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Die Grenzboten. Jg. 37, 1878, II. Semester. I. Band.

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Die Entwickelung des altrömischen Kriegswesens.
Von Max Jähns. IX.
Der Verfall des Bttrgcrheeres.
(Schluß.)

Im Ganzen und Großen beruhte zu Anfang des zweiten Jahrhunderts
v. Chr. die Heeresverfassung immer noch auf den alten Grundlagen, wie sie
vor einem halben Jahrtausend in vorgeschichtlicher Zeit entstanden waren. Das
Entscheidende war die allgemeine Wehrpflicht, welche ja allerdings zum Wesen
aller antiken Staaten gehörte, von den Römern aber mit besonderer Umsicht
organisirt, mit Strenge durchgeführt und zu einer Zeit beibehalten wurde, da
die Griechen schon längst sich an Soldtruppen gewöhnt hatten. Indessen
ungetrübt war die alte Verfassung nicht geblieben, und ich habe wiederholt
darauf hingewiesen, wie mit den überseeischen Kriegen die Zahl der Freiwilligen
und der gewordenen Mannschaft in den Provinzen zunahm. Beliebte Anführer
bewogen schon seit dem hannibalischen Kriege Haufen von Freiwilligen zum
Fortdienen nach Ablauf der Dienstpflicht, und diese Kapitulanten bildeten
neben der Legion Kohorten von Prätorianern und Veteranen. Sie
waren der erste Anfang der stehenden Heere, mit denen später die Bürgerkriege
ausgefochten wurden und auf denen endlich das Kaiserthum beruhte.

Der Schauplatz, wo diese Entwickelung sich ganz vorzugsweise voll¬
zog, war Spanien. So lange Karthago bestanden, hatte in Rom stets die
Besorgniß geherrscht, es werde sich noch einmal wie unter Hannibal erheben,
und dies war wohl der Hauptgrund gewesen, weshalb man sich entschloß,
Spanien mit dem Ausgebote bedeutender Kräfte dauernd festzuhalten. Man
theilte das Land in zwei Militärdistrikte, deren Grenzen nach dem Inneren zu
schwankend waren und durch stete Eroberungszüge erweitert wurden. Schwierig
ward der Krieg zumal durch die bedeutende Entfernung von Italien und durch
die Abneigung der Römer gegen jede Seefahrt. Man ließ die Truppen gewvhn-


Grenzboten III. 1878, 61
Die Entwickelung des altrömischen Kriegswesens.
Von Max Jähns. IX.
Der Verfall des Bttrgcrheeres.
(Schluß.)

Im Ganzen und Großen beruhte zu Anfang des zweiten Jahrhunderts
v. Chr. die Heeresverfassung immer noch auf den alten Grundlagen, wie sie
vor einem halben Jahrtausend in vorgeschichtlicher Zeit entstanden waren. Das
Entscheidende war die allgemeine Wehrpflicht, welche ja allerdings zum Wesen
aller antiken Staaten gehörte, von den Römern aber mit besonderer Umsicht
organisirt, mit Strenge durchgeführt und zu einer Zeit beibehalten wurde, da
die Griechen schon längst sich an Soldtruppen gewöhnt hatten. Indessen
ungetrübt war die alte Verfassung nicht geblieben, und ich habe wiederholt
darauf hingewiesen, wie mit den überseeischen Kriegen die Zahl der Freiwilligen
und der gewordenen Mannschaft in den Provinzen zunahm. Beliebte Anführer
bewogen schon seit dem hannibalischen Kriege Haufen von Freiwilligen zum
Fortdienen nach Ablauf der Dienstpflicht, und diese Kapitulanten bildeten
neben der Legion Kohorten von Prätorianern und Veteranen. Sie
waren der erste Anfang der stehenden Heere, mit denen später die Bürgerkriege
ausgefochten wurden und auf denen endlich das Kaiserthum beruhte.

Der Schauplatz, wo diese Entwickelung sich ganz vorzugsweise voll¬
zog, war Spanien. So lange Karthago bestanden, hatte in Rom stets die
Besorgniß geherrscht, es werde sich noch einmal wie unter Hannibal erheben,
und dies war wohl der Hauptgrund gewesen, weshalb man sich entschloß,
Spanien mit dem Ausgebote bedeutender Kräfte dauernd festzuhalten. Man
theilte das Land in zwei Militärdistrikte, deren Grenzen nach dem Inneren zu
schwankend waren und durch stete Eroberungszüge erweitert wurden. Schwierig
ward der Krieg zumal durch die bedeutende Entfernung von Italien und durch
die Abneigung der Römer gegen jede Seefahrt. Man ließ die Truppen gewvhn-


Grenzboten III. 1878, 61
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[0489] Die Entwickelung des altrömischen Kriegswesens. Von Max Jähns. IX. Der Verfall des Bttrgcrheeres. (Schluß.) Im Ganzen und Großen beruhte zu Anfang des zweiten Jahrhunderts v. Chr. die Heeresverfassung immer noch auf den alten Grundlagen, wie sie vor einem halben Jahrtausend in vorgeschichtlicher Zeit entstanden waren. Das Entscheidende war die allgemeine Wehrpflicht, welche ja allerdings zum Wesen aller antiken Staaten gehörte, von den Römern aber mit besonderer Umsicht organisirt, mit Strenge durchgeführt und zu einer Zeit beibehalten wurde, da die Griechen schon längst sich an Soldtruppen gewöhnt hatten. Indessen ungetrübt war die alte Verfassung nicht geblieben, und ich habe wiederholt darauf hingewiesen, wie mit den überseeischen Kriegen die Zahl der Freiwilligen und der gewordenen Mannschaft in den Provinzen zunahm. Beliebte Anführer bewogen schon seit dem hannibalischen Kriege Haufen von Freiwilligen zum Fortdienen nach Ablauf der Dienstpflicht, und diese Kapitulanten bildeten neben der Legion Kohorten von Prätorianern und Veteranen. Sie waren der erste Anfang der stehenden Heere, mit denen später die Bürgerkriege ausgefochten wurden und auf denen endlich das Kaiserthum beruhte. Der Schauplatz, wo diese Entwickelung sich ganz vorzugsweise voll¬ zog, war Spanien. So lange Karthago bestanden, hatte in Rom stets die Besorgniß geherrscht, es werde sich noch einmal wie unter Hannibal erheben, und dies war wohl der Hauptgrund gewesen, weshalb man sich entschloß, Spanien mit dem Ausgebote bedeutender Kräfte dauernd festzuhalten. Man theilte das Land in zwei Militärdistrikte, deren Grenzen nach dem Inneren zu schwankend waren und durch stete Eroberungszüge erweitert wurden. Schwierig ward der Krieg zumal durch die bedeutende Entfernung von Italien und durch die Abneigung der Römer gegen jede Seefahrt. Man ließ die Truppen gewvhn- Grenzboten III. 1878, 61

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 37, 1878, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341827_157661/489>, abgerufen am 03.07.2024.