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Die Grenzboten. Jg. 38, 1879, Viertes Quartal.

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Aeue Auktionen.

Die Ergebnisse der Wahlen für das preußische Abgeordnetenhaus sind
nunmehr bereits seit einigen Tagen bekannt, und wir wissen, daß sich erfüllt
hat, was zu erwarten war. Das Unterhaus des Parlaments Preußens wird
wesentlich anders zusammengesetzt als früher seine Berathungen beginnen. Das
Volk hat in weiten Kreisen gezeigt, daß es die Wendung, welche früher für
Freunde des Kanzlers und Stützen seiner Politik anzusehende Abgeordnete zu
Gegnern desselben werden ließ, nicht gutheißt. Die liberalen Parteien, mit
Einschluß der Nationalliberalen vom linken Flügel, haben an vielen Orten
Niederlagen und Einbußen erlitten, und die verschiedenen Schattirungen der
Konservativen, namentlich die am weitesten rechts stehende, haben, vorzüglich in
den alten Provinzen, Siege und Gewinne zu verzeichnen. Die Mittelpartei ist
-- Dank vor allem der Wirksamkeit des bis jetzt nicht wieder gewählten Herrn
Laster und derer, die mit ihm gingen -- beträchtlich schwächer geworden, und
der extremen Opposition ist es ungefähr ebenso ergangen. Die letztere wird
nun vermuthlich den Mangel an Zahl durch lauteres und heftigeres Auftreten
ihrer Wortführer zu ersetzen bemüht sein, und so haben wir uns auf harte
Zusammenstöße und unerfreuliche Auftritte gefaßt zu machen.

Die hier zu erwartenden Friktionen werden indeß nicht sehr viel zu be¬
deuten haben. Die Nationalliberalen werden, wie zu hoffen, gewarnt durch
den Zersetzungsprozeß, der mit ihrer Partei begonnen hat, und der sie mit dem
Schicksale bedroht, das einst die Altliberalen aus einer parlamentarischen Macht
in ein ohnmächtiges Häuflein von kaum einem Dutzend Stimmen verwandelte,
vorsichtiger und maßvoller operiren als in der letzten Zeit, und das Geräusch
der Herren Richter und Genossen wird sich der Kanzler wohl wie bisher nicht
besonders stark zu Gemüthe ziehen; denn es wird ihn nicht hindern, mit dem
durchzuringen, was er im Interesse des Staats und des Reichs ins Auge
gefaßt hat.

Dagegen sind andere Friktionen, von welchen in diesen Tagen verlautete,


Grenzboten IV. 1379. 12
Aeue Auktionen.

Die Ergebnisse der Wahlen für das preußische Abgeordnetenhaus sind
nunmehr bereits seit einigen Tagen bekannt, und wir wissen, daß sich erfüllt
hat, was zu erwarten war. Das Unterhaus des Parlaments Preußens wird
wesentlich anders zusammengesetzt als früher seine Berathungen beginnen. Das
Volk hat in weiten Kreisen gezeigt, daß es die Wendung, welche früher für
Freunde des Kanzlers und Stützen seiner Politik anzusehende Abgeordnete zu
Gegnern desselben werden ließ, nicht gutheißt. Die liberalen Parteien, mit
Einschluß der Nationalliberalen vom linken Flügel, haben an vielen Orten
Niederlagen und Einbußen erlitten, und die verschiedenen Schattirungen der
Konservativen, namentlich die am weitesten rechts stehende, haben, vorzüglich in
den alten Provinzen, Siege und Gewinne zu verzeichnen. Die Mittelpartei ist
— Dank vor allem der Wirksamkeit des bis jetzt nicht wieder gewählten Herrn
Laster und derer, die mit ihm gingen — beträchtlich schwächer geworden, und
der extremen Opposition ist es ungefähr ebenso ergangen. Die letztere wird
nun vermuthlich den Mangel an Zahl durch lauteres und heftigeres Auftreten
ihrer Wortführer zu ersetzen bemüht sein, und so haben wir uns auf harte
Zusammenstöße und unerfreuliche Auftritte gefaßt zu machen.

Die hier zu erwartenden Friktionen werden indeß nicht sehr viel zu be¬
deuten haben. Die Nationalliberalen werden, wie zu hoffen, gewarnt durch
den Zersetzungsprozeß, der mit ihrer Partei begonnen hat, und der sie mit dem
Schicksale bedroht, das einst die Altliberalen aus einer parlamentarischen Macht
in ein ohnmächtiges Häuflein von kaum einem Dutzend Stimmen verwandelte,
vorsichtiger und maßvoller operiren als in der letzten Zeit, und das Geräusch
der Herren Richter und Genossen wird sich der Kanzler wohl wie bisher nicht
besonders stark zu Gemüthe ziehen; denn es wird ihn nicht hindern, mit dem
durchzuringen, was er im Interesse des Staats und des Reichs ins Auge
gefaßt hat.

Dagegen sind andere Friktionen, von welchen in diesen Tagen verlautete,


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[0093] Aeue Auktionen. Die Ergebnisse der Wahlen für das preußische Abgeordnetenhaus sind nunmehr bereits seit einigen Tagen bekannt, und wir wissen, daß sich erfüllt hat, was zu erwarten war. Das Unterhaus des Parlaments Preußens wird wesentlich anders zusammengesetzt als früher seine Berathungen beginnen. Das Volk hat in weiten Kreisen gezeigt, daß es die Wendung, welche früher für Freunde des Kanzlers und Stützen seiner Politik anzusehende Abgeordnete zu Gegnern desselben werden ließ, nicht gutheißt. Die liberalen Parteien, mit Einschluß der Nationalliberalen vom linken Flügel, haben an vielen Orten Niederlagen und Einbußen erlitten, und die verschiedenen Schattirungen der Konservativen, namentlich die am weitesten rechts stehende, haben, vorzüglich in den alten Provinzen, Siege und Gewinne zu verzeichnen. Die Mittelpartei ist — Dank vor allem der Wirksamkeit des bis jetzt nicht wieder gewählten Herrn Laster und derer, die mit ihm gingen — beträchtlich schwächer geworden, und der extremen Opposition ist es ungefähr ebenso ergangen. Die letztere wird nun vermuthlich den Mangel an Zahl durch lauteres und heftigeres Auftreten ihrer Wortführer zu ersetzen bemüht sein, und so haben wir uns auf harte Zusammenstöße und unerfreuliche Auftritte gefaßt zu machen. Die hier zu erwartenden Friktionen werden indeß nicht sehr viel zu be¬ deuten haben. Die Nationalliberalen werden, wie zu hoffen, gewarnt durch den Zersetzungsprozeß, der mit ihrer Partei begonnen hat, und der sie mit dem Schicksale bedroht, das einst die Altliberalen aus einer parlamentarischen Macht in ein ohnmächtiges Häuflein von kaum einem Dutzend Stimmen verwandelte, vorsichtiger und maßvoller operiren als in der letzten Zeit, und das Geräusch der Herren Richter und Genossen wird sich der Kanzler wohl wie bisher nicht besonders stark zu Gemüthe ziehen; denn es wird ihn nicht hindern, mit dem durchzuringen, was er im Interesse des Staats und des Reichs ins Auge gefaßt hat. Dagegen sind andere Friktionen, von welchen in diesen Tagen verlautete, Grenzboten IV. 1379. 12

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 38, 1879, Viertes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341829_157675/93>, abgerufen am 03.07.2024.