Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 39, 1880, Viertes Quartal.

Bild:
<< vorherige Seite
Die staatsfeindliche Praxis des ultramontanen Klerus.

Wenn es bei der Schließung der Klöster und der Austreibung der ren

enden Mönche, die vor kurzem in ganz Frankreich stattfand, nicht zum Bürger¬
kriege oder wenigstens zu localen Unruhen und Aufständen ernster Art gekom¬
men ist, so gebührt das Verdienst gewiß nicht den Ultramontanen, gegen welche
sich die betreffenden Decrete kehrten. Sie konnten nicht mehr thun; die Regie¬
rung war zu stark, um ihnen mehr als passiven Widerstand räthlich erscheinen
zu lassen.

Daß es an dem Willen zu activer Bekämpfung des Staates, der angeb¬
liche Rechte der römischen Kirche nicht anerkannte, in manchen Kreisen nicht ge¬
fehlt hat, ist bekannt. Wir erinnern nur an die drohenden Phrasen Charettes
im Lande der Chouans und ähnliche Kundgebungen der Partei, welche die
Velleitüten von Froschdorf und die Maximen und Tendenzen der Jesuiten, der
"schwarzen Jacobiner", in anmuthiger Verschlingung auf ihrer Fahne trägt. In
Lyon erstach einer der Muscadins, welche derselben folgen, einen Arbeiter, der
die Decrete leben ließ, in Bourges prügelte ein ultramvntaner Offizier einen
der Umstehenden, welcher sich desselben lauten Wohlgefallens an der Action der
Behörden gegen die widerhaarigen Congregationen schuldig machte, mit der Reit¬
gerte, in Amiens schössen klerikale Fanatiker mit Revolvern, und in Tarascon
ließen sich die Prämonstratenserfraters in ihrem burgartig auf einem Berge
gelegenen Kloster von der Polizei und den Truppen der Republik förmlich
belagern.

Im allgemeinen aber kann man von diesen Vorgängen sagen: die Ultra-
montanen hätten gern eine Tragödie aufgeführt, es gelang ihnen aber nur, eine
Komödie zu Stande zu bringen, die, da man offenbar nach bestimmter Anwei¬
sung vom Hauptquartiere verfuhr, überall, in Paris wie in den Provinzen, die
gleichen Züge zeigte. Man verschloß, verriegelte und verrammelte die Pforten
der Klöster, baute im Innern derselben Barrikaden, ließ die Polizei jede einzelne
Zelle mit Gewalt öffnen, in der Hausflur und auf den Gängen standen, mit


ttircnzlwtni IV. I"5Ä>. 44
Die staatsfeindliche Praxis des ultramontanen Klerus.

Wenn es bei der Schließung der Klöster und der Austreibung der ren

enden Mönche, die vor kurzem in ganz Frankreich stattfand, nicht zum Bürger¬
kriege oder wenigstens zu localen Unruhen und Aufständen ernster Art gekom¬
men ist, so gebührt das Verdienst gewiß nicht den Ultramontanen, gegen welche
sich die betreffenden Decrete kehrten. Sie konnten nicht mehr thun; die Regie¬
rung war zu stark, um ihnen mehr als passiven Widerstand räthlich erscheinen
zu lassen.

Daß es an dem Willen zu activer Bekämpfung des Staates, der angeb¬
liche Rechte der römischen Kirche nicht anerkannte, in manchen Kreisen nicht ge¬
fehlt hat, ist bekannt. Wir erinnern nur an die drohenden Phrasen Charettes
im Lande der Chouans und ähnliche Kundgebungen der Partei, welche die
Velleitüten von Froschdorf und die Maximen und Tendenzen der Jesuiten, der
„schwarzen Jacobiner", in anmuthiger Verschlingung auf ihrer Fahne trägt. In
Lyon erstach einer der Muscadins, welche derselben folgen, einen Arbeiter, der
die Decrete leben ließ, in Bourges prügelte ein ultramvntaner Offizier einen
der Umstehenden, welcher sich desselben lauten Wohlgefallens an der Action der
Behörden gegen die widerhaarigen Congregationen schuldig machte, mit der Reit¬
gerte, in Amiens schössen klerikale Fanatiker mit Revolvern, und in Tarascon
ließen sich die Prämonstratenserfraters in ihrem burgartig auf einem Berge
gelegenen Kloster von der Polizei und den Truppen der Republik förmlich
belagern.

Im allgemeinen aber kann man von diesen Vorgängen sagen: die Ultra-
montanen hätten gern eine Tragödie aufgeführt, es gelang ihnen aber nur, eine
Komödie zu Stande zu bringen, die, da man offenbar nach bestimmter Anwei¬
sung vom Hauptquartiere verfuhr, überall, in Paris wie in den Provinzen, die
gleichen Züge zeigte. Man verschloß, verriegelte und verrammelte die Pforten
der Klöster, baute im Innern derselben Barrikaden, ließ die Polizei jede einzelne
Zelle mit Gewalt öffnen, in der Hausflur und auf den Gängen standen, mit


ttircnzlwtni IV. I«5Ä>. 44
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0337" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/147984"/>
        </div>
        <div n="1">
          <head> Die staatsfeindliche Praxis des ultramontanen Klerus.</head><lb/>
          <p xml:id="ID_918"> Wenn es bei der Schließung der Klöster und der Austreibung der ren<lb/><lb/>
enden Mönche, die vor kurzem in ganz Frankreich stattfand, nicht zum Bürger¬<lb/>
kriege oder wenigstens zu localen Unruhen und Aufständen ernster Art gekom¬<lb/>
men ist, so gebührt das Verdienst gewiß nicht den Ultramontanen, gegen welche<lb/>
sich die betreffenden Decrete kehrten. Sie konnten nicht mehr thun; die Regie¬<lb/>
rung war zu stark, um ihnen mehr als passiven Widerstand räthlich erscheinen<lb/>
zu lassen.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_919"> Daß es an dem Willen zu activer Bekämpfung des Staates, der angeb¬<lb/>
liche Rechte der römischen Kirche nicht anerkannte, in manchen Kreisen nicht ge¬<lb/>
fehlt hat, ist bekannt. Wir erinnern nur an die drohenden Phrasen Charettes<lb/>
im Lande der Chouans und ähnliche Kundgebungen der Partei, welche die<lb/>
Velleitüten von Froschdorf und die Maximen und Tendenzen der Jesuiten, der<lb/>
&#x201E;schwarzen Jacobiner", in anmuthiger Verschlingung auf ihrer Fahne trägt. In<lb/>
Lyon erstach einer der Muscadins, welche derselben folgen, einen Arbeiter, der<lb/>
die Decrete leben ließ, in Bourges prügelte ein ultramvntaner Offizier einen<lb/>
der Umstehenden, welcher sich desselben lauten Wohlgefallens an der Action der<lb/>
Behörden gegen die widerhaarigen Congregationen schuldig machte, mit der Reit¬<lb/>
gerte, in Amiens schössen klerikale Fanatiker mit Revolvern, und in Tarascon<lb/>
ließen sich die Prämonstratenserfraters in ihrem burgartig auf einem Berge<lb/>
gelegenen Kloster von der Polizei und den Truppen der Republik förmlich<lb/>
belagern.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_920" next="#ID_921"> Im allgemeinen aber kann man von diesen Vorgängen sagen: die Ultra-<lb/>
montanen hätten gern eine Tragödie aufgeführt, es gelang ihnen aber nur, eine<lb/>
Komödie zu Stande zu bringen, die, da man offenbar nach bestimmter Anwei¬<lb/>
sung vom Hauptquartiere verfuhr, überall, in Paris wie in den Provinzen, die<lb/>
gleichen Züge zeigte. Man verschloß, verriegelte und verrammelte die Pforten<lb/>
der Klöster, baute im Innern derselben Barrikaden, ließ die Polizei jede einzelne<lb/>
Zelle mit Gewalt öffnen, in der Hausflur und auf den Gängen standen, mit</p><lb/>
          <fw type="sig" place="bottom"> ttircnzlwtni IV. I«5Ä&gt;. 44</fw><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0337] Die staatsfeindliche Praxis des ultramontanen Klerus. Wenn es bei der Schließung der Klöster und der Austreibung der ren n¬ enden Mönche, die vor kurzem in ganz Frankreich stattfand, nicht zum Bürger¬ kriege oder wenigstens zu localen Unruhen und Aufständen ernster Art gekom¬ men ist, so gebührt das Verdienst gewiß nicht den Ultramontanen, gegen welche sich die betreffenden Decrete kehrten. Sie konnten nicht mehr thun; die Regie¬ rung war zu stark, um ihnen mehr als passiven Widerstand räthlich erscheinen zu lassen. Daß es an dem Willen zu activer Bekämpfung des Staates, der angeb¬ liche Rechte der römischen Kirche nicht anerkannte, in manchen Kreisen nicht ge¬ fehlt hat, ist bekannt. Wir erinnern nur an die drohenden Phrasen Charettes im Lande der Chouans und ähnliche Kundgebungen der Partei, welche die Velleitüten von Froschdorf und die Maximen und Tendenzen der Jesuiten, der „schwarzen Jacobiner", in anmuthiger Verschlingung auf ihrer Fahne trägt. In Lyon erstach einer der Muscadins, welche derselben folgen, einen Arbeiter, der die Decrete leben ließ, in Bourges prügelte ein ultramvntaner Offizier einen der Umstehenden, welcher sich desselben lauten Wohlgefallens an der Action der Behörden gegen die widerhaarigen Congregationen schuldig machte, mit der Reit¬ gerte, in Amiens schössen klerikale Fanatiker mit Revolvern, und in Tarascon ließen sich die Prämonstratenserfraters in ihrem burgartig auf einem Berge gelegenen Kloster von der Polizei und den Truppen der Republik förmlich belagern. Im allgemeinen aber kann man von diesen Vorgängen sagen: die Ultra- montanen hätten gern eine Tragödie aufgeführt, es gelang ihnen aber nur, eine Komödie zu Stande zu bringen, die, da man offenbar nach bestimmter Anwei¬ sung vom Hauptquartiere verfuhr, überall, in Paris wie in den Provinzen, die gleichen Züge zeigte. Man verschloß, verriegelte und verrammelte die Pforten der Klöster, baute im Innern derselben Barrikaden, ließ die Polizei jede einzelne Zelle mit Gewalt öffnen, in der Hausflur und auf den Gängen standen, mit ttircnzlwtni IV. I«5Ä>. 44

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341831_157695
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341831_157695/337
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 39, 1880, Viertes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341831_157695/337>, abgerufen am 27.12.2024.