Die Grenzboten. Jg. 39, 1880, Viertes Quartal.in Hunderten von Acten, die zwar nicht mit Blutvergießen endigen, weil die Die Pflicht der Regierung angesichts der Parnellschen Wühlerei und der Das deutsche Judenthum in seiner Heimat. Lrnst von der Brugger. Von (Fortsetzung.) Mir find keine zuverlässigen statistischen Nachweise über die Stärke der Es ist merkwürdig und bedauerlich, daß, während jährlich so viel Juden in Hunderten von Acten, die zwar nicht mit Blutvergießen endigen, weil die Die Pflicht der Regierung angesichts der Parnellschen Wühlerei und der Das deutsche Judenthum in seiner Heimat. Lrnst von der Brugger. Von (Fortsetzung.) Mir find keine zuverlässigen statistischen Nachweise über die Stärke der Es ist merkwürdig und bedauerlich, daß, während jährlich so viel Juden <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0262" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/147909"/> <p xml:id="ID_713" prev="#ID_712"> in Hunderten von Acten, die zwar nicht mit Blutvergießen endigen, weil die<lb/> Gutsherren sich fürchten, ihre Befugnisse zur Geltung zu bringen, die aber das<lb/> Gesetz ganz ebenso verhöhnen wie jene.</p><lb/> <p xml:id="ID_714"> Die Pflicht der Regierung angesichts der Parnellschen Wühlerei und der<lb/> Folgen derselben besteht aber nicht bloß in der Repression, sondern auch in der<lb/> Reform der Zustände, welche den Wühlern eine Handhabe für ihr Treiben ge¬<lb/> liefert haben. Erst zeigen, daß noch regiert wird, dann erkennen lassen, daß<lb/> man geneigt ist, rasch und gründlich zu bessern, was der Besserung bedarf —<lb/> das muß die Parole des Ministeriums sein, wenn hier auf die Dauer geholfen<lb/> werden soll. Darüber wollen wir uns in einem Schlußartikel aussprechen.</p><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> </div> <div n="1"> <head> Das deutsche Judenthum in seiner Heimat.<lb/><note type="byline"> Lrnst von der Brugger.</note> Von (Fortsetzung.) </head><lb/> <p xml:id="ID_715"> Mir find keine zuverlässigen statistischen Nachweise über die Stärke der<lb/> bisherigen jüdischen Einwanderung nach Deutschland bekannt, und manche aus<lb/> dem jüdischen Lager wollen aus diesem Mangel statistischer Nachweise wahr¬<lb/> scheinlich machen, daß eine starke Einwanderung nicht vorhanden sei. Ich stehe<lb/> nicht an zu glauben, daß diese Einwanderung in raschem Wachsen begriffen<lb/> ist. Die örtliche Erfahrung hat mir gezeigt, daß jährlich Hunderte über die<lb/> russisch-deutsche Grenze gehen, daß Berlin sich sehr erheblich von dorther mit<lb/> Juden versorgt. Die Kenntniß der jüdischen Art läßt mich annehmen, daß, je<lb/> bequemer die Mittel des Verkehrs werden, um so stärker der Andrang der<lb/> polnischen Juden dorthin sein wird, wo das Geld in größerer Menge als in<lb/> Polen vorhanden ist. Der Osten ist arm, der Westen hat mehr Verlockendes<lb/> für den Juden, der um ein paar Mark seinen Handel mit Bettlern vertauschen<lb/> kann gegen einen Handel mit einer vermögenderen Bevölkerung. Nicht Posen<lb/> und Westpreußen, sondern Rußland, Oesterreich, Ungarn und die Donauländer<lb/> bilden die große Vorrathskammer, welche uns mit Juden versorgt und immer<lb/> reichlicher versorgen wird.</p><lb/> <p xml:id="ID_716" next="#ID_717"> Es ist merkwürdig und bedauerlich, daß, während jährlich so viel Juden<lb/> ihrem Glauben entsagen, sich noch keine große Partei im Judenthum gefunden<lb/> hat, die eine Reformation dieses Glaubens anbahnte. Denn das Judenthum,<lb/> welches sich selbst ein reformiertes nennt, verhält sich ablehnend mehr z»</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0262]
in Hunderten von Acten, die zwar nicht mit Blutvergießen endigen, weil die
Gutsherren sich fürchten, ihre Befugnisse zur Geltung zu bringen, die aber das
Gesetz ganz ebenso verhöhnen wie jene.
Die Pflicht der Regierung angesichts der Parnellschen Wühlerei und der
Folgen derselben besteht aber nicht bloß in der Repression, sondern auch in der
Reform der Zustände, welche den Wühlern eine Handhabe für ihr Treiben ge¬
liefert haben. Erst zeigen, daß noch regiert wird, dann erkennen lassen, daß
man geneigt ist, rasch und gründlich zu bessern, was der Besserung bedarf —
das muß die Parole des Ministeriums sein, wenn hier auf die Dauer geholfen
werden soll. Darüber wollen wir uns in einem Schlußartikel aussprechen.
Das deutsche Judenthum in seiner Heimat.
Lrnst von der Brugger. Von (Fortsetzung.)
Mir find keine zuverlässigen statistischen Nachweise über die Stärke der
bisherigen jüdischen Einwanderung nach Deutschland bekannt, und manche aus
dem jüdischen Lager wollen aus diesem Mangel statistischer Nachweise wahr¬
scheinlich machen, daß eine starke Einwanderung nicht vorhanden sei. Ich stehe
nicht an zu glauben, daß diese Einwanderung in raschem Wachsen begriffen
ist. Die örtliche Erfahrung hat mir gezeigt, daß jährlich Hunderte über die
russisch-deutsche Grenze gehen, daß Berlin sich sehr erheblich von dorther mit
Juden versorgt. Die Kenntniß der jüdischen Art läßt mich annehmen, daß, je
bequemer die Mittel des Verkehrs werden, um so stärker der Andrang der
polnischen Juden dorthin sein wird, wo das Geld in größerer Menge als in
Polen vorhanden ist. Der Osten ist arm, der Westen hat mehr Verlockendes
für den Juden, der um ein paar Mark seinen Handel mit Bettlern vertauschen
kann gegen einen Handel mit einer vermögenderen Bevölkerung. Nicht Posen
und Westpreußen, sondern Rußland, Oesterreich, Ungarn und die Donauländer
bilden die große Vorrathskammer, welche uns mit Juden versorgt und immer
reichlicher versorgen wird.
Es ist merkwürdig und bedauerlich, daß, während jährlich so viel Juden
ihrem Glauben entsagen, sich noch keine große Partei im Judenthum gefunden
hat, die eine Reformation dieses Glaubens anbahnte. Denn das Judenthum,
welches sich selbst ein reformiertes nennt, verhält sich ablehnend mehr z»
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