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Die Grenzboten. Jg. 39, 1880, Erstes Quartal.

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allgemeinernng dieser Anstalten und zur Herstellung möglichster Gleichmäßigkeit
und Freizügigkeit unter ihnen sich etwa noch thun ließe.

Der Gedanke, jedem redlichen Arbeiter die Aussicht auf ein sorgenfreies
Alter und auf Versorgung seiner Hinterbliebenen zu eröffnen, ist ein so herr¬
licher und bedeutsamer, daß wir um seinetwillen gerne alle die Thorheiten in
den Kauf nehmen, die sich an ihn geknüpft haben. Es würde den philanthro¬
pischen Ideen unsrer Zeit ein wesentliches Element fehlen, wenn dieser Gedanke
nicht aufgetaucht wäre. Darum soll uns das Streben, zunächst das Aus¬
führbare aus demselben herauszuschälen und uns wohl zu hüten, daß wir uns
nicht von ihm in die bedenklichsten Regionen verlocken lassen, doch die Aus¬
sicht auf eine Zukunft nicht zerstören, wo der Gedanke als Ganzes sich wieder
vor unsere Seele stellen und uns zu seiner endlichen Verwirklichung aufrufen
kann. Es gilt, hier eine Arbeit zu vollbringen, welche, wie irgend eine, für die
Geschicke des Menschengeschlechts segensvoll werden und einen besten Theil
dessen verwirklichen helfen kann, was uns heute als Arbeiterbewegung, als
Staatssocialismus:c. beunruhigt und ängstigt.


Julius Schulze.


Die Geheimlehre der Tempelritter.

Die Ansichten über die Ursachen, welche den Untergang des Tempelherrnordens
herbeigeführt haben, waren bisher getheilt: nach den einen siel er lediglich der
Habsucht und der politischen Eifersucht Philipps des Schönen zum Opfer, nach
den andern wurde er als ketzerisch und sittenlos mit Recht unterdrückt, und Jakob
de Molay, sein Großmeister, starb nicht als Märtyrer tyrannischer Königsgewalt,
sondern als Haupt eines ruchlosen Geheimbundes den Tod auf dem Scheiterhaufen.
Die erstere Meinung war bis auf die neueste Zeit die vorherrschende. Seit den
scharfsinnigen Untersuchungen aber, deren Ergebnisse Loiseleur in seiner 1872
erschienenen Schrift: I^äoetrins soorvts ach "I'sinxliörs bekannt machte, mußte man
darin wankend werden, und eine Arbeit des Königsberger Professors Hans Prutz über
denselben Gegenstand die in diesen Tagen erschienen ist, läßt uns nicht mehr daran
zweifeln, daß zwar der letzte Grund zum Sturze des mächtigen Ordens, dessen militä¬
rische und finanzielle Kräfte denen eines ansehnlichen Königreichs gleichkamen, in
seiner bedrohlichen Machtstellung lag, daß aber zugleich in der Geheimlehre und
dem sittlichen Verhalten desselben reichlich Gründe vorhanden waren, die zum Ein¬
schreiten aufforderten und die Beseitigung des Ordens als eines Gräuels recht¬
fertigten.



*) Geheimlehre und Geheimstatnten des Tempelherren-Ordens. Eine
kritische Untersuchung von Dr. Hans Prutz, ort. Professor der Geschichte an der Univer¬
sität Königsberg. Berlin, 1879. E> S. Mittler K Sohn.
Grenzboten 1. 1S80. 21

allgemeinernng dieser Anstalten und zur Herstellung möglichster Gleichmäßigkeit
und Freizügigkeit unter ihnen sich etwa noch thun ließe.

Der Gedanke, jedem redlichen Arbeiter die Aussicht auf ein sorgenfreies
Alter und auf Versorgung seiner Hinterbliebenen zu eröffnen, ist ein so herr¬
licher und bedeutsamer, daß wir um seinetwillen gerne alle die Thorheiten in
den Kauf nehmen, die sich an ihn geknüpft haben. Es würde den philanthro¬
pischen Ideen unsrer Zeit ein wesentliches Element fehlen, wenn dieser Gedanke
nicht aufgetaucht wäre. Darum soll uns das Streben, zunächst das Aus¬
führbare aus demselben herauszuschälen und uns wohl zu hüten, daß wir uns
nicht von ihm in die bedenklichsten Regionen verlocken lassen, doch die Aus¬
sicht auf eine Zukunft nicht zerstören, wo der Gedanke als Ganzes sich wieder
vor unsere Seele stellen und uns zu seiner endlichen Verwirklichung aufrufen
kann. Es gilt, hier eine Arbeit zu vollbringen, welche, wie irgend eine, für die
Geschicke des Menschengeschlechts segensvoll werden und einen besten Theil
dessen verwirklichen helfen kann, was uns heute als Arbeiterbewegung, als
Staatssocialismus:c. beunruhigt und ängstigt.


Julius Schulze.


Die Geheimlehre der Tempelritter.

Die Ansichten über die Ursachen, welche den Untergang des Tempelherrnordens
herbeigeführt haben, waren bisher getheilt: nach den einen siel er lediglich der
Habsucht und der politischen Eifersucht Philipps des Schönen zum Opfer, nach
den andern wurde er als ketzerisch und sittenlos mit Recht unterdrückt, und Jakob
de Molay, sein Großmeister, starb nicht als Märtyrer tyrannischer Königsgewalt,
sondern als Haupt eines ruchlosen Geheimbundes den Tod auf dem Scheiterhaufen.
Die erstere Meinung war bis auf die neueste Zeit die vorherrschende. Seit den
scharfsinnigen Untersuchungen aber, deren Ergebnisse Loiseleur in seiner 1872
erschienenen Schrift: I^äoetrins soorvts ach "I'sinxliörs bekannt machte, mußte man
darin wankend werden, und eine Arbeit des Königsberger Professors Hans Prutz über
denselben Gegenstand die in diesen Tagen erschienen ist, läßt uns nicht mehr daran
zweifeln, daß zwar der letzte Grund zum Sturze des mächtigen Ordens, dessen militä¬
rische und finanzielle Kräfte denen eines ansehnlichen Königreichs gleichkamen, in
seiner bedrohlichen Machtstellung lag, daß aber zugleich in der Geheimlehre und
dem sittlichen Verhalten desselben reichlich Gründe vorhanden waren, die zum Ein¬
schreiten aufforderten und die Beseitigung des Ordens als eines Gräuels recht¬
fertigten.



*) Geheimlehre und Geheimstatnten des Tempelherren-Ordens. Eine
kritische Untersuchung von Dr. Hans Prutz, ort. Professor der Geschichte an der Univer¬
sität Königsberg. Berlin, 1879. E> S. Mittler K Sohn.
Grenzboten 1. 1S80. 21
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 39, 1880, Erstes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341831_157681/169>, abgerufen am 03.07.2024.