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Die Grenzboten. Jg. 39, 1880, Zweites Quartal.

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Zu derselben Einseitigkeit wie die "internationale Arbeitstheilung" für den
Consum, führt der "Schutz der nationalen Arbeit" für die Production. Selbst¬
verständlich betrachten wir hier die extreme principielle Anwendung. Während
wir dort den Consum einseitig begünstigt und die Production verkümmert sahen,
sinden wir hier die Production überreizt und manchmal auch die Consumenten
benachteiligt. Wie man dort die Sorge für die Consumenten übertreibt, geht
man hier zu weit in der Schätzung der Segnungen der vermehrten Production.
Beides aber hat natürliche Grenzen, die straflos nicht überschritten werden dürfen.

Gewiß ist die Production die Quelle, aus welcher der unversiegbare Strom
aller Wirthschaft fließt, aber auch dieser bedarf seiner naturgemäßen Entwicklung,
wenn er sich nicht trüben, über seine Ufer treten und den Segen in Fluch ver¬
wandeln soll. Die vaterländische Production muß in harmonischem Verhältnisse
stehen zu der Consumfähigkeit desjenigen Marktgebietes im In- und Auslande,
auf welchem die einheimische, vaterländische Production coucurreuzfühig ist.

Die Harmonie dieses Verhältnisses kann zwiefach gestört werden. Ent¬
weder wird die Production ungebührlich vermehrt, und die Consnmfähigkeit
bleibt dieselbe, oder die Consumfähigkeit wird ungebührlich verringert, und die
Production bleibt in früherer Ausdehnung bestehen. In jedem von beiden
Fällen tritt, allerdings aus entgegengesetzten Ursachen, Ueberproduction ein, und
mit dieser ein Sinken aller Werthe, selbst bis tief unter das Niveau des Pro-
dnctionswerthes. Die Production ist dann nicht mehr productiv, sondern wirth¬
schaftlich fo unproductiv wie der Consnm an und für sich. Selbstverständlich
ist es, daß die genannten beiden Ursachen für die Störung der wirthschaftlichen
Harmonie, die wir Ueberproduction nennen, thatsächlich nicht immer getrennt
wirken, sondern oft in gegenseitig ausgleichender oder auch gemeinsam steigernder
Verbindung.

In Amerika entstand die Ueberproduction und damit die Krise der letzten
fünf Jahre hauptsächlich durch die ungebührliche Vermehrung der Production.
Die gleichzeitige energische und glückliche Ausdehnung der Absatzgebiete trat der
gefährlichen Wirkung jener Ueberproduction in etwas ausgleichend entgegen.
In Deutschland dagegen hat damals der Milliardensegen nicht nur eine fieber¬
haft vermehrte Production geschaffen, sondern es trat auch eine ungebührliche
Verringerung der Consumfähigkeit durch Verminderung der Absatzgebiete hinzu,
Oeffnung des heimischen und Erschwerung einiger fremder Märkte, um die
Krankheit zu einer gefährlichen zu steigern.

Mit Unrecht macht man daher die Schutzzölle einseitig für entstandene
Ueberproduction verantwortlich, denn es läßt sich nach dem Gesagten leicht denken,


2.

Zu derselben Einseitigkeit wie die „internationale Arbeitstheilung" für den
Consum, führt der „Schutz der nationalen Arbeit" für die Production. Selbst¬
verständlich betrachten wir hier die extreme principielle Anwendung. Während
wir dort den Consum einseitig begünstigt und die Production verkümmert sahen,
sinden wir hier die Production überreizt und manchmal auch die Consumenten
benachteiligt. Wie man dort die Sorge für die Consumenten übertreibt, geht
man hier zu weit in der Schätzung der Segnungen der vermehrten Production.
Beides aber hat natürliche Grenzen, die straflos nicht überschritten werden dürfen.

Gewiß ist die Production die Quelle, aus welcher der unversiegbare Strom
aller Wirthschaft fließt, aber auch dieser bedarf seiner naturgemäßen Entwicklung,
wenn er sich nicht trüben, über seine Ufer treten und den Segen in Fluch ver¬
wandeln soll. Die vaterländische Production muß in harmonischem Verhältnisse
stehen zu der Consumfähigkeit desjenigen Marktgebietes im In- und Auslande,
auf welchem die einheimische, vaterländische Production coucurreuzfühig ist.

Die Harmonie dieses Verhältnisses kann zwiefach gestört werden. Ent¬
weder wird die Production ungebührlich vermehrt, und die Consnmfähigkeit
bleibt dieselbe, oder die Consumfähigkeit wird ungebührlich verringert, und die
Production bleibt in früherer Ausdehnung bestehen. In jedem von beiden
Fällen tritt, allerdings aus entgegengesetzten Ursachen, Ueberproduction ein, und
mit dieser ein Sinken aller Werthe, selbst bis tief unter das Niveau des Pro-
dnctionswerthes. Die Production ist dann nicht mehr productiv, sondern wirth¬
schaftlich fo unproductiv wie der Consnm an und für sich. Selbstverständlich
ist es, daß die genannten beiden Ursachen für die Störung der wirthschaftlichen
Harmonie, die wir Ueberproduction nennen, thatsächlich nicht immer getrennt
wirken, sondern oft in gegenseitig ausgleichender oder auch gemeinsam steigernder
Verbindung.

In Amerika entstand die Ueberproduction und damit die Krise der letzten
fünf Jahre hauptsächlich durch die ungebührliche Vermehrung der Production.
Die gleichzeitige energische und glückliche Ausdehnung der Absatzgebiete trat der
gefährlichen Wirkung jener Ueberproduction in etwas ausgleichend entgegen.
In Deutschland dagegen hat damals der Milliardensegen nicht nur eine fieber¬
haft vermehrte Production geschaffen, sondern es trat auch eine ungebührliche
Verringerung der Consumfähigkeit durch Verminderung der Absatzgebiete hinzu,
Oeffnung des heimischen und Erschwerung einiger fremder Märkte, um die
Krankheit zu einer gefährlichen zu steigern.

Mit Unrecht macht man daher die Schutzzölle einseitig für entstandene
Ueberproduction verantwortlich, denn es läßt sich nach dem Gesagten leicht denken,


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[0102] 2. Zu derselben Einseitigkeit wie die „internationale Arbeitstheilung" für den Consum, führt der „Schutz der nationalen Arbeit" für die Production. Selbst¬ verständlich betrachten wir hier die extreme principielle Anwendung. Während wir dort den Consum einseitig begünstigt und die Production verkümmert sahen, sinden wir hier die Production überreizt und manchmal auch die Consumenten benachteiligt. Wie man dort die Sorge für die Consumenten übertreibt, geht man hier zu weit in der Schätzung der Segnungen der vermehrten Production. Beides aber hat natürliche Grenzen, die straflos nicht überschritten werden dürfen. Gewiß ist die Production die Quelle, aus welcher der unversiegbare Strom aller Wirthschaft fließt, aber auch dieser bedarf seiner naturgemäßen Entwicklung, wenn er sich nicht trüben, über seine Ufer treten und den Segen in Fluch ver¬ wandeln soll. Die vaterländische Production muß in harmonischem Verhältnisse stehen zu der Consumfähigkeit desjenigen Marktgebietes im In- und Auslande, auf welchem die einheimische, vaterländische Production coucurreuzfühig ist. Die Harmonie dieses Verhältnisses kann zwiefach gestört werden. Ent¬ weder wird die Production ungebührlich vermehrt, und die Consnmfähigkeit bleibt dieselbe, oder die Consumfähigkeit wird ungebührlich verringert, und die Production bleibt in früherer Ausdehnung bestehen. In jedem von beiden Fällen tritt, allerdings aus entgegengesetzten Ursachen, Ueberproduction ein, und mit dieser ein Sinken aller Werthe, selbst bis tief unter das Niveau des Pro- dnctionswerthes. Die Production ist dann nicht mehr productiv, sondern wirth¬ schaftlich fo unproductiv wie der Consnm an und für sich. Selbstverständlich ist es, daß die genannten beiden Ursachen für die Störung der wirthschaftlichen Harmonie, die wir Ueberproduction nennen, thatsächlich nicht immer getrennt wirken, sondern oft in gegenseitig ausgleichender oder auch gemeinsam steigernder Verbindung. In Amerika entstand die Ueberproduction und damit die Krise der letzten fünf Jahre hauptsächlich durch die ungebührliche Vermehrung der Production. Die gleichzeitige energische und glückliche Ausdehnung der Absatzgebiete trat der gefährlichen Wirkung jener Ueberproduction in etwas ausgleichend entgegen. In Deutschland dagegen hat damals der Milliardensegen nicht nur eine fieber¬ haft vermehrte Production geschaffen, sondern es trat auch eine ungebührliche Verringerung der Consumfähigkeit durch Verminderung der Absatzgebiete hinzu, Oeffnung des heimischen und Erschwerung einiger fremder Märkte, um die Krankheit zu einer gefährlichen zu steigern. Mit Unrecht macht man daher die Schutzzölle einseitig für entstandene Ueberproduction verantwortlich, denn es läßt sich nach dem Gesagten leicht denken,

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 39, 1880, Zweites Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341831_157679/102>, abgerufen am 22.07.2024.