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Die Grenzboten. Jg. 39, 1880, Zweites Quartal.

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darin, daß alles von der Conferenz ferngehalten wird, was die Eintracht der
Mächte zu stören und europäische Fragen aufs Tapet zu bringen geeignet wäre.
Kein Theil des Komplexes von Fragen, aus denen sich die große orientalische
Frage zusammensetzt, ist principiell von solcher Bedeutung, daß man wegen
Meinungsverschiedenheiten über sie das Interesse des europäischen Friedens aufs
Spiel zu setzen wagen dürfte. Dieses Interesse unter allen Umständen zu wahren
und zu dem Zwecke einer wirklichen Verständigung der Mächte ausgleichend
und vermittelnd den Weg zu ebenen, sind Deutschland und sein österreichisch¬
ungarischer Bundesgenosse als nicht direct an der griechischen Frage betheiligte
Mächte vorzugsweise berufen.

Die Conferenz wird der Türkei nicht befehlen, so oder so viel Gebiet
an Griechenland abzutreten. Sie wird vermitteln, indem sie der Pforte
sagt, was Europa für recht und billig in der Sache hält. Aber dieser Rath
enthält, aus solchem Munde kommend, eine moralische Verpflichtung für die
Pforte, sich ihm zu fügen, und dieselbe würde sehr unweise halten, wenn sie
die Vermittlung nicht annehmen wollte. Daß Griechenland bei einem unfüg¬
samen Verhalten der Türken nach ergangenen Schiedssprüche der Mächte sofort
in die ihm zugesprochenen Landschaften mit Heeresmacht einrücken und sie in
Besitz nehmen wird, ist sehr unwahrscheinlich, obwohl ihm dann die Westmächte
vielleicht mit einer Flottendemonstration zu Hilfe kommen würden, welche ihm
wenigstens eine Bloko.de durch die türkische Seemacht und eine Landung osma-
nischer Truppen an der griechischen Küste fernhielte. Der Mediationsspruch der
Mächte hat, wie bemerkt, nicht den Charakter und die Kraft eines Verbots, die
Conferenz als solche verpflichtet sich nicht, ihn auszuführen oder bei seiner Aus¬
führung irgendwie Beistand zu leisten. Aber er wird für Griechenland eine
gewisse Rechtsbasis schassen. Letzteres hat geraume Zeit zugewartet, es kann,
einmal in den Besitz eines so werthvollen Gutachtens der europäischen Mächte
gelangt, für den Fall, daß die Pforte sich ablehnend verhält, getrost noch länger
warten, bis sich ein passender Augenblick findet, den Widerstand der Türken
ohne so große Gefahr, wie jetzt, zu brechen und sich in den Besitz der dem
Königreiche jetzt zugesprochenen Landschaften zu setzen.




Zur Beachtung.
Mit dem I. Juli 188t" beginnt diese Zeitschrift das 3. Quartal ihres
39. Jahrgangs, welches durch alle Buchhandlungen und Postan-
stalten des In- und Auslandes zu beziehen ist. Preis für das Quartal
9 Mark.
Leipzig, im Juni 1880. Die Verlagshandlung.




Für die Redaction verantwortlich: Johannes Grunow in Leipzig,
Verlag von F. L. Herbig in Leipzig. -- Druck von Hüthel K Herrmann in Leipzig.

darin, daß alles von der Conferenz ferngehalten wird, was die Eintracht der
Mächte zu stören und europäische Fragen aufs Tapet zu bringen geeignet wäre.
Kein Theil des Komplexes von Fragen, aus denen sich die große orientalische
Frage zusammensetzt, ist principiell von solcher Bedeutung, daß man wegen
Meinungsverschiedenheiten über sie das Interesse des europäischen Friedens aufs
Spiel zu setzen wagen dürfte. Dieses Interesse unter allen Umständen zu wahren
und zu dem Zwecke einer wirklichen Verständigung der Mächte ausgleichend
und vermittelnd den Weg zu ebenen, sind Deutschland und sein österreichisch¬
ungarischer Bundesgenosse als nicht direct an der griechischen Frage betheiligte
Mächte vorzugsweise berufen.

Die Conferenz wird der Türkei nicht befehlen, so oder so viel Gebiet
an Griechenland abzutreten. Sie wird vermitteln, indem sie der Pforte
sagt, was Europa für recht und billig in der Sache hält. Aber dieser Rath
enthält, aus solchem Munde kommend, eine moralische Verpflichtung für die
Pforte, sich ihm zu fügen, und dieselbe würde sehr unweise halten, wenn sie
die Vermittlung nicht annehmen wollte. Daß Griechenland bei einem unfüg¬
samen Verhalten der Türken nach ergangenen Schiedssprüche der Mächte sofort
in die ihm zugesprochenen Landschaften mit Heeresmacht einrücken und sie in
Besitz nehmen wird, ist sehr unwahrscheinlich, obwohl ihm dann die Westmächte
vielleicht mit einer Flottendemonstration zu Hilfe kommen würden, welche ihm
wenigstens eine Bloko.de durch die türkische Seemacht und eine Landung osma-
nischer Truppen an der griechischen Küste fernhielte. Der Mediationsspruch der
Mächte hat, wie bemerkt, nicht den Charakter und die Kraft eines Verbots, die
Conferenz als solche verpflichtet sich nicht, ihn auszuführen oder bei seiner Aus¬
führung irgendwie Beistand zu leisten. Aber er wird für Griechenland eine
gewisse Rechtsbasis schassen. Letzteres hat geraume Zeit zugewartet, es kann,
einmal in den Besitz eines so werthvollen Gutachtens der europäischen Mächte
gelangt, für den Fall, daß die Pforte sich ablehnend verhält, getrost noch länger
warten, bis sich ein passender Augenblick findet, den Widerstand der Türken
ohne so große Gefahr, wie jetzt, zu brechen und sich in den Besitz der dem
Königreiche jetzt zugesprochenen Landschaften zu setzen.




Zur Beachtung.
Mit dem I. Juli 188t» beginnt diese Zeitschrift das 3. Quartal ihres
39. Jahrgangs, welches durch alle Buchhandlungen und Postan-
stalten des In- und Auslandes zu beziehen ist. Preis für das Quartal
9 Mark.
Leipzig, im Juni 1880. Die Verlagshandlung.




Für die Redaction verantwortlich: Johannes Grunow in Leipzig,
Verlag von F. L. Herbig in Leipzig. — Druck von Hüthel K Herrmann in Leipzig.
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 39, 1880, Zweites Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341831_157679/576>, abgerufen am 22.07.2024.