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Die Grenzboten. Jg. 39, 1880, Viertes Quartal.

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seiste Verwaltungsmaschine des Staates und der Communen einen andern Charakter
und zwar nicht einen bessern annehmen werden. Denn der polnische Jude ist
an Intelligenz der Masse ebenso des russischen Landvolkes wie des russischen
Städters und des russischen Beamten und Edelmannes überlegen und würde
ohne Zweifel bald sich überall in herrschender Stellung festsetzen. Dieses wird
leicht erwiesen durch eine hundertfache Erfahrung, dnrch die gegenwärtige Er¬
scheinung, daß das Judenthum trotz aller gesetzlichen Hindernisse oft zu einer
herrschenden Rolle aufsteigt. Der russische Staat würde wesentlich verändert
werden. Vielleicht zum Bessern, vielleicht aber auch nicht. Und wenn auch zNm
Bessern, so doch erst uach langem Kampfe und nicht jun Sinne des Russenthums.
Es wäre aber schwer, ein Volk von fünfzig Millionen zu überzeugen, daß es
gut thäte, um seiner und anderer willen einer Aenderung in seinem Volkscharakter
und Eigenart sich zu unterziehen. Daher darf man zweifeln, ob der russische
Staat freiwillig solcher Umwandlung durch das Judenthum sich darbieten werde.
Um so mehr als die Periode des Liberalismus a outranoo in Westeuropa
vorüber zu sein scheint und als der russische Liberalismus bisher eine ziemlich
starke Beimischung von gesunder Selbstsucht aufweist, die jenem schwärmenden
Liberalismus feindlich ist. Und so bliebe die Frage ungelöst, so strömte fort
und fort diese jüdische Einwanderung schlechtester Art von Rußland, von Oester¬
reich und der untern Donau her nach Deutschland.

(Fortsetzung folgt.)




Aus Karl Woermanns Kunst- und Naturskizzen.*)
1. Der Haag. Haarlem. Amsterdam.

Haag, den 2. September 1878. Unser erster Tag in Hollands anmuthiger
Residenzstadt war der berühmten Gemäldegalerie gewidmet. Hier giebt es
viel für mich zu thun, und ich muß jede Stunde benutzen. Die Abendstunde"



*) Prof. Woermann in Düsseldorf, unser hochgeschätzter Mitarbeiter, ist im Begriff,
ein zweibändiges Werk zu veröffentlichen! "Kunst- und Naturskizzen aus Nord- und Süd-
Europa", die Schilderung einer großen Reise, die er speciell zu dem Zwecke unternommen,
dnrch das Studium der Gemäldegalerieen und den Besuch der am meisten gemalten
Gegenden Europas das Material zu einer Gesammtgeschichte der Landschaftsmalerei zu sam¬
meln. Durch die Güte des Verfassers und das Entgegenkommen des Verlegers (Vosi in
Düsseldorf) sind wir in den Stand gesetzt, unsern Lesern schon jetzt einige Proben aus
D. Red. dein hochinteressanter Werke vorzulegen.

seiste Verwaltungsmaschine des Staates und der Communen einen andern Charakter
und zwar nicht einen bessern annehmen werden. Denn der polnische Jude ist
an Intelligenz der Masse ebenso des russischen Landvolkes wie des russischen
Städters und des russischen Beamten und Edelmannes überlegen und würde
ohne Zweifel bald sich überall in herrschender Stellung festsetzen. Dieses wird
leicht erwiesen durch eine hundertfache Erfahrung, dnrch die gegenwärtige Er¬
scheinung, daß das Judenthum trotz aller gesetzlichen Hindernisse oft zu einer
herrschenden Rolle aufsteigt. Der russische Staat würde wesentlich verändert
werden. Vielleicht zum Bessern, vielleicht aber auch nicht. Und wenn auch zNm
Bessern, so doch erst uach langem Kampfe und nicht jun Sinne des Russenthums.
Es wäre aber schwer, ein Volk von fünfzig Millionen zu überzeugen, daß es
gut thäte, um seiner und anderer willen einer Aenderung in seinem Volkscharakter
und Eigenart sich zu unterziehen. Daher darf man zweifeln, ob der russische
Staat freiwillig solcher Umwandlung durch das Judenthum sich darbieten werde.
Um so mehr als die Periode des Liberalismus a outranoo in Westeuropa
vorüber zu sein scheint und als der russische Liberalismus bisher eine ziemlich
starke Beimischung von gesunder Selbstsucht aufweist, die jenem schwärmenden
Liberalismus feindlich ist. Und so bliebe die Frage ungelöst, so strömte fort
und fort diese jüdische Einwanderung schlechtester Art von Rußland, von Oester¬
reich und der untern Donau her nach Deutschland.

(Fortsetzung folgt.)




Aus Karl Woermanns Kunst- und Naturskizzen.*)
1. Der Haag. Haarlem. Amsterdam.

Haag, den 2. September 1878. Unser erster Tag in Hollands anmuthiger
Residenzstadt war der berühmten Gemäldegalerie gewidmet. Hier giebt es
viel für mich zu thun, und ich muß jede Stunde benutzen. Die Abendstunde»



*) Prof. Woermann in Düsseldorf, unser hochgeschätzter Mitarbeiter, ist im Begriff,
ein zweibändiges Werk zu veröffentlichen! „Kunst- und Naturskizzen aus Nord- und Süd-
Europa", die Schilderung einer großen Reise, die er speciell zu dem Zwecke unternommen,
dnrch das Studium der Gemäldegalerieen und den Besuch der am meisten gemalten
Gegenden Europas das Material zu einer Gesammtgeschichte der Landschaftsmalerei zu sam¬
meln. Durch die Güte des Verfassers und das Entgegenkommen des Verlegers (Vosi in
Düsseldorf) sind wir in den Stand gesetzt, unsern Lesern schon jetzt einige Proben aus
D. Red. dein hochinteressanter Werke vorzulegen.
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 39, 1880, Viertes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341831_157695/230>, abgerufen am 27.12.2024.