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Die Grenzboten. Jg. 38, 1879, Drittes Quartal.

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Me neue Stellung der Bonapartisten.

Als der Erbe Napoleon's III. in's Kaffernland ging, hatte er die Absicht,
"den afrikanischen Krieg zu erlernen und sich auf seine Rolle vorzubereiten".
Das Vorspiel dazu würde baun, wenn alles glücklich abgelaufen wäre, wahr¬
scheinlich das gewesen sein, daß der Prinz auf der Rückfahrt Sankt Helena
besucht und sich dort mit dem Geiste seines Großoheims unterhalten, und daß
die imperialistische Presse dies dann zu einem hochpolitischen Akte verarbeitet
und der Welt mit bengalischer Beleuchtung melodramatisch vorgeführt hätte.
Denn so lieben's die Franzosen einmal.

Es sollte aber nicht sein. Die Lebensuhr des Prätendenten lief vor der
Zeit ab. Nicht ohne Theilnahme mit seinem Schicksal auch bei Fernerstehenden
zu erwecken, ist er im hohen Grase des Zululandes unter den Assagaien von
Wilden für eine fremde Sache gefallen und nun neben seinem Vater bestattet.

Ein paar Wochen zuvor sah ihn die bonapartistische Legende noch einmal
in Paris erscheinen, und zwar bei der kirchlichen Erinnerungsfeier, welche seine
Partei dort beging. "In dem Augenblicke, wo in Se. Augustin der Segen
gesprochen wurde, sah," so erzählt uns Paul de Cassagnac im I^s, "die
ungeheure Menge, die nicht in die Kirche gelangen konnte, wie plötzlich eine
weiße Taube sich furchtlos über ihr in den Lüften wiegte und dann auf den
steinernen Adler niederließ, welcher das Gebäude krönt. Warum sollte der
allmächtige Gott, welcher der Seele gestattet, gewisse körperliche Formen anzu¬
nehmen, die sie selbst nicht gewählt hat, nicht auch dem, der nicht mehr ist, als
letzte Gnade erlaubt haben, in dieser anmuthigen Gestalt sich selbst zu über¬
zeugen, wie innig er geliebt war?" Eine unglückliche, aber für die Fraktion
der Kaiserlichen, welche der genannte Gascogner vertritt, charakteristische Faselei.

Der Bonapartismus ist mit diesem Ende eines Bonaparte nicht aus der
Welt geschafft, so wenig wie er nach dem Tode des Herzogs von Reichstadt
erlosch. Er wird fortleben, so lange es Erben des ersten Napoleon gibt, so
lange die Franzosen übermäßig den Ruhm lieben, und so lange die Republik


Grenzboten IIs> 1879. 22
Me neue Stellung der Bonapartisten.

Als der Erbe Napoleon's III. in's Kaffernland ging, hatte er die Absicht,
„den afrikanischen Krieg zu erlernen und sich auf seine Rolle vorzubereiten".
Das Vorspiel dazu würde baun, wenn alles glücklich abgelaufen wäre, wahr¬
scheinlich das gewesen sein, daß der Prinz auf der Rückfahrt Sankt Helena
besucht und sich dort mit dem Geiste seines Großoheims unterhalten, und daß
die imperialistische Presse dies dann zu einem hochpolitischen Akte verarbeitet
und der Welt mit bengalischer Beleuchtung melodramatisch vorgeführt hätte.
Denn so lieben's die Franzosen einmal.

Es sollte aber nicht sein. Die Lebensuhr des Prätendenten lief vor der
Zeit ab. Nicht ohne Theilnahme mit seinem Schicksal auch bei Fernerstehenden
zu erwecken, ist er im hohen Grase des Zululandes unter den Assagaien von
Wilden für eine fremde Sache gefallen und nun neben seinem Vater bestattet.

Ein paar Wochen zuvor sah ihn die bonapartistische Legende noch einmal
in Paris erscheinen, und zwar bei der kirchlichen Erinnerungsfeier, welche seine
Partei dort beging. „In dem Augenblicke, wo in Se. Augustin der Segen
gesprochen wurde, sah," so erzählt uns Paul de Cassagnac im I^s, „die
ungeheure Menge, die nicht in die Kirche gelangen konnte, wie plötzlich eine
weiße Taube sich furchtlos über ihr in den Lüften wiegte und dann auf den
steinernen Adler niederließ, welcher das Gebäude krönt. Warum sollte der
allmächtige Gott, welcher der Seele gestattet, gewisse körperliche Formen anzu¬
nehmen, die sie selbst nicht gewählt hat, nicht auch dem, der nicht mehr ist, als
letzte Gnade erlaubt haben, in dieser anmuthigen Gestalt sich selbst zu über¬
zeugen, wie innig er geliebt war?" Eine unglückliche, aber für die Fraktion
der Kaiserlichen, welche der genannte Gascogner vertritt, charakteristische Faselei.

Der Bonapartismus ist mit diesem Ende eines Bonaparte nicht aus der
Welt geschafft, so wenig wie er nach dem Tode des Herzogs von Reichstadt
erlosch. Er wird fortleben, so lange es Erben des ersten Napoleon gibt, so
lange die Franzosen übermäßig den Ruhm lieben, und so lange die Republik


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[0175] Me neue Stellung der Bonapartisten. Als der Erbe Napoleon's III. in's Kaffernland ging, hatte er die Absicht, „den afrikanischen Krieg zu erlernen und sich auf seine Rolle vorzubereiten". Das Vorspiel dazu würde baun, wenn alles glücklich abgelaufen wäre, wahr¬ scheinlich das gewesen sein, daß der Prinz auf der Rückfahrt Sankt Helena besucht und sich dort mit dem Geiste seines Großoheims unterhalten, und daß die imperialistische Presse dies dann zu einem hochpolitischen Akte verarbeitet und der Welt mit bengalischer Beleuchtung melodramatisch vorgeführt hätte. Denn so lieben's die Franzosen einmal. Es sollte aber nicht sein. Die Lebensuhr des Prätendenten lief vor der Zeit ab. Nicht ohne Theilnahme mit seinem Schicksal auch bei Fernerstehenden zu erwecken, ist er im hohen Grase des Zululandes unter den Assagaien von Wilden für eine fremde Sache gefallen und nun neben seinem Vater bestattet. Ein paar Wochen zuvor sah ihn die bonapartistische Legende noch einmal in Paris erscheinen, und zwar bei der kirchlichen Erinnerungsfeier, welche seine Partei dort beging. „In dem Augenblicke, wo in Se. Augustin der Segen gesprochen wurde, sah," so erzählt uns Paul de Cassagnac im I^s, „die ungeheure Menge, die nicht in die Kirche gelangen konnte, wie plötzlich eine weiße Taube sich furchtlos über ihr in den Lüften wiegte und dann auf den steinernen Adler niederließ, welcher das Gebäude krönt. Warum sollte der allmächtige Gott, welcher der Seele gestattet, gewisse körperliche Formen anzu¬ nehmen, die sie selbst nicht gewählt hat, nicht auch dem, der nicht mehr ist, als letzte Gnade erlaubt haben, in dieser anmuthigen Gestalt sich selbst zu über¬ zeugen, wie innig er geliebt war?" Eine unglückliche, aber für die Fraktion der Kaiserlichen, welche der genannte Gascogner vertritt, charakteristische Faselei. Der Bonapartismus ist mit diesem Ende eines Bonaparte nicht aus der Welt geschafft, so wenig wie er nach dem Tode des Herzogs von Reichstadt erlosch. Er wird fortleben, so lange es Erben des ersten Napoleon gibt, so lange die Franzosen übermäßig den Ruhm lieben, und so lange die Republik Grenzboten IIs> 1879. 22

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 38, 1879, Drittes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341829_157673/175>, abgerufen am 27.07.2024.