Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 39, 1880, Zweites Quartal.

Bild:
<< vorherige Seite

"Einsegnung des Brautbetts" mit Schmid auf einem anderen Gebiete rivalisirte.
Seine Herbheit kann mit der liebenswürdigen Auffassung Schmids nicht Wett¬
eifer::. Sie war wieder völlig am Orte in dem Streite der Schützen um den
besten Schluß, den "Hochwürden als Schiedsrichter" schlichten soll. Während
die Bauern einander fast in die Haare gerathen, putzt der ehrwürdige Pfarrer
erst in aller Gemüthsruhe die Brille, bevor er die Scheibe mit den darin
steckenden Bolzen einer genauen Prüfung unterzieht, welche durch einen Zirkel
noch unterstützt werden soll. Die kraftvolle Pinselführung, die in den Local-
tönen genügende Tiefe erreicht, ohne jedoch stets der Buntheit auszuweichen,
unterstützt die Wirkung des trefflichen Bildes, welches bis jetzt als das Meister¬
werk Gadis zu betrachte:: ist.


Adolf Rosenberg.


Beiträge zur Beurtheilung der Judenfrage.
7. Die polnischen Juden nochmals.

Der Sabbath des polnischen Talmudjuden ist ein ganz anderer als der,
welchen sein reformirter Glaubensgenosse in Deutschland feiert. Am Freitag gegen
Abend werden alle jüdischen Geschäftslocale geschlossen, wozu der durch die Straßen
eilende Synagogendiener mit dem Rufe: "Schabbes! In Schul' rein!" auffordert.
Wer irgend kann, sucht ein Bad auf und begiebt sich dann in die Synagoge zum
Abendgottesdienste, mit dem bei allen Jsraeliten bekanntlich der Sabbath beginnt.

In den nächsten vierundzwanzig Stunden darf keinerlei Arbeit vorgenommen
werden, und nach dem Talmud sind für diese Zeit auch eine Menge Dinge ver¬
boten, die wir nicht als Arbeit betrachten. Man darf sich, wenn man dagegen
nicht sündigen will, nicht anstaunen, sich nicht mit Seife waschen, die Kleider
nicht abbürsten und die Schuhe nicht putzen. Ein schweres Vergehen wäre es, den
Ofen zu heizen; Speisen oder sonst etwas zu kochen, ist erst recht untersagt. Selbst
die Berührung eines Lichtes oder eines Streichhölzchens ist streng verpönt, des¬
gleichen das Tabakrauchen. sündhaft ist es, zu schreiben, etwas zu zerreißen oder
aufzubrechen, sogar das Oeffnen eines Briefes ist unstatthaft. Dagegen ist das
Zerschneiden und Zerbrechen von Speisen und das Entkorken von Flasche:: mit Ge¬
tränken erlaubt. Ferner wird ein Frommer an: Sabbath in keinem Falle Geld
anrühren, wenigstens nicht mit der bloßen Hand. Findet er etwa ein Geldstück
auf der Straße, so hebt er es mit dem Rockzipfel oder einem Tuche auf und trägt
es nach Hause, wobei er strenggenommen doch auch Unrecht thut, mindestens nicht


„Einsegnung des Brautbetts" mit Schmid auf einem anderen Gebiete rivalisirte.
Seine Herbheit kann mit der liebenswürdigen Auffassung Schmids nicht Wett¬
eifer::. Sie war wieder völlig am Orte in dem Streite der Schützen um den
besten Schluß, den „Hochwürden als Schiedsrichter" schlichten soll. Während
die Bauern einander fast in die Haare gerathen, putzt der ehrwürdige Pfarrer
erst in aller Gemüthsruhe die Brille, bevor er die Scheibe mit den darin
steckenden Bolzen einer genauen Prüfung unterzieht, welche durch einen Zirkel
noch unterstützt werden soll. Die kraftvolle Pinselführung, die in den Local-
tönen genügende Tiefe erreicht, ohne jedoch stets der Buntheit auszuweichen,
unterstützt die Wirkung des trefflichen Bildes, welches bis jetzt als das Meister¬
werk Gadis zu betrachte:: ist.


Adolf Rosenberg.


Beiträge zur Beurtheilung der Judenfrage.
7. Die polnischen Juden nochmals.

Der Sabbath des polnischen Talmudjuden ist ein ganz anderer als der,
welchen sein reformirter Glaubensgenosse in Deutschland feiert. Am Freitag gegen
Abend werden alle jüdischen Geschäftslocale geschlossen, wozu der durch die Straßen
eilende Synagogendiener mit dem Rufe: „Schabbes! In Schul' rein!" auffordert.
Wer irgend kann, sucht ein Bad auf und begiebt sich dann in die Synagoge zum
Abendgottesdienste, mit dem bei allen Jsraeliten bekanntlich der Sabbath beginnt.

In den nächsten vierundzwanzig Stunden darf keinerlei Arbeit vorgenommen
werden, und nach dem Talmud sind für diese Zeit auch eine Menge Dinge ver¬
boten, die wir nicht als Arbeit betrachten. Man darf sich, wenn man dagegen
nicht sündigen will, nicht anstaunen, sich nicht mit Seife waschen, die Kleider
nicht abbürsten und die Schuhe nicht putzen. Ein schweres Vergehen wäre es, den
Ofen zu heizen; Speisen oder sonst etwas zu kochen, ist erst recht untersagt. Selbst
die Berührung eines Lichtes oder eines Streichhölzchens ist streng verpönt, des¬
gleichen das Tabakrauchen. sündhaft ist es, zu schreiben, etwas zu zerreißen oder
aufzubrechen, sogar das Oeffnen eines Briefes ist unstatthaft. Dagegen ist das
Zerschneiden und Zerbrechen von Speisen und das Entkorken von Flasche:: mit Ge¬
tränken erlaubt. Ferner wird ein Frommer an: Sabbath in keinem Falle Geld
anrühren, wenigstens nicht mit der bloßen Hand. Findet er etwa ein Geldstück
auf der Straße, so hebt er es mit dem Rockzipfel oder einem Tuche auf und trägt
es nach Hause, wobei er strenggenommen doch auch Unrecht thut, mindestens nicht


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0159" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/146664"/>
          <p xml:id="ID_459" prev="#ID_458"> &#x201E;Einsegnung des Brautbetts" mit Schmid auf einem anderen Gebiete rivalisirte.<lb/>
Seine Herbheit kann mit der liebenswürdigen Auffassung Schmids nicht Wett¬<lb/>
eifer::. Sie war wieder völlig am Orte in dem Streite der Schützen um den<lb/>
besten Schluß, den &#x201E;Hochwürden als Schiedsrichter" schlichten soll. Während<lb/>
die Bauern einander fast in die Haare gerathen, putzt der ehrwürdige Pfarrer<lb/>
erst in aller Gemüthsruhe die Brille, bevor er die Scheibe mit den darin<lb/>
steckenden Bolzen einer genauen Prüfung unterzieht, welche durch einen Zirkel<lb/>
noch unterstützt werden soll. Die kraftvolle Pinselführung, die in den Local-<lb/>
tönen genügende Tiefe erreicht, ohne jedoch stets der Buntheit auszuweichen,<lb/>
unterstützt die Wirkung des trefflichen Bildes, welches bis jetzt als das Meister¬<lb/>
werk Gadis zu betrachte:: ist.</p><lb/>
          <note type="byline"> Adolf Rosenberg.</note><lb/>
          <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
        </div>
        <div n="1">
          <head> Beiträge zur Beurtheilung der Judenfrage.<lb/>
7. Die polnischen Juden nochmals. </head><lb/>
          <p xml:id="ID_460"> Der Sabbath des polnischen Talmudjuden ist ein ganz anderer als der,<lb/>
welchen sein reformirter Glaubensgenosse in Deutschland feiert. Am Freitag gegen<lb/>
Abend werden alle jüdischen Geschäftslocale geschlossen, wozu der durch die Straßen<lb/>
eilende Synagogendiener mit dem Rufe: &#x201E;Schabbes! In Schul' rein!" auffordert.<lb/>
Wer irgend kann, sucht ein Bad auf und begiebt sich dann in die Synagoge zum<lb/>
Abendgottesdienste, mit dem bei allen Jsraeliten bekanntlich der Sabbath beginnt.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_461" next="#ID_462"> In den nächsten vierundzwanzig Stunden darf keinerlei Arbeit vorgenommen<lb/>
werden, und nach dem Talmud sind für diese Zeit auch eine Menge Dinge ver¬<lb/>
boten, die wir nicht als Arbeit betrachten. Man darf sich, wenn man dagegen<lb/>
nicht sündigen will, nicht anstaunen, sich nicht mit Seife waschen, die Kleider<lb/>
nicht abbürsten und die Schuhe nicht putzen. Ein schweres Vergehen wäre es, den<lb/>
Ofen zu heizen; Speisen oder sonst etwas zu kochen, ist erst recht untersagt. Selbst<lb/>
die Berührung eines Lichtes oder eines Streichhölzchens ist streng verpönt, des¬<lb/>
gleichen das Tabakrauchen. sündhaft ist es, zu schreiben, etwas zu zerreißen oder<lb/>
aufzubrechen, sogar das Oeffnen eines Briefes ist unstatthaft. Dagegen ist das<lb/>
Zerschneiden und Zerbrechen von Speisen und das Entkorken von Flasche:: mit Ge¬<lb/>
tränken erlaubt. Ferner wird ein Frommer an: Sabbath in keinem Falle Geld<lb/>
anrühren, wenigstens nicht mit der bloßen Hand. Findet er etwa ein Geldstück<lb/>
auf der Straße, so hebt er es mit dem Rockzipfel oder einem Tuche auf und trägt<lb/>
es nach Hause, wobei er strenggenommen doch auch Unrecht thut, mindestens nicht</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0159] „Einsegnung des Brautbetts" mit Schmid auf einem anderen Gebiete rivalisirte. Seine Herbheit kann mit der liebenswürdigen Auffassung Schmids nicht Wett¬ eifer::. Sie war wieder völlig am Orte in dem Streite der Schützen um den besten Schluß, den „Hochwürden als Schiedsrichter" schlichten soll. Während die Bauern einander fast in die Haare gerathen, putzt der ehrwürdige Pfarrer erst in aller Gemüthsruhe die Brille, bevor er die Scheibe mit den darin steckenden Bolzen einer genauen Prüfung unterzieht, welche durch einen Zirkel noch unterstützt werden soll. Die kraftvolle Pinselführung, die in den Local- tönen genügende Tiefe erreicht, ohne jedoch stets der Buntheit auszuweichen, unterstützt die Wirkung des trefflichen Bildes, welches bis jetzt als das Meister¬ werk Gadis zu betrachte:: ist. Adolf Rosenberg. Beiträge zur Beurtheilung der Judenfrage. 7. Die polnischen Juden nochmals. Der Sabbath des polnischen Talmudjuden ist ein ganz anderer als der, welchen sein reformirter Glaubensgenosse in Deutschland feiert. Am Freitag gegen Abend werden alle jüdischen Geschäftslocale geschlossen, wozu der durch die Straßen eilende Synagogendiener mit dem Rufe: „Schabbes! In Schul' rein!" auffordert. Wer irgend kann, sucht ein Bad auf und begiebt sich dann in die Synagoge zum Abendgottesdienste, mit dem bei allen Jsraeliten bekanntlich der Sabbath beginnt. In den nächsten vierundzwanzig Stunden darf keinerlei Arbeit vorgenommen werden, und nach dem Talmud sind für diese Zeit auch eine Menge Dinge ver¬ boten, die wir nicht als Arbeit betrachten. Man darf sich, wenn man dagegen nicht sündigen will, nicht anstaunen, sich nicht mit Seife waschen, die Kleider nicht abbürsten und die Schuhe nicht putzen. Ein schweres Vergehen wäre es, den Ofen zu heizen; Speisen oder sonst etwas zu kochen, ist erst recht untersagt. Selbst die Berührung eines Lichtes oder eines Streichhölzchens ist streng verpönt, des¬ gleichen das Tabakrauchen. sündhaft ist es, zu schreiben, etwas zu zerreißen oder aufzubrechen, sogar das Oeffnen eines Briefes ist unstatthaft. Dagegen ist das Zerschneiden und Zerbrechen von Speisen und das Entkorken von Flasche:: mit Ge¬ tränken erlaubt. Ferner wird ein Frommer an: Sabbath in keinem Falle Geld anrühren, wenigstens nicht mit der bloßen Hand. Findet er etwa ein Geldstück auf der Straße, so hebt er es mit dem Rockzipfel oder einem Tuche auf und trägt es nach Hause, wobei er strenggenommen doch auch Unrecht thut, mindestens nicht

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341831_157679
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341831_157679/159
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 39, 1880, Zweites Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341831_157679/159>, abgerufen am 03.07.2024.