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Die Grenzboten. Jg. 38, 1879, Drittes Quartal.

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Im türkischen WtttiK in der aegyptischen Irage.

Die Mitte der vorletzten Juni-Woche hat uns endlich in der aegyptischen
Angelegenheit die lange erwartete Entscheidung gebracht. Daß diese durch die
Pforte selber gegeben worden ist, darf im Allgemeinen als eine Genugthuung
für den Sultan Abd ni Hmnid angesehen werden. Andrerseits kann man
sich nicht verhehlen, daß dessen ursprüngliche Intentionen auf ein wesentlich
andres Ziel hinausliefen -- wie deun auch England in dieser Frage sich auf
einem krummen Wege bewegte oder, richtiger gesagt, sich in eine Bahn hat
hineindrängen lassen, die wesentlich von der verschieden war, welche es anfänglich
in Aussicht genommen hatte. Anders verhält es sich mit den Bestrebungen des
leitenden türkischen Staatsmannes Khereddin Pascha. Auf Grund von ver¬
trauenverdienenden Angaben darf man voraussetzen, daß er, in diesem Punkte
nicht mit seinem Gebieter einverstanden, die Absetzung Ismail Pascha's als dnrch
das osmanische Reichsintcresse geboten ansah. Dieser seiner Auffassung schloß
sich auch sein Ministerkollege Alexander Pascha Karatheodory an. Beide
arbeiteten auf die Absetzung des Khedive hin und auf die Erhebung Hallen
Pascha's auf den vizekvniglichen Thron. Nur dieser letzteren Idee war man
im Iltis-Kiosk entschieden geneigt. Das Programm, an dem man in dem
engeren, den Padischah umgebenden Kreise noch bis kurz vor dem endlichen
Austrag der Angelegenheit festhielt, dürfte mithin sich etwa fo formulirt haben:
Erhaltung Ismail Pascha's in seiner Stellung -- wenn dies aber nicht möglich
sein sollte, Ernennung feines Onkels zum Nachfolger.

Der am 26. Juni vollzogene Regierungswechsel im, Nillande darf als
ein definitiver angesehen werden. Anders steht es um die weiteren Aenderungen
und Umgestaltungen, welche die Pforte für das zukünftige Verhältniß Aegypten's
zur Türkei in's Auge gefaßt hat. Die am erwähnten Tage hier bekannt ge¬
wordenen Erlasse der osmanischen Regierung nehmen ausschließlich auf die
Entsetzung des seitherigen Khedive, auf die Nachfolge seines ältesten Sohnes
Tewfik Pascha und auf die Annnllirnng des am Z3. Redi ni Achir des 1250.


Grenzlwten III. 1879. 12
Im türkischen WtttiK in der aegyptischen Irage.

Die Mitte der vorletzten Juni-Woche hat uns endlich in der aegyptischen
Angelegenheit die lange erwartete Entscheidung gebracht. Daß diese durch die
Pforte selber gegeben worden ist, darf im Allgemeinen als eine Genugthuung
für den Sultan Abd ni Hmnid angesehen werden. Andrerseits kann man
sich nicht verhehlen, daß dessen ursprüngliche Intentionen auf ein wesentlich
andres Ziel hinausliefen — wie deun auch England in dieser Frage sich auf
einem krummen Wege bewegte oder, richtiger gesagt, sich in eine Bahn hat
hineindrängen lassen, die wesentlich von der verschieden war, welche es anfänglich
in Aussicht genommen hatte. Anders verhält es sich mit den Bestrebungen des
leitenden türkischen Staatsmannes Khereddin Pascha. Auf Grund von ver¬
trauenverdienenden Angaben darf man voraussetzen, daß er, in diesem Punkte
nicht mit seinem Gebieter einverstanden, die Absetzung Ismail Pascha's als dnrch
das osmanische Reichsintcresse geboten ansah. Dieser seiner Auffassung schloß
sich auch sein Ministerkollege Alexander Pascha Karatheodory an. Beide
arbeiteten auf die Absetzung des Khedive hin und auf die Erhebung Hallen
Pascha's auf den vizekvniglichen Thron. Nur dieser letzteren Idee war man
im Iltis-Kiosk entschieden geneigt. Das Programm, an dem man in dem
engeren, den Padischah umgebenden Kreise noch bis kurz vor dem endlichen
Austrag der Angelegenheit festhielt, dürfte mithin sich etwa fo formulirt haben:
Erhaltung Ismail Pascha's in seiner Stellung — wenn dies aber nicht möglich
sein sollte, Ernennung feines Onkels zum Nachfolger.

Der am 26. Juni vollzogene Regierungswechsel im, Nillande darf als
ein definitiver angesehen werden. Anders steht es um die weiteren Aenderungen
und Umgestaltungen, welche die Pforte für das zukünftige Verhältniß Aegypten's
zur Türkei in's Auge gefaßt hat. Die am erwähnten Tage hier bekannt ge¬
wordenen Erlasse der osmanischen Regierung nehmen ausschließlich auf die
Entsetzung des seitherigen Khedive, auf die Nachfolge seines ältesten Sohnes
Tewfik Pascha und auf die Annnllirnng des am Z3. Redi ni Achir des 1250.


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[0095] Im türkischen WtttiK in der aegyptischen Irage. Die Mitte der vorletzten Juni-Woche hat uns endlich in der aegyptischen Angelegenheit die lange erwartete Entscheidung gebracht. Daß diese durch die Pforte selber gegeben worden ist, darf im Allgemeinen als eine Genugthuung für den Sultan Abd ni Hmnid angesehen werden. Andrerseits kann man sich nicht verhehlen, daß dessen ursprüngliche Intentionen auf ein wesentlich andres Ziel hinausliefen — wie deun auch England in dieser Frage sich auf einem krummen Wege bewegte oder, richtiger gesagt, sich in eine Bahn hat hineindrängen lassen, die wesentlich von der verschieden war, welche es anfänglich in Aussicht genommen hatte. Anders verhält es sich mit den Bestrebungen des leitenden türkischen Staatsmannes Khereddin Pascha. Auf Grund von ver¬ trauenverdienenden Angaben darf man voraussetzen, daß er, in diesem Punkte nicht mit seinem Gebieter einverstanden, die Absetzung Ismail Pascha's als dnrch das osmanische Reichsintcresse geboten ansah. Dieser seiner Auffassung schloß sich auch sein Ministerkollege Alexander Pascha Karatheodory an. Beide arbeiteten auf die Absetzung des Khedive hin und auf die Erhebung Hallen Pascha's auf den vizekvniglichen Thron. Nur dieser letzteren Idee war man im Iltis-Kiosk entschieden geneigt. Das Programm, an dem man in dem engeren, den Padischah umgebenden Kreise noch bis kurz vor dem endlichen Austrag der Angelegenheit festhielt, dürfte mithin sich etwa fo formulirt haben: Erhaltung Ismail Pascha's in seiner Stellung — wenn dies aber nicht möglich sein sollte, Ernennung feines Onkels zum Nachfolger. Der am 26. Juni vollzogene Regierungswechsel im, Nillande darf als ein definitiver angesehen werden. Anders steht es um die weiteren Aenderungen und Umgestaltungen, welche die Pforte für das zukünftige Verhältniß Aegypten's zur Türkei in's Auge gefaßt hat. Die am erwähnten Tage hier bekannt ge¬ wordenen Erlasse der osmanischen Regierung nehmen ausschließlich auf die Entsetzung des seitherigen Khedive, auf die Nachfolge seines ältesten Sohnes Tewfik Pascha und auf die Annnllirnng des am Z3. Redi ni Achir des 1250. Grenzlwten III. 1879. 12

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 38, 1879, Drittes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341829_157673/95>, abgerufen am 27.07.2024.