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Die Grenzboten. Jg. 39, 1880, Viertes Quartal.

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So erfreut man in Augsburg über die eigenmächtige Rückkunft des Unter¬
offiziers war, fo durste man ihn doch, wie die Sache nun einmal lag, nicht
ohne weiteres durchschlüpfen lassen. Die Strafe fiel natürlich gnädig aus: er
erhielt zweimal 24 Stunden Arrest, den ihm sein Hauptmann wohl so viel wie
möglich versüßt haben wird. Letzterer aber mußte, so schwer es ihn auch an¬
kam, die schamlosen Forderungen der Tiroler bei Heller und Pfennig "bereinigen".
Der Rath schenkte ihm auf sein wiederholtes Bitten und Lamentieren ein Dou-
ceur von 40 Gulden aus der Stadtkasse, mit der Motivierung, daß die Hin¬
richtung jenes einen zu den Galeeren begnadigten Verbrechers, den die Augs¬
burger selbst mitgegeben hatten, jedenfalls mehr gekostet haben würde.

Unsere Geschichte ist damit noch nicht ganz zu Ende. Die Münchener hatten
inzwischen mehr Geschmack an dem Versand von Galeerensträflingen gewonnen.
Am 18. April meldete der Friedberger Landrichter, er habe eben wieder einen
zur Ruderbank verurtheilten Maleficanten zugeschickt erhalten und sei beauftragt
denselben am nächsten Tage gegen Erlegung der diesmal äußerst geringfügigen
Transportkosten auszuliefern. Langenmantel aber wollte unter solchen Bedin¬
gungen von dem Geschäfte nichts wissen und verweigerte die Uebernahme des
Verbrechers. Darauf versprach die baierische Regierung in einem Schreiben
vom 26. April, in Zukunft die Sträflinge kostenfrei zu liefern, und um den
Hauptmann ganz sicher zu ködern, wurde noch hinzugefügt, es seien wirklich
dermalen sechs bis sieben Köpfe beisammen, und man habe gute Hoffnung, mit
der Zeit auch noch eine größere Anzahl zusammen zu bringen. Als aber dieser
Brief nach Augsburg kam, war der leidige Zwischenfall mit der Tiroler
Regierung schon eingetreten. Langenmantel hatte genug von der Sache und
erklärte kurzweg, er sei entschlossen sich künftighin "dieses Werkes gänzlich zu
entschlcigen".




Gottfried Keller.
Adolf Stern. von 2.

Das zweite größere Werk Gottfried Kellers, welches allein hätte hinreichen
sollen, ihn zu einem Liebling der Nation zu machen, war die in erster Gestalt
um die Mitte der fünfziger Jahre veröffentlichte Novellensammlung "Die Leute
von Seldwyl a", die bei ihrem zweiten Erscheinen, volle zwanzig Jahre später,


Grenzboten IV. I3L0. 2

So erfreut man in Augsburg über die eigenmächtige Rückkunft des Unter¬
offiziers war, fo durste man ihn doch, wie die Sache nun einmal lag, nicht
ohne weiteres durchschlüpfen lassen. Die Strafe fiel natürlich gnädig aus: er
erhielt zweimal 24 Stunden Arrest, den ihm sein Hauptmann wohl so viel wie
möglich versüßt haben wird. Letzterer aber mußte, so schwer es ihn auch an¬
kam, die schamlosen Forderungen der Tiroler bei Heller und Pfennig „bereinigen".
Der Rath schenkte ihm auf sein wiederholtes Bitten und Lamentieren ein Dou-
ceur von 40 Gulden aus der Stadtkasse, mit der Motivierung, daß die Hin¬
richtung jenes einen zu den Galeeren begnadigten Verbrechers, den die Augs¬
burger selbst mitgegeben hatten, jedenfalls mehr gekostet haben würde.

Unsere Geschichte ist damit noch nicht ganz zu Ende. Die Münchener hatten
inzwischen mehr Geschmack an dem Versand von Galeerensträflingen gewonnen.
Am 18. April meldete der Friedberger Landrichter, er habe eben wieder einen
zur Ruderbank verurtheilten Maleficanten zugeschickt erhalten und sei beauftragt
denselben am nächsten Tage gegen Erlegung der diesmal äußerst geringfügigen
Transportkosten auszuliefern. Langenmantel aber wollte unter solchen Bedin¬
gungen von dem Geschäfte nichts wissen und verweigerte die Uebernahme des
Verbrechers. Darauf versprach die baierische Regierung in einem Schreiben
vom 26. April, in Zukunft die Sträflinge kostenfrei zu liefern, und um den
Hauptmann ganz sicher zu ködern, wurde noch hinzugefügt, es seien wirklich
dermalen sechs bis sieben Köpfe beisammen, und man habe gute Hoffnung, mit
der Zeit auch noch eine größere Anzahl zusammen zu bringen. Als aber dieser
Brief nach Augsburg kam, war der leidige Zwischenfall mit der Tiroler
Regierung schon eingetreten. Langenmantel hatte genug von der Sache und
erklärte kurzweg, er sei entschlossen sich künftighin „dieses Werkes gänzlich zu
entschlcigen".




Gottfried Keller.
Adolf Stern. von 2.

Das zweite größere Werk Gottfried Kellers, welches allein hätte hinreichen
sollen, ihn zu einem Liebling der Nation zu machen, war die in erster Gestalt
um die Mitte der fünfziger Jahre veröffentlichte Novellensammlung „Die Leute
von Seldwyl a", die bei ihrem zweiten Erscheinen, volle zwanzig Jahre später,


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[0013] So erfreut man in Augsburg über die eigenmächtige Rückkunft des Unter¬ offiziers war, fo durste man ihn doch, wie die Sache nun einmal lag, nicht ohne weiteres durchschlüpfen lassen. Die Strafe fiel natürlich gnädig aus: er erhielt zweimal 24 Stunden Arrest, den ihm sein Hauptmann wohl so viel wie möglich versüßt haben wird. Letzterer aber mußte, so schwer es ihn auch an¬ kam, die schamlosen Forderungen der Tiroler bei Heller und Pfennig „bereinigen". Der Rath schenkte ihm auf sein wiederholtes Bitten und Lamentieren ein Dou- ceur von 40 Gulden aus der Stadtkasse, mit der Motivierung, daß die Hin¬ richtung jenes einen zu den Galeeren begnadigten Verbrechers, den die Augs¬ burger selbst mitgegeben hatten, jedenfalls mehr gekostet haben würde. Unsere Geschichte ist damit noch nicht ganz zu Ende. Die Münchener hatten inzwischen mehr Geschmack an dem Versand von Galeerensträflingen gewonnen. Am 18. April meldete der Friedberger Landrichter, er habe eben wieder einen zur Ruderbank verurtheilten Maleficanten zugeschickt erhalten und sei beauftragt denselben am nächsten Tage gegen Erlegung der diesmal äußerst geringfügigen Transportkosten auszuliefern. Langenmantel aber wollte unter solchen Bedin¬ gungen von dem Geschäfte nichts wissen und verweigerte die Uebernahme des Verbrechers. Darauf versprach die baierische Regierung in einem Schreiben vom 26. April, in Zukunft die Sträflinge kostenfrei zu liefern, und um den Hauptmann ganz sicher zu ködern, wurde noch hinzugefügt, es seien wirklich dermalen sechs bis sieben Köpfe beisammen, und man habe gute Hoffnung, mit der Zeit auch noch eine größere Anzahl zusammen zu bringen. Als aber dieser Brief nach Augsburg kam, war der leidige Zwischenfall mit der Tiroler Regierung schon eingetreten. Langenmantel hatte genug von der Sache und erklärte kurzweg, er sei entschlossen sich künftighin „dieses Werkes gänzlich zu entschlcigen". Gottfried Keller. Adolf Stern. von 2. Das zweite größere Werk Gottfried Kellers, welches allein hätte hinreichen sollen, ihn zu einem Liebling der Nation zu machen, war die in erster Gestalt um die Mitte der fünfziger Jahre veröffentlichte Novellensammlung „Die Leute von Seldwyl a", die bei ihrem zweiten Erscheinen, volle zwanzig Jahre später, Grenzboten IV. I3L0. 2

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 39, 1880, Viertes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341831_157695/13>, abgerufen am 27.12.2024.