Die Grenzboten. Jg. 39, 1880, Viertes Quartal.Zur Reform des Hastpflichtgesetzes. cLuno Stommel, von 3. Die allgemeine Arbeiter Versicherung. Die schwere Bedrohung unsrer wirthschaftlichen Ordnung durch die Social¬ Das mindeste, was die Krisenversicheruug leisten muß, ist die Zahlung Zur Reform des Hastpflichtgesetzes. cLuno Stommel, von 3. Die allgemeine Arbeiter Versicherung. Die schwere Bedrohung unsrer wirthschaftlichen Ordnung durch die Social¬ Das mindeste, was die Krisenversicheruug leisten muß, ist die Zahlung <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0348" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/147995"/> </div> <div n="1"> <head> Zur Reform des Hastpflichtgesetzes.<lb/><note type="byline"> cLuno Stommel,</note> von<lb/> 3. Die allgemeine Arbeiter Versicherung. </head><lb/> <p xml:id="ID_949"> Die schwere Bedrohung unsrer wirthschaftlichen Ordnung durch die Social¬<lb/> demokratie läßt sich im Grunde zurückführen auf die tiefe Unzufriedenheit der<lb/> Arbeiterklassen mit der Unsicherheit ihrer Existenz. Daß das Elend der Ar¬<lb/> beiterbevölkerung unzertrennlich mit unserm gegenwärtigen Wirthschaftssystem ver¬<lb/> bunden sei, ist eines der bekannten volkswirtschaftlichen Schlagwörter, die fast<lb/> zum Dogma geworden sind, für die aber dennoch der thatsächliche Beweis fehlt.<lb/> Im Gegentheil, wenn man einmal alle Consequenzen dieses Systems der mo¬<lb/> dernen Productionsweise auch für den Arbeiter gezogen haben wird, so dürfte sich<lb/> herausstellen, daß jene viel geschmähte Wirthschastsordnuug nicht nur lebenskräftig,<lb/> sondern auch harmonisch wirken kann. In wechselvollen Zeiten sehen wir die<lb/> Löhne bald zu hoch steigen, bald zu tief fallen; einmal werden aus allen Gebieten des<lb/> Landes ungeheure Arbeitskräfte in die Jndustrieceutren hineingezogen, ein an¬<lb/> dermal werden die so gewordenen Reservearmeen der Arbeit wieder auf die<lb/> Gesellschaft abgewälzt, um vou dieser durch Armenunterstützung etc. so lange<lb/> erhalten zu werden, bis neue Aufschwungszeiten wiederkehren. Das Schwanken<lb/> dieser Verhältnisse läßt dem Arbeiter die Beständigkeit eines einfachen und men¬<lb/> schenwürdigen Daseins nicht zum Bewußtsein kommen; sowohl aus dem Ueber¬<lb/> fluß wie aus der Entbehrung trägt er nur Einbuße seiner sittlichen Spannkraft<lb/> davon. Die ihn stets bedrohende Gefahr einer ungewissen, meist traurigen Zu¬<lb/> kunft ist der Hauptgrund seiner sittlichen Haltlosigkeit und seines socialen No-<lb/> madenthums. Alle Gefahren, welche die Person des Arbeiters bedrohen, Krank¬<lb/> heit, Unfall, Invalidität, Tod, müssen für ihn oder seine Familie verhängnißvoll<lb/> werden. Diese Gefahren werden aber in der verderblichsten Weise gesteigert<lb/> durch die Absatzkrisen und die damit verbundeneu Zeiten periodischer Arbeits¬<lb/> losigkeit. Jede Vorsorge, welche der Arbeiter gegen die übrigen Gefahren etwa<lb/> trifft, wird durch eine Arbeitsstockung in Frage gestellt; wenn er z. B. durch<lb/> eine solche anßer Stand gesetzt wird, die Beiträge für seine Versicherung ze.<lb/> zu zahlen. Die Versicherung gegen Arbeitslosigkeit (die Krisenversicherung)<lb/> gehört also mit in den Bereich unsrer Untersuchung als sechste Unterab¬<lb/> theilung.</p><lb/> <p xml:id="ID_950" next="#ID_951"> Das mindeste, was die Krisenversicheruug leisten muß, ist die Zahlung<lb/> der Versicherungsprämie sür den arbeitslosen Arbeiter, so lange dessen Arbeits-</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0348]
Zur Reform des Hastpflichtgesetzes.
cLuno Stommel, von
3. Die allgemeine Arbeiter Versicherung.
Die schwere Bedrohung unsrer wirthschaftlichen Ordnung durch die Social¬
demokratie läßt sich im Grunde zurückführen auf die tiefe Unzufriedenheit der
Arbeiterklassen mit der Unsicherheit ihrer Existenz. Daß das Elend der Ar¬
beiterbevölkerung unzertrennlich mit unserm gegenwärtigen Wirthschaftssystem ver¬
bunden sei, ist eines der bekannten volkswirtschaftlichen Schlagwörter, die fast
zum Dogma geworden sind, für die aber dennoch der thatsächliche Beweis fehlt.
Im Gegentheil, wenn man einmal alle Consequenzen dieses Systems der mo¬
dernen Productionsweise auch für den Arbeiter gezogen haben wird, so dürfte sich
herausstellen, daß jene viel geschmähte Wirthschastsordnuug nicht nur lebenskräftig,
sondern auch harmonisch wirken kann. In wechselvollen Zeiten sehen wir die
Löhne bald zu hoch steigen, bald zu tief fallen; einmal werden aus allen Gebieten des
Landes ungeheure Arbeitskräfte in die Jndustrieceutren hineingezogen, ein an¬
dermal werden die so gewordenen Reservearmeen der Arbeit wieder auf die
Gesellschaft abgewälzt, um vou dieser durch Armenunterstützung etc. so lange
erhalten zu werden, bis neue Aufschwungszeiten wiederkehren. Das Schwanken
dieser Verhältnisse läßt dem Arbeiter die Beständigkeit eines einfachen und men¬
schenwürdigen Daseins nicht zum Bewußtsein kommen; sowohl aus dem Ueber¬
fluß wie aus der Entbehrung trägt er nur Einbuße seiner sittlichen Spannkraft
davon. Die ihn stets bedrohende Gefahr einer ungewissen, meist traurigen Zu¬
kunft ist der Hauptgrund seiner sittlichen Haltlosigkeit und seines socialen No-
madenthums. Alle Gefahren, welche die Person des Arbeiters bedrohen, Krank¬
heit, Unfall, Invalidität, Tod, müssen für ihn oder seine Familie verhängnißvoll
werden. Diese Gefahren werden aber in der verderblichsten Weise gesteigert
durch die Absatzkrisen und die damit verbundeneu Zeiten periodischer Arbeits¬
losigkeit. Jede Vorsorge, welche der Arbeiter gegen die übrigen Gefahren etwa
trifft, wird durch eine Arbeitsstockung in Frage gestellt; wenn er z. B. durch
eine solche anßer Stand gesetzt wird, die Beiträge für seine Versicherung ze.
zu zahlen. Die Versicherung gegen Arbeitslosigkeit (die Krisenversicherung)
gehört also mit in den Bereich unsrer Untersuchung als sechste Unterab¬
theilung.
Das mindeste, was die Krisenversicheruug leisten muß, ist die Zahlung
der Versicherungsprämie sür den arbeitslosen Arbeiter, so lange dessen Arbeits-
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