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Die Grenzboten. Jg. 38, 1879, Drittes Quartal.

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politische Wriefe.
XVI.
Der Ausgang des Reichstags und die Ansätze zu neuen
Parteibildungen.

Der Reichstag ist zu Ende, und merkwürdig, nachdem das Ergebniß eins
der bedeutsamsten geworden, welches je von einem deutschen Parlamente zu
Stande gebracht, beschäftigt man sich zunächst doch viel weniger mit diesem
Ergebniß selbst, als mit seiner Rückwirkung auf die Stellung der Parteien
untereinander, zur Regierung und zum Volke. Ja, es fehlt nicht an einzelnen
Stimmen, welche die vom Reichstage beschlossene Tarifreform schon jetzt zum
Aufregungsmittel benutzen möchten, noch ehe man von ihren Wirkungen die
allergeringste Probe haben kann. Aber solche Stimmen beweisen doch nur
einerseits, wie wenig die öffentliche Meinung zu einer ruhigen und gesammelten
Prüfung der beschlossenen großen Maßregel zur Zeit schon in der Gemüths¬
verfassung ist, andrerseits verräth die Unsicherheit dieser Stimmen deutlich
genug, daß ihre Angriffe weniger von fester Ueberzeugung als von dem Be¬
dürfniß des Parteistandpunktes eingegeben sind, von dem die Stimmführer
aber keineswegs wissen, ob er sich ihnen nicht bald wird verrücken müssen.

Das Natürliche wäre wohl eine Pause der Sammlung. Was für und
gegen die Tarifreform im voraus zu sagen war, ist alles gesagt worden. Jetzt
muß man die Wirkungen abwarten und ihnen das Wort der Entscheidung
lassen. Höchstens wäre es an der Zeit, zu Rathe zu gehen, wie man den
möglichen schädlichen Nebenwirkungen, z. B. der mißbräuchlichen Ausbeutung
des Tarifs durch den Zwischenhandel mit Wachsamkeit begegnen kann. Aber
alle solche Fragen, auch die Frage des Erfolges etwa sich vorbereitender Re-
vresalien des Auslandes, werden höchstens oberflächlich gestreift, das eigentliche
Interesse richtet sich ans die Stellungnahme der Parteien, und da herrscht noch
vollkommene Unsicherheit.


Grenzboten III. 1379. 17
politische Wriefe.
XVI.
Der Ausgang des Reichstags und die Ansätze zu neuen
Parteibildungen.

Der Reichstag ist zu Ende, und merkwürdig, nachdem das Ergebniß eins
der bedeutsamsten geworden, welches je von einem deutschen Parlamente zu
Stande gebracht, beschäftigt man sich zunächst doch viel weniger mit diesem
Ergebniß selbst, als mit seiner Rückwirkung auf die Stellung der Parteien
untereinander, zur Regierung und zum Volke. Ja, es fehlt nicht an einzelnen
Stimmen, welche die vom Reichstage beschlossene Tarifreform schon jetzt zum
Aufregungsmittel benutzen möchten, noch ehe man von ihren Wirkungen die
allergeringste Probe haben kann. Aber solche Stimmen beweisen doch nur
einerseits, wie wenig die öffentliche Meinung zu einer ruhigen und gesammelten
Prüfung der beschlossenen großen Maßregel zur Zeit schon in der Gemüths¬
verfassung ist, andrerseits verräth die Unsicherheit dieser Stimmen deutlich
genug, daß ihre Angriffe weniger von fester Ueberzeugung als von dem Be¬
dürfniß des Parteistandpunktes eingegeben sind, von dem die Stimmführer
aber keineswegs wissen, ob er sich ihnen nicht bald wird verrücken müssen.

Das Natürliche wäre wohl eine Pause der Sammlung. Was für und
gegen die Tarifreform im voraus zu sagen war, ist alles gesagt worden. Jetzt
muß man die Wirkungen abwarten und ihnen das Wort der Entscheidung
lassen. Höchstens wäre es an der Zeit, zu Rathe zu gehen, wie man den
möglichen schädlichen Nebenwirkungen, z. B. der mißbräuchlichen Ausbeutung
des Tarifs durch den Zwischenhandel mit Wachsamkeit begegnen kann. Aber
alle solche Fragen, auch die Frage des Erfolges etwa sich vorbereitender Re-
vresalien des Auslandes, werden höchstens oberflächlich gestreift, das eigentliche
Interesse richtet sich ans die Stellungnahme der Parteien, und da herrscht noch
vollkommene Unsicherheit.


Grenzboten III. 1379. 17
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[0135] politische Wriefe. XVI. Der Ausgang des Reichstags und die Ansätze zu neuen Parteibildungen. Der Reichstag ist zu Ende, und merkwürdig, nachdem das Ergebniß eins der bedeutsamsten geworden, welches je von einem deutschen Parlamente zu Stande gebracht, beschäftigt man sich zunächst doch viel weniger mit diesem Ergebniß selbst, als mit seiner Rückwirkung auf die Stellung der Parteien untereinander, zur Regierung und zum Volke. Ja, es fehlt nicht an einzelnen Stimmen, welche die vom Reichstage beschlossene Tarifreform schon jetzt zum Aufregungsmittel benutzen möchten, noch ehe man von ihren Wirkungen die allergeringste Probe haben kann. Aber solche Stimmen beweisen doch nur einerseits, wie wenig die öffentliche Meinung zu einer ruhigen und gesammelten Prüfung der beschlossenen großen Maßregel zur Zeit schon in der Gemüths¬ verfassung ist, andrerseits verräth die Unsicherheit dieser Stimmen deutlich genug, daß ihre Angriffe weniger von fester Ueberzeugung als von dem Be¬ dürfniß des Parteistandpunktes eingegeben sind, von dem die Stimmführer aber keineswegs wissen, ob er sich ihnen nicht bald wird verrücken müssen. Das Natürliche wäre wohl eine Pause der Sammlung. Was für und gegen die Tarifreform im voraus zu sagen war, ist alles gesagt worden. Jetzt muß man die Wirkungen abwarten und ihnen das Wort der Entscheidung lassen. Höchstens wäre es an der Zeit, zu Rathe zu gehen, wie man den möglichen schädlichen Nebenwirkungen, z. B. der mißbräuchlichen Ausbeutung des Tarifs durch den Zwischenhandel mit Wachsamkeit begegnen kann. Aber alle solche Fragen, auch die Frage des Erfolges etwa sich vorbereitender Re- vresalien des Auslandes, werden höchstens oberflächlich gestreift, das eigentliche Interesse richtet sich ans die Stellungnahme der Parteien, und da herrscht noch vollkommene Unsicherheit. Grenzboten III. 1379. 17

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 38, 1879, Drittes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341829_157673/135>, abgerufen am 27.11.2024.