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Die Grenzboten. Jg. 39, 1880, Viertes Quartal.

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Vertheidigers Jncoronati hervor, daß dieser, ebenso wie Farinaceio von der
Richtigkeit der allgemeinen Annahme über die Verworfenheit des Francesco
überzeugt war, wenn Farinaceio auch, der Natur der Sache nach, keine directen
Beweise für seine Behauptung beibringen konnte.

Schließlich bemerken wir noch, daß Bertolotti auch der Beweis nicht ge¬
lungen ist, daß das herrliche Bild im Palazzo Barberini weder von Guido
Reni herrühre, noch das Porträt der Beatrice sei. Die Voraussetzung, daß
der Maler des Bildes erst später nach Rom gekommen sein soll, weil die erste
Rechnung für Arbeiten desselben im Auftrag des päpstlichen Schatzes aus dem
Jahre 1608 herrühre, beweist ebenso wenig, wie der Umstand, daß die Kataloge
der Bildersammlung des Hauses Barberini von 1604 und 1623 nichts von
dem Bilde erwähnen. Bleibt die Nichtigkeit der Tradition auch zweifelhaft, so
wird sie doch durch solche negative Umstände nicht widerlegt.


Fr. Zimmermann.


Das deutsche Judenthum in seiner Heimat.
Ernst von der Brugger. von

Es scheint als wolle in unsern Tagen der alte Widerstreit von Christ und
Jud wieder einmal die Richtung auf einen ernsthaften und weitgreifenden Kampf
nehmen. In der Tagesliteratur wird mit Vorsicht, aber doch mit verhaltenem
Ernst geplänkelt, im deutschen Volke hat sich seit einigen Jahren mancherlei Stoff
angesammelt, der das Bewußtsein von der Existenz des Judenthums und einer
Judenfrage anregt und die Entwickelung einer Gesinnung in dieser Sache fördert.
Das Judenthum wird von dem Körper unseres Volkes als solches gespürt, empfun¬
den und es ist damit wie mit physischer Krankheit: indem man sie empfindet, bemerkt
man erst ihr Dasein und ihre Gegensätzlichkeit zur eigne" Natur. Urtheil und
Vorurtheil aus der Gründerzeit haben dazu beigetragen, jene Empfindung wach
Zurufen; bedeuwngsvoller ist der Umstand, daß seit dem Ausbau der Eisenbahnen
die Einwanderung der Juden nach Deutschland und besonders nach Berlin
wsch zunimmt; zuletzt haben Mißjahre ein weitreichendes Unbehagen im Volke
erweckt, das nach dem Sündenbock ausschaut, um ihn zu opfern statt des eignen
Fleisches und Blutes. In solchen Zeiten hat man stets gern Israel mit seinem
reichen Vließ im Dornbusch hängen gesehen. Die früheren Verfolgungen der
Juden haben sehr oft begonnen als Nachwirkungen wirthschaftlicher Krisen, ein-


Grcnzbotcn IV. 1880. 24

Vertheidigers Jncoronati hervor, daß dieser, ebenso wie Farinaceio von der
Richtigkeit der allgemeinen Annahme über die Verworfenheit des Francesco
überzeugt war, wenn Farinaceio auch, der Natur der Sache nach, keine directen
Beweise für seine Behauptung beibringen konnte.

Schließlich bemerken wir noch, daß Bertolotti auch der Beweis nicht ge¬
lungen ist, daß das herrliche Bild im Palazzo Barberini weder von Guido
Reni herrühre, noch das Porträt der Beatrice sei. Die Voraussetzung, daß
der Maler des Bildes erst später nach Rom gekommen sein soll, weil die erste
Rechnung für Arbeiten desselben im Auftrag des päpstlichen Schatzes aus dem
Jahre 1608 herrühre, beweist ebenso wenig, wie der Umstand, daß die Kataloge
der Bildersammlung des Hauses Barberini von 1604 und 1623 nichts von
dem Bilde erwähnen. Bleibt die Nichtigkeit der Tradition auch zweifelhaft, so
wird sie doch durch solche negative Umstände nicht widerlegt.


Fr. Zimmermann.


Das deutsche Judenthum in seiner Heimat.
Ernst von der Brugger. von

Es scheint als wolle in unsern Tagen der alte Widerstreit von Christ und
Jud wieder einmal die Richtung auf einen ernsthaften und weitgreifenden Kampf
nehmen. In der Tagesliteratur wird mit Vorsicht, aber doch mit verhaltenem
Ernst geplänkelt, im deutschen Volke hat sich seit einigen Jahren mancherlei Stoff
angesammelt, der das Bewußtsein von der Existenz des Judenthums und einer
Judenfrage anregt und die Entwickelung einer Gesinnung in dieser Sache fördert.
Das Judenthum wird von dem Körper unseres Volkes als solches gespürt, empfun¬
den und es ist damit wie mit physischer Krankheit: indem man sie empfindet, bemerkt
man erst ihr Dasein und ihre Gegensätzlichkeit zur eigne« Natur. Urtheil und
Vorurtheil aus der Gründerzeit haben dazu beigetragen, jene Empfindung wach
Zurufen; bedeuwngsvoller ist der Umstand, daß seit dem Ausbau der Eisenbahnen
die Einwanderung der Juden nach Deutschland und besonders nach Berlin
wsch zunimmt; zuletzt haben Mißjahre ein weitreichendes Unbehagen im Volke
erweckt, das nach dem Sündenbock ausschaut, um ihn zu opfern statt des eignen
Fleisches und Blutes. In solchen Zeiten hat man stets gern Israel mit seinem
reichen Vließ im Dornbusch hängen gesehen. Die früheren Verfolgungen der
Juden haben sehr oft begonnen als Nachwirkungen wirthschaftlicher Krisen, ein-


Grcnzbotcn IV. 1880. 24
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[0185] Vertheidigers Jncoronati hervor, daß dieser, ebenso wie Farinaceio von der Richtigkeit der allgemeinen Annahme über die Verworfenheit des Francesco überzeugt war, wenn Farinaceio auch, der Natur der Sache nach, keine directen Beweise für seine Behauptung beibringen konnte. Schließlich bemerken wir noch, daß Bertolotti auch der Beweis nicht ge¬ lungen ist, daß das herrliche Bild im Palazzo Barberini weder von Guido Reni herrühre, noch das Porträt der Beatrice sei. Die Voraussetzung, daß der Maler des Bildes erst später nach Rom gekommen sein soll, weil die erste Rechnung für Arbeiten desselben im Auftrag des päpstlichen Schatzes aus dem Jahre 1608 herrühre, beweist ebenso wenig, wie der Umstand, daß die Kataloge der Bildersammlung des Hauses Barberini von 1604 und 1623 nichts von dem Bilde erwähnen. Bleibt die Nichtigkeit der Tradition auch zweifelhaft, so wird sie doch durch solche negative Umstände nicht widerlegt. Fr. Zimmermann. Das deutsche Judenthum in seiner Heimat. Ernst von der Brugger. von Es scheint als wolle in unsern Tagen der alte Widerstreit von Christ und Jud wieder einmal die Richtung auf einen ernsthaften und weitgreifenden Kampf nehmen. In der Tagesliteratur wird mit Vorsicht, aber doch mit verhaltenem Ernst geplänkelt, im deutschen Volke hat sich seit einigen Jahren mancherlei Stoff angesammelt, der das Bewußtsein von der Existenz des Judenthums und einer Judenfrage anregt und die Entwickelung einer Gesinnung in dieser Sache fördert. Das Judenthum wird von dem Körper unseres Volkes als solches gespürt, empfun¬ den und es ist damit wie mit physischer Krankheit: indem man sie empfindet, bemerkt man erst ihr Dasein und ihre Gegensätzlichkeit zur eigne« Natur. Urtheil und Vorurtheil aus der Gründerzeit haben dazu beigetragen, jene Empfindung wach Zurufen; bedeuwngsvoller ist der Umstand, daß seit dem Ausbau der Eisenbahnen die Einwanderung der Juden nach Deutschland und besonders nach Berlin wsch zunimmt; zuletzt haben Mißjahre ein weitreichendes Unbehagen im Volke erweckt, das nach dem Sündenbock ausschaut, um ihn zu opfern statt des eignen Fleisches und Blutes. In solchen Zeiten hat man stets gern Israel mit seinem reichen Vließ im Dornbusch hängen gesehen. Die früheren Verfolgungen der Juden haben sehr oft begonnen als Nachwirkungen wirthschaftlicher Krisen, ein- Grcnzbotcn IV. 1880. 24

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 39, 1880, Viertes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341831_157695/185>, abgerufen am 27.12.2024.