Die Grenzboten. Jg. 38, 1879, Zweites Quartal.Müller, von Ethnologen wie Peschel Widerspruch erfahren. Wallace hat es Bei solcher Sachlage ist Zöckler's Warnung an die Theologen, vor über¬ H. Jacoby. Die Jerliner Meater. Es sind jetzt gerade zehn Jahre verflossen, seitdem der §. 32 der Ge¬ Müller, von Ethnologen wie Peschel Widerspruch erfahren. Wallace hat es Bei solcher Sachlage ist Zöckler's Warnung an die Theologen, vor über¬ H. Jacoby. Die Jerliner Meater. Es sind jetzt gerade zehn Jahre verflossen, seitdem der §. 32 der Ge¬ <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0150" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/142105"/> <p xml:id="ID_436" prev="#ID_435"> Müller, von Ethnologen wie Peschel Widerspruch erfahren. Wallace hat es<lb/> für wahrscheinlich erklärt, daß wenn nicht alle, so doch die meisten jetzt exi-<lb/> stirenden Wilden „die Nachfolger höher stehender Reinen seien". Peschel ist zu<lb/> dem Ergebniß gelangt: „Noch soll der Bruchtheil des Menschengeschlechtes erst<lb/> entdeckt werden, bei dem nicht ein mehr oder weniger reicher Wortschatz mit<lb/> Sprachgesetzen, bei dem nicht künstlich geschärfte Waffen und mannichfaltige<lb/> Geräthe, sowie endlich die Kenntniß der Feuerbereitung angetroffen worden<lb/> wäre." So hat die Ansicht W. v. Humboldt's von den Wilden als degradirten<lb/> Kulturmenschen neue wissenschaftliche Chancen gewonnen; wie ja auch A. v.<lb/> Humboldt es unentschieden lassen wollte, ob die Volksstämme, die wir gegen¬<lb/> wärtig Wilde nennen, alle im Zustande natürlicher Rohheit, ob nicht vielmehr<lb/> viele unter ihnen, wie. der Bau ihrer Sprachen es oft vermuthen läßt, ver¬<lb/> wilderte Stämme, gleichsam zerstreute Trümmer aus den Schiffbrüchen einer<lb/> früh untergegangenen Kultur seien.</p><lb/> <p xml:id="ID_437"> Bei solcher Sachlage ist Zöckler's Warnung an die Theologen, vor über¬<lb/> eilten Zugeständnissen an den Darwinismus sich zu hüten, gewiß begründet;<lb/> nur möchten wir sie noch durch eine nach der anderen Seite gerichtete Mah¬<lb/> nung ergänzen. Der Inhalt der Theologie soll nicht von der Entwickelung<lb/> anderer Wissenschaften, sondern einzig und allein von dem, was das christliche<lb/> Bewußtsein bildet, in Abhängigkeit stehen. Daraus folgt, daß alles, was durch<lb/> die Veränderungen, die in der Erkenntniß der Welt sich vollziehen, in Frage<lb/> gestellt wird, nicht zum Inhalte der Theologie gehören kann. Gleichgiltig sollen<lb/> jene allerdings nicht für diese sein, aber es ist nur die Theologie als wissen¬<lb/> schaftliche Form, die davon berührt wird. Und so kann die Fragestellung" für<lb/> die Theologie dem Darwinismus gegenüber nur so lauten: Nöthigt derselbe,<lb/> die unveränderliche christliche Wahrheit in anderer als der bisher giltigen<lb/> wissenschaftlichen Vermittelung darzustellen oder nicht? Auf diese Frage kann<lb/> die Theologie jetzt noch keine definitive Antwort geben, sie kann nur die Be¬<lb/> dingungen bestimmen, unter welchen sie den Darwinismus, falls er allgemeinere<lb/> wissenschaftliche Geltung gewinnen sollte, für die Lösung ihrer Aufgaben zu<lb/> verwenden fähig ist.</p><lb/> <note type="byline"> H. Jacoby.</note><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> </div> <div n="1"> <head> Die Jerliner Meater.</head><lb/> <p xml:id="ID_438" next="#ID_439"> Es sind jetzt gerade zehn Jahre verflossen, seitdem der §. 32 der Ge¬<lb/> werbeordnung, welcher die Theaterfreiheit sanktionirte, vom Reichstage des</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0150]
Müller, von Ethnologen wie Peschel Widerspruch erfahren. Wallace hat es
für wahrscheinlich erklärt, daß wenn nicht alle, so doch die meisten jetzt exi-
stirenden Wilden „die Nachfolger höher stehender Reinen seien". Peschel ist zu
dem Ergebniß gelangt: „Noch soll der Bruchtheil des Menschengeschlechtes erst
entdeckt werden, bei dem nicht ein mehr oder weniger reicher Wortschatz mit
Sprachgesetzen, bei dem nicht künstlich geschärfte Waffen und mannichfaltige
Geräthe, sowie endlich die Kenntniß der Feuerbereitung angetroffen worden
wäre." So hat die Ansicht W. v. Humboldt's von den Wilden als degradirten
Kulturmenschen neue wissenschaftliche Chancen gewonnen; wie ja auch A. v.
Humboldt es unentschieden lassen wollte, ob die Volksstämme, die wir gegen¬
wärtig Wilde nennen, alle im Zustande natürlicher Rohheit, ob nicht vielmehr
viele unter ihnen, wie. der Bau ihrer Sprachen es oft vermuthen läßt, ver¬
wilderte Stämme, gleichsam zerstreute Trümmer aus den Schiffbrüchen einer
früh untergegangenen Kultur seien.
Bei solcher Sachlage ist Zöckler's Warnung an die Theologen, vor über¬
eilten Zugeständnissen an den Darwinismus sich zu hüten, gewiß begründet;
nur möchten wir sie noch durch eine nach der anderen Seite gerichtete Mah¬
nung ergänzen. Der Inhalt der Theologie soll nicht von der Entwickelung
anderer Wissenschaften, sondern einzig und allein von dem, was das christliche
Bewußtsein bildet, in Abhängigkeit stehen. Daraus folgt, daß alles, was durch
die Veränderungen, die in der Erkenntniß der Welt sich vollziehen, in Frage
gestellt wird, nicht zum Inhalte der Theologie gehören kann. Gleichgiltig sollen
jene allerdings nicht für diese sein, aber es ist nur die Theologie als wissen¬
schaftliche Form, die davon berührt wird. Und so kann die Fragestellung" für
die Theologie dem Darwinismus gegenüber nur so lauten: Nöthigt derselbe,
die unveränderliche christliche Wahrheit in anderer als der bisher giltigen
wissenschaftlichen Vermittelung darzustellen oder nicht? Auf diese Frage kann
die Theologie jetzt noch keine definitive Antwort geben, sie kann nur die Be¬
dingungen bestimmen, unter welchen sie den Darwinismus, falls er allgemeinere
wissenschaftliche Geltung gewinnen sollte, für die Lösung ihrer Aufgaben zu
verwenden fähig ist.
H. Jacoby.
Die Jerliner Meater.
Es sind jetzt gerade zehn Jahre verflossen, seitdem der §. 32 der Ge¬
werbeordnung, welcher die Theaterfreiheit sanktionirte, vom Reichstage des
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