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Die Grenzboten. Jg. 39, 1880, Viertes Quartal.

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Pferd, keine Kuh kaufen oder verkaufen, keinen Krug halten ohne Juden, weil
niemand besser als dieser die Menschen und Thiere der Nachbarschaft kennt.
Zudem ist der Jude ihm so bequem, so bereit zu jedweder außerordentlichen
Sendung, er versteht so rasch die Wünsche des Herrn zu durchschauen, kann so
scharf Auskunft geben über Land und Leute. Und solange es ihm erträglich
geht, ist er auch treu, in seiner Art redlich. Auch zeichnet sich der hiesige Jude
dadurch aus, daß er fester auf der Scholle sitzt als sein Stammesgenosse, der
nach dem Westen ging. Er verläßt im Durchschnitt nur schwer den Ort, wo
er erwuchs, und kehrt gern dahin zurück, er hält zäh auf dem Platze aus, bei
dem Herrn, dessen Brod er ißt, vorausgesetzt freilich, daß dieses Brod nicht zu
mager und unsicher ist. Er hängt treu an Sitte und Sippe. Im Grunde
allerdings ist das Geld auch hier dasjenige, woran er am treuesten hängt; nur
bindet ihn ein gewisses patriarchalisches Verhältniß oft an seinen Brodherrn,
dem doch ein Stücklein sittlichen Gemüthslebens zu Grunde liegt.

(Fortsetzung folgt.)




Die Hauptströmungen in der bildenden Kunst der
Gegenwart.
9. Die Schule Pilvtys: Ungarn, Böhmen, Polen und Griechen.

Der Ruhm der Pilotyschule war in den sechziger Jahren so allgewaltig,
daß er über die Grenzen Deutschlands hinaus selbst in Gegenden drang, in
welchen vou Kunst wenig oder gar nicht die Rede ist. Aus Rußland, Polen,
Böhmen und Ungarn eilten die Kunstbeflissenen herbei, um von Meister Piloty
das große Geheimniß des glänzenden Colorits zu lernen und dann getrost nach
Hause zu tragen. Die meisten freilich blieben in München als dem Mittelpunkte
eines lebendigen Kunstlebens, welcher ihnen vor allen Dingen leichtere Absatz¬
quellen erschloß als ihre Heimat. Obwohl sich nun in München förmliche
Colonien von Ungarn und Polen bildeten, in welchen "Nationalgefühl lebendig"
gehalten wurde, haben diese Ausländer, vielleicht eben wegen ihrer Entfernung
von der Heimat, doch kein spezifisch nationales Element in die Münchener
Kunst eingeführt. Was sie in der Pilotyschule aufgenommen haben, hat ihr
ganzes Wesen so vollständig gefesselt, daß die blendende coloristische Oberfläche
nur selten von einem nationalen Zuge durchbrochen wird. Historienmaler wie


Pferd, keine Kuh kaufen oder verkaufen, keinen Krug halten ohne Juden, weil
niemand besser als dieser die Menschen und Thiere der Nachbarschaft kennt.
Zudem ist der Jude ihm so bequem, so bereit zu jedweder außerordentlichen
Sendung, er versteht so rasch die Wünsche des Herrn zu durchschauen, kann so
scharf Auskunft geben über Land und Leute. Und solange es ihm erträglich
geht, ist er auch treu, in seiner Art redlich. Auch zeichnet sich der hiesige Jude
dadurch aus, daß er fester auf der Scholle sitzt als sein Stammesgenosse, der
nach dem Westen ging. Er verläßt im Durchschnitt nur schwer den Ort, wo
er erwuchs, und kehrt gern dahin zurück, er hält zäh auf dem Platze aus, bei
dem Herrn, dessen Brod er ißt, vorausgesetzt freilich, daß dieses Brod nicht zu
mager und unsicher ist. Er hängt treu an Sitte und Sippe. Im Grunde
allerdings ist das Geld auch hier dasjenige, woran er am treuesten hängt; nur
bindet ihn ein gewisses patriarchalisches Verhältniß oft an seinen Brodherrn,
dem doch ein Stücklein sittlichen Gemüthslebens zu Grunde liegt.

(Fortsetzung folgt.)




Die Hauptströmungen in der bildenden Kunst der
Gegenwart.
9. Die Schule Pilvtys: Ungarn, Böhmen, Polen und Griechen.

Der Ruhm der Pilotyschule war in den sechziger Jahren so allgewaltig,
daß er über die Grenzen Deutschlands hinaus selbst in Gegenden drang, in
welchen vou Kunst wenig oder gar nicht die Rede ist. Aus Rußland, Polen,
Böhmen und Ungarn eilten die Kunstbeflissenen herbei, um von Meister Piloty
das große Geheimniß des glänzenden Colorits zu lernen und dann getrost nach
Hause zu tragen. Die meisten freilich blieben in München als dem Mittelpunkte
eines lebendigen Kunstlebens, welcher ihnen vor allen Dingen leichtere Absatz¬
quellen erschloß als ihre Heimat. Obwohl sich nun in München förmliche
Colonien von Ungarn und Polen bildeten, in welchen „Nationalgefühl lebendig"
gehalten wurde, haben diese Ausländer, vielleicht eben wegen ihrer Entfernung
von der Heimat, doch kein spezifisch nationales Element in die Münchener
Kunst eingeführt. Was sie in der Pilotyschule aufgenommen haben, hat ihr
ganzes Wesen so vollständig gefesselt, daß die blendende coloristische Oberfläche
nur selten von einem nationalen Zuge durchbrochen wird. Historienmaler wie


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[0195] Pferd, keine Kuh kaufen oder verkaufen, keinen Krug halten ohne Juden, weil niemand besser als dieser die Menschen und Thiere der Nachbarschaft kennt. Zudem ist der Jude ihm so bequem, so bereit zu jedweder außerordentlichen Sendung, er versteht so rasch die Wünsche des Herrn zu durchschauen, kann so scharf Auskunft geben über Land und Leute. Und solange es ihm erträglich geht, ist er auch treu, in seiner Art redlich. Auch zeichnet sich der hiesige Jude dadurch aus, daß er fester auf der Scholle sitzt als sein Stammesgenosse, der nach dem Westen ging. Er verläßt im Durchschnitt nur schwer den Ort, wo er erwuchs, und kehrt gern dahin zurück, er hält zäh auf dem Platze aus, bei dem Herrn, dessen Brod er ißt, vorausgesetzt freilich, daß dieses Brod nicht zu mager und unsicher ist. Er hängt treu an Sitte und Sippe. Im Grunde allerdings ist das Geld auch hier dasjenige, woran er am treuesten hängt; nur bindet ihn ein gewisses patriarchalisches Verhältniß oft an seinen Brodherrn, dem doch ein Stücklein sittlichen Gemüthslebens zu Grunde liegt. (Fortsetzung folgt.) Die Hauptströmungen in der bildenden Kunst der Gegenwart. 9. Die Schule Pilvtys: Ungarn, Böhmen, Polen und Griechen. Der Ruhm der Pilotyschule war in den sechziger Jahren so allgewaltig, daß er über die Grenzen Deutschlands hinaus selbst in Gegenden drang, in welchen vou Kunst wenig oder gar nicht die Rede ist. Aus Rußland, Polen, Böhmen und Ungarn eilten die Kunstbeflissenen herbei, um von Meister Piloty das große Geheimniß des glänzenden Colorits zu lernen und dann getrost nach Hause zu tragen. Die meisten freilich blieben in München als dem Mittelpunkte eines lebendigen Kunstlebens, welcher ihnen vor allen Dingen leichtere Absatz¬ quellen erschloß als ihre Heimat. Obwohl sich nun in München förmliche Colonien von Ungarn und Polen bildeten, in welchen „Nationalgefühl lebendig" gehalten wurde, haben diese Ausländer, vielleicht eben wegen ihrer Entfernung von der Heimat, doch kein spezifisch nationales Element in die Münchener Kunst eingeführt. Was sie in der Pilotyschule aufgenommen haben, hat ihr ganzes Wesen so vollständig gefesselt, daß die blendende coloristische Oberfläche nur selten von einem nationalen Zuge durchbrochen wird. Historienmaler wie

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 39, 1880, Viertes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341831_157695/195>, abgerufen am 27.12.2024.