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Die Grenzboten. Jg. 37, 1878, II. Semester. I. Band.

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doch wahrlich andres Grün genng gab, auch anderen Menschenkindern erzählt
habe, zur Beherzigung für eine Zeit, wo jenes Grün wieder verwelkt sein
und man sich wieder um die kerzenerleuchteten Klavierpnlte schaaren wird.
Mochten dann auf manchem Pulte auch die "altenglischen Volkslieder" aufge¬
schlagen liegen!




Me Keichstagswahlen in Aaden.

Mit großer Einmütigkeit hat man sofort von vornherein in den natio¬
nalen und liberalen Kreisen unseres Landes die Maßnahme der jüngsten Reichs¬
tagsauflösung für einen politischen Fehler erklärt. Diese Auffassung erscheint
durch den Ausfall der Wahlen wohl so ziemlich durchweg bestätigt. Wir sind
überzeugt, daß das neue, fein und scharf ausgearbeitete Sozialdemokratengesetz
^ möge es in der ursprünglichen, von der preußischen Regierung ihm gege¬
benen Gestalt oder möge es modifizirt aus den Berathungen des Bundesrathes
hervorgehen -- auch für den früheren Reichstag die Grundlage zu einer Eini¬
gung und Verständigung mit der Regierung bezüglich der Bekämpfung der
Sozialdemokratie abgegeben hätte. Ja die Chancen für diese Einigung und
Verständigung standen im vorigen Reichstage günstiger, als sie im neugewählten
stehen, in welchem es der vollen Energie und des weisesten Maßhaltens von
Seiten der in den letzten Wochen so über alle Gebühr verunglimpften treuesten
Reichspartei, der national-liberalen, bedarf, damit dem neuen Gesetzentwurf nicht
dasselbe Schicksal wie dem früheren bereitet werde. Aber abgesehen von diesem
speziellen Punkte, was will dem Fürsten Bismarck in Bezug auf seine in
großem Stile geführte nationale Politik das bedeuten, daß jetzt ein Reichstag
ihm zur Seite tritt, in welchem die ausgesprochenen Feinde des Reichs, Zen¬
trum und Partikularisten aller Art, und die im vollsten Sinne des Wortes
zweifelhaften angeblichen Freunde desselben, die Deutsch-Konservativen, in einer
Anzahl erscheinen, mit der sorgfältig gerechnet werden muß? Wir haben nichts
gegen die erfolgte Dezimirung der Fortschrittspartei einzuwenden, noch viel
weniger gegen die, übrigens durchaus nicht in der erwarteten Weise geschehene
Schwächung der sozialdemokratischen Fraktion. Aber daß das Zentrum mit
seinen Hospitanten die stärkste Fraktion bilden wird, daß die um das Reich
und seine bisherige Konsolidirung und Entwickelung verdienteste Partei, die
national-liberale, rückwärts gedrängt wurde, das vermögen wir nimmer für


doch wahrlich andres Grün genng gab, auch anderen Menschenkindern erzählt
habe, zur Beherzigung für eine Zeit, wo jenes Grün wieder verwelkt sein
und man sich wieder um die kerzenerleuchteten Klavierpnlte schaaren wird.
Mochten dann auf manchem Pulte auch die „altenglischen Volkslieder" aufge¬
schlagen liegen!




Me Keichstagswahlen in Aaden.

Mit großer Einmütigkeit hat man sofort von vornherein in den natio¬
nalen und liberalen Kreisen unseres Landes die Maßnahme der jüngsten Reichs¬
tagsauflösung für einen politischen Fehler erklärt. Diese Auffassung erscheint
durch den Ausfall der Wahlen wohl so ziemlich durchweg bestätigt. Wir sind
überzeugt, daß das neue, fein und scharf ausgearbeitete Sozialdemokratengesetz
^ möge es in der ursprünglichen, von der preußischen Regierung ihm gege¬
benen Gestalt oder möge es modifizirt aus den Berathungen des Bundesrathes
hervorgehen — auch für den früheren Reichstag die Grundlage zu einer Eini¬
gung und Verständigung mit der Regierung bezüglich der Bekämpfung der
Sozialdemokratie abgegeben hätte. Ja die Chancen für diese Einigung und
Verständigung standen im vorigen Reichstage günstiger, als sie im neugewählten
stehen, in welchem es der vollen Energie und des weisesten Maßhaltens von
Seiten der in den letzten Wochen so über alle Gebühr verunglimpften treuesten
Reichspartei, der national-liberalen, bedarf, damit dem neuen Gesetzentwurf nicht
dasselbe Schicksal wie dem früheren bereitet werde. Aber abgesehen von diesem
speziellen Punkte, was will dem Fürsten Bismarck in Bezug auf seine in
großem Stile geführte nationale Politik das bedeuten, daß jetzt ein Reichstag
ihm zur Seite tritt, in welchem die ausgesprochenen Feinde des Reichs, Zen¬
trum und Partikularisten aller Art, und die im vollsten Sinne des Wortes
zweifelhaften angeblichen Freunde desselben, die Deutsch-Konservativen, in einer
Anzahl erscheinen, mit der sorgfältig gerechnet werden muß? Wir haben nichts
gegen die erfolgte Dezimirung der Fortschrittspartei einzuwenden, noch viel
weniger gegen die, übrigens durchaus nicht in der erwarteten Weise geschehene
Schwächung der sozialdemokratischen Fraktion. Aber daß das Zentrum mit
seinen Hospitanten die stärkste Fraktion bilden wird, daß die um das Reich
und seine bisherige Konsolidirung und Entwickelung verdienteste Partei, die
national-liberale, rückwärts gedrängt wurde, das vermögen wir nimmer für


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[0399] doch wahrlich andres Grün genng gab, auch anderen Menschenkindern erzählt habe, zur Beherzigung für eine Zeit, wo jenes Grün wieder verwelkt sein und man sich wieder um die kerzenerleuchteten Klavierpnlte schaaren wird. Mochten dann auf manchem Pulte auch die „altenglischen Volkslieder" aufge¬ schlagen liegen! Me Keichstagswahlen in Aaden. Mit großer Einmütigkeit hat man sofort von vornherein in den natio¬ nalen und liberalen Kreisen unseres Landes die Maßnahme der jüngsten Reichs¬ tagsauflösung für einen politischen Fehler erklärt. Diese Auffassung erscheint durch den Ausfall der Wahlen wohl so ziemlich durchweg bestätigt. Wir sind überzeugt, daß das neue, fein und scharf ausgearbeitete Sozialdemokratengesetz ^ möge es in der ursprünglichen, von der preußischen Regierung ihm gege¬ benen Gestalt oder möge es modifizirt aus den Berathungen des Bundesrathes hervorgehen — auch für den früheren Reichstag die Grundlage zu einer Eini¬ gung und Verständigung mit der Regierung bezüglich der Bekämpfung der Sozialdemokratie abgegeben hätte. Ja die Chancen für diese Einigung und Verständigung standen im vorigen Reichstage günstiger, als sie im neugewählten stehen, in welchem es der vollen Energie und des weisesten Maßhaltens von Seiten der in den letzten Wochen so über alle Gebühr verunglimpften treuesten Reichspartei, der national-liberalen, bedarf, damit dem neuen Gesetzentwurf nicht dasselbe Schicksal wie dem früheren bereitet werde. Aber abgesehen von diesem speziellen Punkte, was will dem Fürsten Bismarck in Bezug auf seine in großem Stile geführte nationale Politik das bedeuten, daß jetzt ein Reichstag ihm zur Seite tritt, in welchem die ausgesprochenen Feinde des Reichs, Zen¬ trum und Partikularisten aller Art, und die im vollsten Sinne des Wortes zweifelhaften angeblichen Freunde desselben, die Deutsch-Konservativen, in einer Anzahl erscheinen, mit der sorgfältig gerechnet werden muß? Wir haben nichts gegen die erfolgte Dezimirung der Fortschrittspartei einzuwenden, noch viel weniger gegen die, übrigens durchaus nicht in der erwarteten Weise geschehene Schwächung der sozialdemokratischen Fraktion. Aber daß das Zentrum mit seinen Hospitanten die stärkste Fraktion bilden wird, daß die um das Reich und seine bisherige Konsolidirung und Entwickelung verdienteste Partei, die national-liberale, rückwärts gedrängt wurde, das vermögen wir nimmer für

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 37, 1878, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341827_157661/399>, abgerufen am 22.07.2024.