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Die Grenzboten. Jg. 37, 1878, II. Semester. I. Band.

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ein deren Spitze den jungen Publius Cornelius Scipio gestellt. Seit einigen
Menschenaltern schon gehörten die Seipioueu zu den hervorragendsten Familien
der Republik; die Art, wie den beiden Brüdern Publius und Cnejus der Ober¬
befehl in Spanien von Jahr zu Jahr immer aufs Neue übertragen worden,
war bisher ohne Beispiel. Der ganze spanische Krieg hatte in ihrer Hand ge¬
legen, und jetzt wurde er wie ein Erbstück auf den Sohn und Neffen der Ge¬
fallenen übertragen. Er empfing ein prokonsularisches Kommando, bevor er
Konsul gewesen, und er dankte es dem mächtigen Einflusse seines Hauses wie
seiner außergewöhnlichen Persönlichkeit. Man weiß, wie wunderbar und über¬
wältigend sich diese zu Rom's Gunsten zur Geltung brachte. Bevor das Jahr
206 zu Ende ging, fiel Gades, das letzte Bollwerk der punischen Macht auf
europäischem Boden, in Scipio's Hand, und damit war das Schicksal des
hcmnibcilischen Krieges entschieden. Die Schlacht bei dein afrikanischen Zama
besiegelte es nur.




Schweizer Ueijegl'offen.

Wenn das liebe Wetter in seinem Betragen so fortfährt wie bisher, so
wird der "Heurige" noch saurer werden, als dies sonst seine Art ist. Wer
wollte dem Reisebriefsteller verargen, daß unter solchen Verhältnissen auch sein
Heuriger etwas sauer geräth? Und doch soll jeder Lichtblick, der sich dem
Wanderer bietet, mit Freuden begrüßt und berichtet werden.

Das erste Ding, über das man stolpert, wenn man in den ehemals öster¬
reichischen Vorlanden am Oberrhein ans Schweizer Boden tritt, ist die Ruine
des Katholizismus. Bei uns ist die Papstkirche, trotz allen Kulturkampfes,
uoch ein stolzer Bau, so gewaltig, daß nach den neuesten Nachrichten -- wenig¬
stens nach hiesiger Färbung -- der deutsche Kanzler sich anschickt, hinter der
Brustwehr dieses Baues den Liberalismus zu befehden, hier dagegen eine ver¬
fallene Burg. Die "schweizerische Nationalkirche" nennt sich hier der
Altkatholizismus. Selbst der an kräftige Reklame gewöhnte Bürger unsrer
Zeit mag lächeln, wenn er dieses Aushängeschild liest und dabei bedenkt, daß
die Schweiz ein paritätisches Land ist, daß weit über die Hülste seiner Be¬
wohner zu den Protestanten zählt*) und daß von den Katholiken wieder
kaum die Hälfte sich zur "schweizerischen Nationalkirche" d. h. zum Altkathv-



*) Nach der Zählung von 1. Dezember 1870 1,666,001 Protestanten, 1,084,666 Katho-
liken, 7009 Juden, 11,420 Sektirer.

ein deren Spitze den jungen Publius Cornelius Scipio gestellt. Seit einigen
Menschenaltern schon gehörten die Seipioueu zu den hervorragendsten Familien
der Republik; die Art, wie den beiden Brüdern Publius und Cnejus der Ober¬
befehl in Spanien von Jahr zu Jahr immer aufs Neue übertragen worden,
war bisher ohne Beispiel. Der ganze spanische Krieg hatte in ihrer Hand ge¬
legen, und jetzt wurde er wie ein Erbstück auf den Sohn und Neffen der Ge¬
fallenen übertragen. Er empfing ein prokonsularisches Kommando, bevor er
Konsul gewesen, und er dankte es dem mächtigen Einflusse seines Hauses wie
seiner außergewöhnlichen Persönlichkeit. Man weiß, wie wunderbar und über¬
wältigend sich diese zu Rom's Gunsten zur Geltung brachte. Bevor das Jahr
206 zu Ende ging, fiel Gades, das letzte Bollwerk der punischen Macht auf
europäischem Boden, in Scipio's Hand, und damit war das Schicksal des
hcmnibcilischen Krieges entschieden. Die Schlacht bei dein afrikanischen Zama
besiegelte es nur.




Schweizer Ueijegl'offen.

Wenn das liebe Wetter in seinem Betragen so fortfährt wie bisher, so
wird der „Heurige" noch saurer werden, als dies sonst seine Art ist. Wer
wollte dem Reisebriefsteller verargen, daß unter solchen Verhältnissen auch sein
Heuriger etwas sauer geräth? Und doch soll jeder Lichtblick, der sich dem
Wanderer bietet, mit Freuden begrüßt und berichtet werden.

Das erste Ding, über das man stolpert, wenn man in den ehemals öster¬
reichischen Vorlanden am Oberrhein ans Schweizer Boden tritt, ist die Ruine
des Katholizismus. Bei uns ist die Papstkirche, trotz allen Kulturkampfes,
uoch ein stolzer Bau, so gewaltig, daß nach den neuesten Nachrichten — wenig¬
stens nach hiesiger Färbung — der deutsche Kanzler sich anschickt, hinter der
Brustwehr dieses Baues den Liberalismus zu befehden, hier dagegen eine ver¬
fallene Burg. Die „schweizerische Nationalkirche" nennt sich hier der
Altkatholizismus. Selbst der an kräftige Reklame gewöhnte Bürger unsrer
Zeit mag lächeln, wenn er dieses Aushängeschild liest und dabei bedenkt, daß
die Schweiz ein paritätisches Land ist, daß weit über die Hülste seiner Be¬
wohner zu den Protestanten zählt*) und daß von den Katholiken wieder
kaum die Hälfte sich zur „schweizerischen Nationalkirche" d. h. zum Altkathv-



*) Nach der Zählung von 1. Dezember 1870 1,666,001 Protestanten, 1,084,666 Katho-
liken, 7009 Juden, 11,420 Sektirer.
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[0322] ein deren Spitze den jungen Publius Cornelius Scipio gestellt. Seit einigen Menschenaltern schon gehörten die Seipioueu zu den hervorragendsten Familien der Republik; die Art, wie den beiden Brüdern Publius und Cnejus der Ober¬ befehl in Spanien von Jahr zu Jahr immer aufs Neue übertragen worden, war bisher ohne Beispiel. Der ganze spanische Krieg hatte in ihrer Hand ge¬ legen, und jetzt wurde er wie ein Erbstück auf den Sohn und Neffen der Ge¬ fallenen übertragen. Er empfing ein prokonsularisches Kommando, bevor er Konsul gewesen, und er dankte es dem mächtigen Einflusse seines Hauses wie seiner außergewöhnlichen Persönlichkeit. Man weiß, wie wunderbar und über¬ wältigend sich diese zu Rom's Gunsten zur Geltung brachte. Bevor das Jahr 206 zu Ende ging, fiel Gades, das letzte Bollwerk der punischen Macht auf europäischem Boden, in Scipio's Hand, und damit war das Schicksal des hcmnibcilischen Krieges entschieden. Die Schlacht bei dein afrikanischen Zama besiegelte es nur. Schweizer Ueijegl'offen. Wenn das liebe Wetter in seinem Betragen so fortfährt wie bisher, so wird der „Heurige" noch saurer werden, als dies sonst seine Art ist. Wer wollte dem Reisebriefsteller verargen, daß unter solchen Verhältnissen auch sein Heuriger etwas sauer geräth? Und doch soll jeder Lichtblick, der sich dem Wanderer bietet, mit Freuden begrüßt und berichtet werden. Das erste Ding, über das man stolpert, wenn man in den ehemals öster¬ reichischen Vorlanden am Oberrhein ans Schweizer Boden tritt, ist die Ruine des Katholizismus. Bei uns ist die Papstkirche, trotz allen Kulturkampfes, uoch ein stolzer Bau, so gewaltig, daß nach den neuesten Nachrichten — wenig¬ stens nach hiesiger Färbung — der deutsche Kanzler sich anschickt, hinter der Brustwehr dieses Baues den Liberalismus zu befehden, hier dagegen eine ver¬ fallene Burg. Die „schweizerische Nationalkirche" nennt sich hier der Altkatholizismus. Selbst der an kräftige Reklame gewöhnte Bürger unsrer Zeit mag lächeln, wenn er dieses Aushängeschild liest und dabei bedenkt, daß die Schweiz ein paritätisches Land ist, daß weit über die Hülste seiner Be¬ wohner zu den Protestanten zählt*) und daß von den Katholiken wieder kaum die Hälfte sich zur „schweizerischen Nationalkirche" d. h. zum Altkathv- *) Nach der Zählung von 1. Dezember 1870 1,666,001 Protestanten, 1,084,666 Katho- liken, 7009 Juden, 11,420 Sektirer.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 37, 1878, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341827_157661/322>, abgerufen am 22.07.2024.