem Französischen übersetzt von F. A. Gelbcke (2 Bände) und zu¬
letzt eine zweibändige Sammlung Altenglisches Theater, herausgegeben und
zum größten Theile auch übersetzt von Robert Prölß. Die Verlagshandlung er¬
wirbt sich ein großes Verdienst, daß sie den Umkreis ihrer Uebersetzungsbibliothek
durch die Einreihung dieser doch etwas entlegneren Werke der ausländischen Literatur
über den landläufigen Catalogus derartiger Sammlungen hinaus zu erweitern sucht.
Weder von Rabelais noch von den Borläufern'und Zeitgenossen Shakespeares hatten
wir bisher eine deutsche Uebersetzung aufzuweisen, von den letztern überhaupt nicht,
von Rabelais wenigstens keine, die für die weitern Kreise der Gebildeten geeignet
gewesen wäre; um die gelehrte und geistreiche, übrigens so gut wie vergriffene Arbeit
von Regis haben sich nur die Fachgelehrten gekümmert. Wir begnügen uns für
heute mit dem Hinweis, daß beide Publicationen in würdigster Weise ihren Platz
in der Sammlung ausfüllen werden, und theilen von der zweiten wenigstens in
Kürze den Inhalt mit. Der erste Band des Altenglischen Theaters umfaßt die
sogenannte "Spanische Tragödie" von Thomas Kyd, "Eduard II." von Marlowe
und den "Weißen Teufel" von Webster, der zweite Band Forts "Perkin Warbeck"
und Massingers "Großherzog von Florenz". Daß Rabelais keine Frauenlectüre ist,
darüber bedürfen Wohl die Leser d. Bl. keiner Belehrung.


Die Lieder und Sprüche des Omar ChajjAm verdeutscht durch Friedrich
Bodenstedt. Breslau, Schickler, 1881.

Der berühmte persische Astronom Omar ChaMm aus Chorossan, der im 11.
Jahrhundert christlicher Zeitrechnung am Hofe Makel Schäds lebte, hat wirklich
persische Gedichte hinterlassen, von denen Hammer-Purgstall und A. von Schack schon


einem Oechslein oder Eselein ähnlich - was thuts? Wenn eure Thorheiten
euch glücklich und niemand unglücklich machen — was geht es andere Leuten
an, daß es Thorheiten sind? Warum sollte nicht der hochweise Rath von
Abdera in feierlicher Procession einer hinter dem andern vom Rathhause bis
zum Tempel der Latona Purzelbäume schlagen dürfen, wenn es dem Rathe
und dem Volke von Abdera so gefällig wäre? Aber, meine lieben Abderiten,
wenn ich sehe, daß ihr durch eure Grillen und Aufwallungen euch und andern
Schaden thut, so müßte ich euer Freund nicht sein, wenn ich dazu schweigen
könnte."




Literatur.
Die Klassiker der ausländischen Literatur in neuen deutschen Uebersetzungen.
Leipzig, Bibliographisches Institut.

Von dieser trefflichen, aufs gewissenhafteste und liebevollste von der Berlags-
handlung gepflegten Uebersetzungsbibliothek haben sich im Laufe des letzten Jahres
an die musterhafte und nach unsrer Meinung noch nicht genug gewürdigte Ueber-
tragung der „Ilias" und der „Odyssee" von F. W. Ehrenthal zwei weitere
Publicationen angeschlossen: Rabelais' geniale Satire „Gargantua und Pan-
tagruel", aus dem Französischen übersetzt von F. A. Gelbcke (2 Bände) und zu¬
letzt eine zweibändige Sammlung Altenglisches Theater, herausgegeben und
zum größten Theile auch übersetzt von Robert Prölß. Die Verlagshandlung er¬
wirbt sich ein großes Verdienst, daß sie den Umkreis ihrer Uebersetzungsbibliothek
durch die Einreihung dieser doch etwas entlegneren Werke der ausländischen Literatur
über den landläufigen Catalogus derartiger Sammlungen hinaus zu erweitern sucht.
Weder von Rabelais noch von den Borläufern'und Zeitgenossen Shakespeares hatten
wir bisher eine deutsche Uebersetzung aufzuweisen, von den letztern überhaupt nicht,
von Rabelais wenigstens keine, die für die weitern Kreise der Gebildeten geeignet
gewesen wäre; um die gelehrte und geistreiche, übrigens so gut wie vergriffene Arbeit
von Regis haben sich nur die Fachgelehrten gekümmert. Wir begnügen uns für
heute mit dem Hinweis, daß beide Publicationen in würdigster Weise ihren Platz
in der Sammlung ausfüllen werden, und theilen von der zweiten wenigstens in
Kürze den Inhalt mit. Der erste Band des Altenglischen Theaters umfaßt die
sogenannte „Spanische Tragödie" von Thomas Kyd, „Eduard II." von Marlowe
und den „Weißen Teufel" von Webster, der zweite Band Forts „Perkin Warbeck"
und Massingers „Großherzog von Florenz". Daß Rabelais keine Frauenlectüre ist,
darüber bedürfen Wohl die Leser d. Bl. keiner Belehrung.


Die Lieder und Sprüche des Omar ChajjAm verdeutscht durch Friedrich
Bodenstedt. Breslau, Schickler, 1881.

Der berühmte persische Astronom Omar ChaMm aus Chorossan, der im 11.
Jahrhundert christlicher Zeitrechnung am Hofe Makel Schäds lebte, hat wirklich
persische Gedichte hinterlassen, von denen Hammer-Purgstall und A. von Schack schon


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[0477] einem Oechslein oder Eselein ähnlich - was thuts? Wenn eure Thorheiten euch glücklich und niemand unglücklich machen — was geht es andere Leuten an, daß es Thorheiten sind? Warum sollte nicht der hochweise Rath von Abdera in feierlicher Procession einer hinter dem andern vom Rathhause bis zum Tempel der Latona Purzelbäume schlagen dürfen, wenn es dem Rathe und dem Volke von Abdera so gefällig wäre? Aber, meine lieben Abderiten, wenn ich sehe, daß ihr durch eure Grillen und Aufwallungen euch und andern Schaden thut, so müßte ich euer Freund nicht sein, wenn ich dazu schweigen könnte." Literatur. Die Klassiker der ausländischen Literatur in neuen deutschen Uebersetzungen. Leipzig, Bibliographisches Institut. Von dieser trefflichen, aufs gewissenhafteste und liebevollste von der Berlags- handlung gepflegten Uebersetzungsbibliothek haben sich im Laufe des letzten Jahres an die musterhafte und nach unsrer Meinung noch nicht genug gewürdigte Ueber- tragung der „Ilias" und der „Odyssee" von F. W. Ehrenthal zwei weitere Publicationen angeschlossen: Rabelais' geniale Satire „Gargantua und Pan- tagruel", aus dem Französischen übersetzt von F. A. Gelbcke (2 Bände) und zu¬ letzt eine zweibändige Sammlung Altenglisches Theater, herausgegeben und zum größten Theile auch übersetzt von Robert Prölß. Die Verlagshandlung er¬ wirbt sich ein großes Verdienst, daß sie den Umkreis ihrer Uebersetzungsbibliothek durch die Einreihung dieser doch etwas entlegneren Werke der ausländischen Literatur über den landläufigen Catalogus derartiger Sammlungen hinaus zu erweitern sucht. Weder von Rabelais noch von den Borläufern'und Zeitgenossen Shakespeares hatten wir bisher eine deutsche Uebersetzung aufzuweisen, von den letztern überhaupt nicht, von Rabelais wenigstens keine, die für die weitern Kreise der Gebildeten geeignet gewesen wäre; um die gelehrte und geistreiche, übrigens so gut wie vergriffene Arbeit von Regis haben sich nur die Fachgelehrten gekümmert. Wir begnügen uns für heute mit dem Hinweis, daß beide Publicationen in würdigster Weise ihren Platz in der Sammlung ausfüllen werden, und theilen von der zweiten wenigstens in Kürze den Inhalt mit. Der erste Band des Altenglischen Theaters umfaßt die sogenannte „Spanische Tragödie" von Thomas Kyd, „Eduard II." von Marlowe und den „Weißen Teufel" von Webster, der zweite Band Forts „Perkin Warbeck" und Massingers „Großherzog von Florenz". Daß Rabelais keine Frauenlectüre ist, darüber bedürfen Wohl die Leser d. Bl. keiner Belehrung. Die Lieder und Sprüche des Omar ChajjAm verdeutscht durch Friedrich Bodenstedt. Breslau, Schickler, 1881. Der berühmte persische Astronom Omar ChaMm aus Chorossan, der im 11. Jahrhundert christlicher Zeitrechnung am Hofe Makel Schäds lebte, hat wirklich persische Gedichte hinterlassen, von denen Hammer-Purgstall und A. von Schack schon

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 39, 1880, Viertes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341831_157695/477>, abgerufen am 27.12.2024.