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Die Grenzboten. Jg. 39, 1880, Erstes Quartal.

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es wiederum, daß Lambruschini geäußert habe: "Wir wollen die da oben schon
kriegen!"

Diejenige Regierung, welche sich bisher am kühlsten und ablehnendsten
gegen die Bestrebungen des Instituts verhalten hatte, war die österreichische.
Ja, es war seiner Zeit die Betheiligung an demselben in Oesterreich untersagt
gewesen. Merkwürdigerweise vereinigten sich jetzt alle Genossen in der Ueber¬
zeugung, daß Fürst Metternich, weil er ebensoviel nützen als schaden könne,
der geeignetste Präsident sei, und Alexander v. Humboldt sowie der Protector
selbst unterstützten den an ihn gerichteten Antrag, der aber erst, als die Span¬
nung zwischen Rom und Berlin nachgelassen hatte, der österreichische Gesandte
Graf Lützow sich warm verwendete und Friedrich Wilhelm IV., inzwischen
König geworden, von neuem geschrieben hatte, am 29. Mai 1841 Annahme
fand. Die Würde wurde dem Staatskanzler zu keiner Bürde, da er sich von
activer Betheiligung gänzlich fern hielt. "Bei Directionsbeschlüsseu, welche ihm
vorgelegt werden mußten," sagt Michaelis, "fand sehr bald der Statuteupara-
graph seine regelmäßige Anwendung, daß vierzigtägiges Schweigen für Zustim¬
mung gelte." --

(Schluß folgt.)




Beiträge zur Beurtheilung der Judenfrage.
3. Aus der Chronik des Judenthums in Europa, vorzüglich in
Deutschland.

Unter den germanischen Völkern erfreuten sich die zu denselben ausge¬
wanderten Juden anfangs großer Duldung. So im ostgothischen, im fränkischen
und im burgundischen Reiche. Selbst Papst Gregor I. gestattete keine Verletzung
der ihnen zugestandenen Rechte und bemühte sich um, sie durch liebreiche Ueber-
redung zu bekehren.*) Auch erlaubte er ihnen nicht, christliche Sclaven zu
kaufen und zu halten. Sie ließen sich indeß in diesem Geschäfte weder durch
geistlichen noch durch weltlichen Einspruch stören, und die fränkischen und
burgundischen Gesetze legten ihnen in dieser wie in andern Beziehungen lange



*) Wir schließen uns im Folgenden größtentheils an Henne Am-Rhyn's "Culturgeschichte
des Judenthums" an (Bern, Costenoble, 1380), deren Verfasser sich vielfach auf den jüdischen
Historiker Grätz bezieht, aber auch unabhängig von ihm urtheilt.

es wiederum, daß Lambruschini geäußert habe: „Wir wollen die da oben schon
kriegen!"

Diejenige Regierung, welche sich bisher am kühlsten und ablehnendsten
gegen die Bestrebungen des Instituts verhalten hatte, war die österreichische.
Ja, es war seiner Zeit die Betheiligung an demselben in Oesterreich untersagt
gewesen. Merkwürdigerweise vereinigten sich jetzt alle Genossen in der Ueber¬
zeugung, daß Fürst Metternich, weil er ebensoviel nützen als schaden könne,
der geeignetste Präsident sei, und Alexander v. Humboldt sowie der Protector
selbst unterstützten den an ihn gerichteten Antrag, der aber erst, als die Span¬
nung zwischen Rom und Berlin nachgelassen hatte, der österreichische Gesandte
Graf Lützow sich warm verwendete und Friedrich Wilhelm IV., inzwischen
König geworden, von neuem geschrieben hatte, am 29. Mai 1841 Annahme
fand. Die Würde wurde dem Staatskanzler zu keiner Bürde, da er sich von
activer Betheiligung gänzlich fern hielt. „Bei Directionsbeschlüsseu, welche ihm
vorgelegt werden mußten," sagt Michaelis, „fand sehr bald der Statuteupara-
graph seine regelmäßige Anwendung, daß vierzigtägiges Schweigen für Zustim¬
mung gelte." —

(Schluß folgt.)




Beiträge zur Beurtheilung der Judenfrage.
3. Aus der Chronik des Judenthums in Europa, vorzüglich in
Deutschland.

Unter den germanischen Völkern erfreuten sich die zu denselben ausge¬
wanderten Juden anfangs großer Duldung. So im ostgothischen, im fränkischen
und im burgundischen Reiche. Selbst Papst Gregor I. gestattete keine Verletzung
der ihnen zugestandenen Rechte und bemühte sich um, sie durch liebreiche Ueber-
redung zu bekehren.*) Auch erlaubte er ihnen nicht, christliche Sclaven zu
kaufen und zu halten. Sie ließen sich indeß in diesem Geschäfte weder durch
geistlichen noch durch weltlichen Einspruch stören, und die fränkischen und
burgundischen Gesetze legten ihnen in dieser wie in andern Beziehungen lange



*) Wir schließen uns im Folgenden größtentheils an Henne Am-Rhyn's „Culturgeschichte
des Judenthums" an (Bern, Costenoble, 1380), deren Verfasser sich vielfach auf den jüdischen
Historiker Grätz bezieht, aber auch unabhängig von ihm urtheilt.
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 39, 1880, Erstes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341831_157681/431>, abgerufen am 22.07.2024.