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Die Grenzboten. Jg. 39, 1880, Zweites Quartal.

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Baron bringt und dann mit halb komischer, halb empörender Anmaßung den hoch-
gebornen Herrn spielt.

Der deutschen Bildung und Denkweise sind sie aber doch gewonnen, sagt man
uns. Mit Nichten, antworten wir, und wir werden dies im nächsten und letzten
Artikel darzuthun bemüht sein. Ki-atte-z lo Russe, et vous trouvere? is ?-it"rs.
Schabe dem Geldbaron, dem geistreichen Journalisten, der geistmachenden Dame,
dem Land- oder Reichsboten das Blattgold der Bildung, den Firnis des Deutsch-
thums ab, und ihr werdet den echten alten Semiten finden.

Und wäre es nicht an dem, verwandelte sich der polnische Jude mit der Zeit
wirklich nicht blos in einen deutschen Juden, sondern in einen Deutschen mosaischen
Glaubens -- ist denn Deutschland etwa dazu berufen, eine Einwanderunz zu er¬
ziehen und zu civilisiren, die mindestens so lange, bis ihre Erziehung vollendet ist,
als ein Schaden an seinen: Leibe, als aufsaugendes und durch seine Einwirkung
auf Andere vergiftendes Element bezeichnet werden muß? Wir sind so egoistisch,
das zu verneinen und diese Sorte von "Humanität" für Thorheit zu halten.




Der sogenannte thierische Magnetismus.

Als der "Magnetiseur" Hansen vor Jahresfrist mit seinen wunderbaren
Experimenten in Deutschland auftauchte, war man in medicinischen Kreisen all¬
gemein geneigt, ihn für einen Betrüger zu halten, da die geheimnißvollen Er¬
scheinungen, welche er vorführte, dort nicht bekannt waren. Die "Grenzboten"
klärten damals durch einen kleinen Artikel ihre Leser sofort auf. Sie sagten,
Hansen sei in der That kein magnetischer Hexenkünstler, der übernatürliche Kräfte
besitze, welche anderen Sterblichen nicht zu Theil geworden sind, sondern was
er mache, das könne Jedermann. Zu Versuchspersonen feien allerdings nicht
alle Menschen geeignet, sondern nur eine gewisse Anzahl von Individuen sei
nervös derartig construirt, daß sie durch starres Hinsehen auf einen glänzenden
Gegenstand oder durch gelinde Hautreizungen in einen schlafähnlicher (hypno¬
tischen) Zustand verfallen. Auch sei dies durchaus keine neu entdeckte Weisheit,
sondern bereits feit vierzig Jahren durch das Verdienst eines Arztes in Man¬
schester, Namens Braid, bekannt und untersucht; aber leider sei dies so sehr
wieder in Vergessenheit gerathen, daß es Hansen jetzt gelinge, die Welt mit
seinen Künsten von neuem in Aufregung zu versetzen. Das Schwindelhafte
und Volksverführerische an seinen Productionen sei, daß er vorgehe, er übe durch
eine ihm innewohnende specifische Kraft, durch seinen Willen, solch einen be¬
schwörerischen Einfluß auf die Menschen aus.


Baron bringt und dann mit halb komischer, halb empörender Anmaßung den hoch-
gebornen Herrn spielt.

Der deutschen Bildung und Denkweise sind sie aber doch gewonnen, sagt man
uns. Mit Nichten, antworten wir, und wir werden dies im nächsten und letzten
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Schabe dem Geldbaron, dem geistreichen Journalisten, der geistmachenden Dame,
dem Land- oder Reichsboten das Blattgold der Bildung, den Firnis des Deutsch-
thums ab, und ihr werdet den echten alten Semiten finden.

Und wäre es nicht an dem, verwandelte sich der polnische Jude mit der Zeit
wirklich nicht blos in einen deutschen Juden, sondern in einen Deutschen mosaischen
Glaubens — ist denn Deutschland etwa dazu berufen, eine Einwanderunz zu er¬
ziehen und zu civilisiren, die mindestens so lange, bis ihre Erziehung vollendet ist,
als ein Schaden an seinen: Leibe, als aufsaugendes und durch seine Einwirkung
auf Andere vergiftendes Element bezeichnet werden muß? Wir sind so egoistisch,
das zu verneinen und diese Sorte von „Humanität" für Thorheit zu halten.




Der sogenannte thierische Magnetismus.

Als der „Magnetiseur" Hansen vor Jahresfrist mit seinen wunderbaren
Experimenten in Deutschland auftauchte, war man in medicinischen Kreisen all¬
gemein geneigt, ihn für einen Betrüger zu halten, da die geheimnißvollen Er¬
scheinungen, welche er vorführte, dort nicht bekannt waren. Die „Grenzboten"
klärten damals durch einen kleinen Artikel ihre Leser sofort auf. Sie sagten,
Hansen sei in der That kein magnetischer Hexenkünstler, der übernatürliche Kräfte
besitze, welche anderen Sterblichen nicht zu Theil geworden sind, sondern was
er mache, das könne Jedermann. Zu Versuchspersonen feien allerdings nicht
alle Menschen geeignet, sondern nur eine gewisse Anzahl von Individuen sei
nervös derartig construirt, daß sie durch starres Hinsehen auf einen glänzenden
Gegenstand oder durch gelinde Hautreizungen in einen schlafähnlicher (hypno¬
tischen) Zustand verfallen. Auch sei dies durchaus keine neu entdeckte Weisheit,
sondern bereits feit vierzig Jahren durch das Verdienst eines Arztes in Man¬
schester, Namens Braid, bekannt und untersucht; aber leider sei dies so sehr
wieder in Vergessenheit gerathen, daß es Hansen jetzt gelinge, die Welt mit
seinen Künsten von neuem in Aufregung zu versetzen. Das Schwindelhafte
und Volksverführerische an seinen Productionen sei, daß er vorgehe, er übe durch
eine ihm innewohnende specifische Kraft, durch seinen Willen, solch einen be¬
schwörerischen Einfluß auf die Menschen aus.


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[0171] Baron bringt und dann mit halb komischer, halb empörender Anmaßung den hoch- gebornen Herrn spielt. Der deutschen Bildung und Denkweise sind sie aber doch gewonnen, sagt man uns. Mit Nichten, antworten wir, und wir werden dies im nächsten und letzten Artikel darzuthun bemüht sein. Ki-atte-z lo Russe, et vous trouvere? is ?-it»rs. Schabe dem Geldbaron, dem geistreichen Journalisten, der geistmachenden Dame, dem Land- oder Reichsboten das Blattgold der Bildung, den Firnis des Deutsch- thums ab, und ihr werdet den echten alten Semiten finden. Und wäre es nicht an dem, verwandelte sich der polnische Jude mit der Zeit wirklich nicht blos in einen deutschen Juden, sondern in einen Deutschen mosaischen Glaubens — ist denn Deutschland etwa dazu berufen, eine Einwanderunz zu er¬ ziehen und zu civilisiren, die mindestens so lange, bis ihre Erziehung vollendet ist, als ein Schaden an seinen: Leibe, als aufsaugendes und durch seine Einwirkung auf Andere vergiftendes Element bezeichnet werden muß? Wir sind so egoistisch, das zu verneinen und diese Sorte von „Humanität" für Thorheit zu halten. Der sogenannte thierische Magnetismus. Als der „Magnetiseur" Hansen vor Jahresfrist mit seinen wunderbaren Experimenten in Deutschland auftauchte, war man in medicinischen Kreisen all¬ gemein geneigt, ihn für einen Betrüger zu halten, da die geheimnißvollen Er¬ scheinungen, welche er vorführte, dort nicht bekannt waren. Die „Grenzboten" klärten damals durch einen kleinen Artikel ihre Leser sofort auf. Sie sagten, Hansen sei in der That kein magnetischer Hexenkünstler, der übernatürliche Kräfte besitze, welche anderen Sterblichen nicht zu Theil geworden sind, sondern was er mache, das könne Jedermann. Zu Versuchspersonen feien allerdings nicht alle Menschen geeignet, sondern nur eine gewisse Anzahl von Individuen sei nervös derartig construirt, daß sie durch starres Hinsehen auf einen glänzenden Gegenstand oder durch gelinde Hautreizungen in einen schlafähnlicher (hypno¬ tischen) Zustand verfallen. Auch sei dies durchaus keine neu entdeckte Weisheit, sondern bereits feit vierzig Jahren durch das Verdienst eines Arztes in Man¬ schester, Namens Braid, bekannt und untersucht; aber leider sei dies so sehr wieder in Vergessenheit gerathen, daß es Hansen jetzt gelinge, die Welt mit seinen Künsten von neuem in Aufregung zu versetzen. Das Schwindelhafte und Volksverführerische an seinen Productionen sei, daß er vorgehe, er übe durch eine ihm innewohnende specifische Kraft, durch seinen Willen, solch einen be¬ schwörerischen Einfluß auf die Menschen aus.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 39, 1880, Zweites Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341831_157679/171>, abgerufen am 03.07.2024.