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Die Grenzboten. Jg. 39, 1880, Erstes Quartal.

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Interesse der nationalen Gesammtheit steht, und daß die Freiheit der Privat-
ökvuomie da ein Ende haben mich, wo sie mit den berechtigten Forderungen der
nationalen Existenz in Conflict geräth. Pflicht der Staatsgewalt einerseits und
der Wissenschaft andrerseits ist es, darüber zu wachen, daß die productiven
Kräfte des Landes und Volkes nicht bloß intact erhalten, sondern auch vervoll¬
kommnet werden; mit andern Worten: Erhaltung und Vermehrung der Landes¬
und VvllÄraft ist die wahre Aufgabe der Nationalökonomie. An die Stelle
der todten Güter ist die schaffende Natur, an die Stelle der Tauschwerthe die
lebendige Nation zu scheu und die Wissenschaft den Einflüssen des Krämerthums
zu entziehen." .. "Wenn die Nationalökonomie nicht mehr das Gepräge eines
engherzigen Klasfeninteresses trügt, wenn sie aus der Niederung des privaten
Calcüls auf die Höhe des nationalen Interesses emporgetragen wird, wenn sie
sich vom Manchesterthum emancipirt, werden wir bald nicht mehr über Mangel
an volkswirthschaftlicher Bildung zu klage" haben. Denn eine Lehre, die den
Vortheil der Nation im Auge hat, wird vom Volke jedenfalls schneller begriffen
werden als der Wortschwall von einer Freiheit, die vielen Tausenden, welche
den besten Willen haben, nur die Aussicht auf freudloses Vegetiren und lang¬
sames Verhungern eröffnet."




Die religiöse Anlage des Menschen.
(Schluß.)

Die etwas dunkle Ueberschrift des dritten Kapitels von Happels Buch")
"Die Qualität der religiösen Anlage" ließe sich vielleicht durch die deutlichere
ersetzen: Die Hauptentwicklungsstufen des religiösen Sinnes. Happel sührt hier
mit Recht nicht etwa den weitschichtigen, buntfarbigen Begriff "Heidenthum" als
Vertreter einer einzelnen Stufe auf; ebensowenig operirt er mit den Gesichts¬
punkten: Fetischismus, Polytheismus, Dualismus, Monotheismus oder ähnlichen,
denn "dualistische Ideen, fetischistische Neigungen und monotheistische Triebe
sind allgemeine Erscheinungen des religiösen Lebens, die zu alle" Zeiten und



*) Die Anlage d es Menschen zur Religion, vom gegenwärtigen Standpunkte der
Völkerkunde aus betrachtet und untersucht von Julius Happel, Prediger der reformirten
Gemeinde zu Bützow. Von der Teylerschen Gesellschaft gekrönte Preisschrift, Haarlem,
de Erven F. Bohn, 1877.
Ärenzboten I. 1W0- ü4

Interesse der nationalen Gesammtheit steht, und daß die Freiheit der Privat-
ökvuomie da ein Ende haben mich, wo sie mit den berechtigten Forderungen der
nationalen Existenz in Conflict geräth. Pflicht der Staatsgewalt einerseits und
der Wissenschaft andrerseits ist es, darüber zu wachen, daß die productiven
Kräfte des Landes und Volkes nicht bloß intact erhalten, sondern auch vervoll¬
kommnet werden; mit andern Worten: Erhaltung und Vermehrung der Landes¬
und VvllÄraft ist die wahre Aufgabe der Nationalökonomie. An die Stelle
der todten Güter ist die schaffende Natur, an die Stelle der Tauschwerthe die
lebendige Nation zu scheu und die Wissenschaft den Einflüssen des Krämerthums
zu entziehen." .. „Wenn die Nationalökonomie nicht mehr das Gepräge eines
engherzigen Klasfeninteresses trügt, wenn sie aus der Niederung des privaten
Calcüls auf die Höhe des nationalen Interesses emporgetragen wird, wenn sie
sich vom Manchesterthum emancipirt, werden wir bald nicht mehr über Mangel
an volkswirthschaftlicher Bildung zu klage» haben. Denn eine Lehre, die den
Vortheil der Nation im Auge hat, wird vom Volke jedenfalls schneller begriffen
werden als der Wortschwall von einer Freiheit, die vielen Tausenden, welche
den besten Willen haben, nur die Aussicht auf freudloses Vegetiren und lang¬
sames Verhungern eröffnet."




Die religiöse Anlage des Menschen.
(Schluß.)

Die etwas dunkle Ueberschrift des dritten Kapitels von Happels Buch")
„Die Qualität der religiösen Anlage" ließe sich vielleicht durch die deutlichere
ersetzen: Die Hauptentwicklungsstufen des religiösen Sinnes. Happel sührt hier
mit Recht nicht etwa den weitschichtigen, buntfarbigen Begriff „Heidenthum" als
Vertreter einer einzelnen Stufe auf; ebensowenig operirt er mit den Gesichts¬
punkten: Fetischismus, Polytheismus, Dualismus, Monotheismus oder ähnlichen,
denn „dualistische Ideen, fetischistische Neigungen und monotheistische Triebe
sind allgemeine Erscheinungen des religiösen Lebens, die zu alle» Zeiten und



*) Die Anlage d es Menschen zur Religion, vom gegenwärtigen Standpunkte der
Völkerkunde aus betrachtet und untersucht von Julius Happel, Prediger der reformirten
Gemeinde zu Bützow. Von der Teylerschen Gesellschaft gekrönte Preisschrift, Haarlem,
de Erven F. Bohn, 1877.
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 39, 1880, Erstes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341831_157681/273>, abgerufen am 22.07.2024.